Birgit (Name geändert) lebt seit einigen Wochen im Frauenhaus der Diakonie in Weiden. Sie hat mit beiden Kindern ihr Zuhause verlassen, "weil einfach die Gewaltspirale immer schlimmer geworden ist und ich verzweifelt war, vor einem Scherbenhaufen gestanden bin".

Birgit ist nur eine von rund 45 Frauen jedes Jahr, die hier Schutz suchen.

Gewalt gegen Frauen in Deutschland

Dabei sei das nur ein Bruchteil der Betroffenen, weiß die Leiterin Enikö Nagy. "Jede vierte Frau ist in Deutschland von häuslicher Gewalt betroffen, also mindestens einmal in ihrem Leben." Man müsse sich das so vorstellen: Jedes vierte Gebäude würde einstürzen oder jede vierte Operation würde tödlich enden.

"Das würde nicht hingenommen werden, aber im Bereich von häuslicher Gewalt ist das so."

Zu Weihnachten oder an emotional besetzten Feiertagen sei es besonders schlimm. "Die Zeit ist mit vielen Erwartungen überfrachtet. Und wenn die nicht erfüllt werden, dann gibt es oft Krach", weiß Nagy. Der Streit eskaliere dann an den Festtagstischen. Die Konsequenzen ziehen die Frauen häufig aber erst nach den Feiertagen, "weil sie das Wohl aller im Blick haben und diesen Schritt oft nicht an Weihnachten oder Geburtstagen selbst tun".

Häusliche Gewalt an Weihnachten

Betroffen sind Nagy zufolge alle Gesellschafts- und Altersschichten. "Es ist also nicht die Frage, ob man jemanden kennt, der von häuslicher Gewalt betroffen ist, sondern ob man es merkt", sagt Nagy.

So wie bei Birgit. Da hat es niemand in ihrem Umfeld gemerkt. "Hinterher haben alle gesagt: 'Oh mein Gott! Das hätten wir nie gedacht!'". Sie habe vorgespielt, "dass wir die perfekte, heile Familie sind". Und das trotz jahrelanger Demütigungen, Einschüchterungen, Wutausbrüche und Schläge.

Über fünf Jahre hat Birgit gezögert, bis sie ihre Koffer gepackt hat. Bis ihr zehnjähriger Sohn selber gewalttätig geworden ist.

"Der hat anscheinend vom Papa gelernt." Das sei für sie der wichtigste Grund gewesen, zu gehen.

"Damit er lernt, Konflikte anders zu lösen. Das liegt mir als Mama am Herzen, weil ich nicht will, dass meine Enkel einmal dasselbe mitmachen müssen, was meine Kinder mitgemacht haben."

Arbeit des Frauenhauses 

Genau dort setzt die Arbeit des Frauenhauses seit fast 25 Jahren an, berichtet Enikö Nagy. "Uns ist es wichtig, dass die Frauen bei uns im Haus andere Erfahrungen machen als in den Kontexten, aus denen sie kommen." Die Frauen sollen gestärkt werden, ihre Ressourcen und Möglichkeiten erkennen und einen neuen Blickwinkel auf ihr Leben erhalten.

"Dass sie die freie Wahl haben, sich ihr Leben so einrichten zu können, wie es für sie und ihre Kinder gut ist."

Dazu gehöre eine ausführliche Beratung der betroffenen Frauen. Die findet sowohl im Frauenhaus als auch ambulant statt: "Was sind meine Rechte? Wie kann ich mich schützen? Wie kann ich meine finanzielle Existenz sichern? Welche bürokratischen Hürden sind zu meistern? Wo kann ich wohnen?"

Das alles seien Fragen, bei denen die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses mit Rat und Tat zur Seite stehen, erläutert Nagy. Denn oftmals halten genau diese ungeklärten Fragen die Frauen davon ab, vor den Schlägen oder der psychischen Gewalt zu fliehen.

Beratung als Hilfestellung

"Frauen lassen wirklich eine ganze Menge mit sich machen, wenn sie glauben, dass sie damit die Familie zusammenhalten", sagt Enikö Nagy. Birgit bestätigt: "Also wenn nur ich von der körperlichen Gewalt betroffen gewesen wäre, wäre ich wahrscheinlich geblieben. Aber es hat auch die Kinder betroffen, und darum bin ich gegangen."

Aus Sicherheitsgründen ist der Standort des Frauenhauses in Weiden anonym. Es bietet Platz für sieben Frauen und etwa sieben bis zwölf Kinder. Diese können zu jeder Tages- und Nachtzeit hier Schutz suchen. Ein Anruf genügt, auch in Zeiten der Pandemie.

"Keine Frau wird wieder weggeschickt", sagt Nagy.

Drei Monate - das ist die Zeit, die vorgesehen ist für einen Aufenthalt im Frauenhaus. In dieser Zeit werden die Frauen rechtlich und finanziell beraten, psychisch wieder aufgebaut und bei der Neuorientierung unterstützt. Dabei macht das Frauenhaus viele Angebote zur Heilung, dazu gehören Kunsttherapie oder andere Freizeitangebote für die Kinder, die Normalität vermitteln sollen.

Birgit hat ihre Entscheidung nicht bereut: "Ich fühl mich jeden Tag einfach besser, angekommen, sicherer und kriege die Unterstützung, vor allem für meine Kinder, die ich dringend brauche. Wir kommen alle zur Ruhe. Das ist einfach ein sicherer Hafen."

Hilfe bei Gewalt gegen Frauen

Hilfetelefon

Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer 08000 116 016 und via Online-Beratung werden Betroffene aller Nationalitäten, mit und ohne Behinderung unterstützt – an 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. Auch Angehörige, Freundinnen und Freunde sowie Fachkräfte werden anonym und kostenfrei beraten.

Beratung bei der Diakonie Deutschland

Die Diakonie ist Trägerin von 33 Frauen- und Kinderschutzhäusern und vielen Frauenberatungsstellen, in denen Frauen Schutz und Beratung finden. Eine Übersicht über rechtliche Schritte gegen häusliche Gewalt und Tipps für Angehörige finden Sie auf dieser Seite.