Fronleichnam ist für uns Evangelische immer so ein Feiertag mit Fragezeichen. Das Wort allein! Viele von uns dachten jahrelang, das hieße "froher Leichnam". Der Gag dazu war "happy Kadaver". Hört sich an wie ein Gothic-Festival mit Sakristei-Anschluss. Dabei geht’s in Wirklichkeit um die Dankbarkeit für die leibliche Gegenwart Jesu in Brot und Wein.

In den katholischen Dörfern wurde da zumindest in Franken richtig aufgefahren. Prozessionen, Altäre, Teppiche aus Blumen. Wir Evangelischen standen am Gartenzaun, nickten freundlich und taten so, als würden wir das alles nicht ganz so kurios finden.

In manchen Gegenden haben unsere Landwirte früher an Fronleichnam demonstrativ Mist gefahren. Schön mit der Brühe am Vormittag, damit’s die katholischen Altäre ordentlich einnebelt. Nicht aus Bosheit – eher aus Tradition. So wie man sich beim Kartenspielen halt neckt, aber am Ende doch gemeinsam Brotzeit macht.

Widerstand auf dem Rasen, bis Buß- und Bettag wieder Feiertag ist

Blumen waren ein sensibles Thema. Das ganze Jahr über wurde beim evangelischen Blumenladen im Ort gekauft – dort gab’s die besten Petunien und das freundlichste "Grüß Gott".

Aber zu Fronleichnam? Da wurden die Marienfiguren im Vorgarten oder das Marterl am Weg mit katholischen Blumen geschmückt. Die wurden dann extra im Nachbarort geholt, beim alteingesessenen katholischen Gärtner. Der wusste schon Wochen vorher, dass seine Umsatzkurve um Fronleichnam einen göttlichen Ausschlag nach oben macht. Und hat aus Mangel an Nachschub freilich beim evangelischen Händler nebenan zugekauft.

Ich selbst bin als Jugendlicher als Tenorhornspieler in der Kolping-Kapelle Kitzingen oft bei der Prozession mitmarschiert. Vorneweg der Weihrauchträger, ein eifriger Ministrant, mit einem Arm wie ein Maschinenkolben. Nach 20 Minuten hatte ich mehr Nebel eingeatmet als ein Hippie beim Happening im Räucherstübchen. Da winkte die heilige Cäcilia persönlich vom Himmel herunter.

Und dann gibt’s da noch den Nachbarn, evangelisch wie ich. Der mäht jedes Jahr an Fronleichnam demonstrativ seinen Rasen – sagt, er hört erst auf, wenn der Buß- und Bettag wieder Feiertag ist. Widerstand auf dem Rasen, auch ohne Fußballspiel, quasi.

Wenn sich der Weihrauch verzogen hat, sitzen alle wieder beieinander

Aber am Wochenende, wenn sich der Weihrauch verzogen hat, die Anrufungen verklungen sind und der Blumenschmuck welk an der Marienfigur hängt, sitzen wir wieder beieinander. Evangelisch, katholisch, egal – beim Gläsle Wein schmeckt keiner den Unterschied.

Und vielleicht schaffen a g’scheite Brotzeit und ein Augenzwinkern dann wieder ein bisschen Frieden im Ort.

Kommentare

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Ingrid Müller am Mo, 16.06.2025 - 21:12 Link

Es gibt aber auch Katholiken die nicht so genau wissen was da gefeiert wird.
Ich hoffe jetzt wird das auch im Religionsunterricht erklärt und vermittelt.

Aber für die allermeisten ist es ein willkommener freier Tag.
Gefeiert wird selten.