Jens Spahn ist ein Politiker mit einem erkennbar starken religiösen Fundament. Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag bekennt sich klar zu seinem katholischen Glauben, ist aber durchaus bereit, innerkirchliche Missstände offen zu benennen.

In der öffentlichen Debatte positioniert er sich als gläubiger Katholik, als schwuler Mann mit politischer Verantwortung und als jemand, der Religion nicht als Privatsache versteht.

Katholische Prägung mit Widerspruchsgeist

Spahns religiöse Sozialisation ist durchgängig katholisch: Er besuchte einen katholischen Kindergarten und eine katholische Grundschule und ging auf ein katholisches Gymnasium. Er war Ministrant und engagierte sich in der Jugendarbeit.

Diese Prägung wirkt bis heute nach. Der Glaube sei für ihn "Kompass und Fundament", schreibt Spahn 2018 in einem Gastbeitrag für die "Welt". Er gebe ihm Halt, Geborgenheit und Gelassenheit.

Gleichzeitig mahnt er an, die Kirche solle sich stärker auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Darunter versteht er: Seelsorge, Glaubensvermittlung und karitative Arbeit. Einmischungen in die Tagespolitik goutiere er hingegen weniger, "vor allem nicht mit trivialen Moralansprüchen".

Religion sei hörbar und wirkmächtig:

"Ich halte es für gut und wünschenswert, dass sich die Kirchen zu Wort melden, wenn es um grundsätzliche Fragen geht, die zumeist auch echte Glaubensfragen sind."

Sie schärften damit das gesellschaftliche Bewusstsein und zwängen alle Beteiligten – auch Politiker*innen –, ihre Argumente zu prüfen. Als Beispiele nennt er die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens, die Würde von Kranken oder Sterbenden sowie die Organspende.

In dieser Haltung zeigt sich einerseits ein konservatives Verständnis der Trennung von Kirche und Staat, andererseits aber auch ein deutliches Interesse an der öffentlichen Relevanz von Religion – sofern sie sich auf das Spirituelle und Soziale konzentriert.

Zugleich stellt er sich offen gegen bestimmte kirchliche Lehren, insbesondere im Umgang mit Homosexualität. Die Verweigerung des Segens für seine Ehe kommentierte er in der Bild am Sonntag spitz:

"Die katholische Kirche segnet Motorräder und Hamster – aber uns nicht."

Er wünsche sich eine Kirche, die die Realität anerkenne und gleichgeschlechtliche Paare fairer behandele.

Spahn und Islam: Kritik, auch pauschal

Spahns Verhältnis zu nicht-christlichen Religionsgemeinschaften, speziell zum Islam, ist hingegen weniger differenziert. Es ist nicht in gleichem Maße von Vertrauen oder Wohlwollen geprägt wie sein Verhältnis zur christlichen Kirche.

Zwar betont er, dass muslimisches Leben zu Deutschland gehört, und fordert dafür strukturelle Voraussetzungen wie deutsche muslimische Gemeinden, in Deutschland ausgebildete Imame und eine inländische Finanzierung muslimischer Einrichtungen.

Zugleich spart er nicht mit pauschalen Abwertungen und Unterstellungen. So behauptete Spahn 2024 bei einer Veranstaltung der Evangelischen Akademie in Berlin, die "muslimische Kultur” sei durchsetzt mit Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und Homophobie.

Zu weiteren Weltreligionen äußert sich Spahn selten bis gar nicht. Das Judentum kommt bei ihm fast ausschließlich im Kontext des Staates Israel oder im Zusammenhang mit Antisemitismus zur Sprache. Buddhismus und Hinduismus scheinen für ihn hingegen kein Thema zu sein.

Fazit: Religion ist wichtig – aber nach Rangordnung

Jens Spahns Verhältnis zur Religion ist ambivalent. Er bleibt seiner Kirche verbunden, kritisiert aber deren Haltung zu seiner Lebensweise.

Er betrachtet Religion durchaus als Bestandteil gesellschaftlicher Ordnung, allerdings innerhalb einer klaren Hierarchie: Das Christentum bildet für ihn die Norm. In diesem Bereich ist er zu differenzierten Abwägungen fähig, erkennt positive wie negative Aspekte und unterscheidet sauber zwischen Glauben, Institution und einzelnen Vertreter:innen.

Den Islam hingegen nimmt er vorrangig als Problem wahr; Differenzierungen sucht man hier weitgehend vergeblich. Das Judentum erscheint ihm vor allem im Kontext von Antisemitismus oder Israelpolitik relevant. Andere in Deutschland vertretene Glaubensgemeinschaften hält er offenbar nicht für erwähnenswert.

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