Wenn ich meine Geschichte mit der Bibel anschaue, wird mir klar, warum ich manchmal gar keine Lust mehr hatte, die Bibel zu lesen.

Da gab es zum Beispiel einen "christlichen Autoren für Jugendliche", der mir vorgeschrieben hat, vor jedem Bibellesen zu beten, damit ich es auch richtig verstehe. Einen Professor, der vehement gegen die Auslegung der Bibel durch "Bibliodrama" argumentierte – nur historisch-kritisch ist wahr!

Leute in Hauskreisen, die sich als "Geschwister" bezeichneten und sich Bibelzitate mit der Wucht eines Baseballs an den Kopf warfen. "Rechtgläubige", die nicht müde wurden zu betonen, dass die Bibel sich selbst auslegt – egal, wie viele Widersprüche da auch zu finden sind.

Die Bibel lesen?

Wie ein Minenfeld. Alles kontrolliert – und ich und andere wankten zwischen den Minen herum. So unterschiedlich die Stimmen waren, eines hatten sie alle gemeinsam: Sie haben die Bibel totkontrolliert.

Zeitweise habe ich mich in den Kontroll-Chor eingereiht. Ich hab dabei sogar versucht, mehrstimmig zu singen. Rechtgläubiger Sopran, liberaler Alt, pietistischer Tenor, historisch-kritischer Bass oder so ähnlich.

Aber nach und nach hab ich mir andere Mitsängerinnen gesucht.

Ein Ordensbruder, der mir sagte: Hier, lies mal diesen Psalm. Und wenn Verse dabei sind, die dich anstrengen, lösch sie in Gedanken. Bleib bei den anderen.

Eine Professorin, die mir historisch erklärt, wie Jesusworte in den Evangelien Jesusworte später überlagert worden sind. Überlagert von Gedanken, die für ihre Zeit wichtig waren – aber sind sie es für unsere Zeit?

Ein Meditationslehrer, bei dem ich zum ersten Mal amüsiert gelesen habe von der "Diktatur des Rechthabens" in Bezug auf die Bibel – und gemerkt, dass es auch andere Weisen gibt, mit der Bibel zu leben.

Mit der Bibel leben

Und vor allem: Mich selbst. Mein wichtigster Mitsänger. Ich, mit dem Mut des Glaubens, dass Christus mir begegnen will. Ganz schön individualistisch. Aber irgendwie doch sehr lutherisch zu vertrauen, dass Gott gerade mich meint …

Heute verstehe ich die Bibel als ein Buch ohne Klappentext.

Ohne eine Zusammenfassung hintendrauf, die mir schon von vornherein eine Brille aufsetzt. Ein Buch, von dem ich mir einfach seine eigene Geschichte erzählen lassen will. Den eigenen Klappentext schreibe ich dann selbst, immer wieder anders.

Es ist ein wenig wie mit dem Abendmahl. Ich brauche nicht die Vorgabe bestimmter, richtiger Gebete, um es zu feiern. Muss nicht mehr darauf achten, dass es zwingend Neuendettelsauer Hostien und Weißwein sind, die ich verwende. Kann drüberstehen, ob jemand, der das Abendmahl empfängt, wohl Kirchenmitglied ist. Und vertraue darauf, dass Christus wirkt.

Vertrauen als Schlüssel

So ähnlich auch mit der Bibel. Was für ein jahrtausendealtes Gewebe in allen Farben und Formen. Mottenzerfressen hier und da – aber ich halte Ausschau, wo ich goldene Fäden entdecke.

Und höre anderen zu, wenn sie mir erzählen, dass sie ganz andere Fäden entdecken.

Immer auf der Suche. Aber nicht nach Kontrolle. Sondern nach Vertrauen.

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