Den Ausblick auf die rund anderthalb Kilometer Wasseroberfläche des künstlich angelegten Stausees werden Friedel und Winfried Möltner mit am meisten vermissen, wenn sie bald nach drei Jahrzehnten als Wirtsehepaar der Gaststätte "Strandhaus" in den Ruhestand gehen. Die Gottesdienste auf der geräumigen Grünfläche natürlich auch. Ihr Nachfolger wird darüber mit entscheiden, ob diese noch weiterhin am Westufer des Rothsees, einem der sieben Seen des Fränkischen Seenlands, stattfinden können.

Wie die Freiluft-Gottesdienste am Rothsee entstanden sind

"Ich habe immer den Job des Mesners übernommen", sagt Möltner. Stühle herrichten, die Lautsprecheranlage aufstellen und dem Predigenden erklären, wie sie funktioniert, das Körbchen für die Kollekte herumgehen lassen - all diese Aufgaben hat er jahrzehntelang gerne mit erledigt, während Gattin Friedel sich im Strandhaus mit ihrem Team bereits für den Ansturm auf Kaffee und Kuchen, Weißwurstfrühstück oder die anderen Wünsche der Gäste vorbereitet hatte. Die halbe Stunde Gottesdienst zwischen 9.45 und 10.15 Uhr - nicht länger, ohne Abendmahl oder sonstige Extras, immer offen für alle Religionen - gehörten für die beiden ab 1991 mit zum Wirts-Alltag.

Pfarrer Eberlein erinnert sich

Karl Eberlein, damals einer der drei Pfarrer der nahen Gemeinde Roth und mittlerweile im Ruhestand, erinnert sich gerne an die Anfänge der evangelischen Gottesdienste, bei denen sein Amtskollege Wilfried Wäschenfelder als damaliger Eckersmühlener Ortspfarrer ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt hatte.

Gemeinsam traten sie damals an den Rother Landrat Helmut Hutzelmann und den einstigen Geschäftsführers des Zweckverbandes Rothsee, Josef Specht, mit der Idee heran, regelmäßig Gottesdienste an dem eben entstandenen Naherholungsziel zu veranstalten. "Hutzelmann sagte, er sei zwar Katholik, aber wenn wir etwas auf die Beine stellen wollen, unterstütze er das gerne", erinnert sich Eberlein.

Gottesdienste haben einen ökumenischen Charakter

Die katholischen Kollegen hatten damals wie heute nicht mitmachen wollen. Trotzdem hätten die Feiern inhaltlich ökumenischen Charakter, und auch die Kollekten würden nicht für innerkirchliche Zwecke eingesammelt, sondern immer für überregionale Organisationen und Anlässe.

Blickt man auf das Jahresprogramm zwischen Himmelfahrtstag und September, fällt auf: Die Pfarrerinnen und Pfarrer sowie die Posaunenchöre kommen nicht nur aus dem Dekanat Schwabach, das die Organisation übernimmt, sondern auch aus dem benachbarten Neumarkt. Grenzen von Regierungsbezirken wie Kirchenkreisen spielen für die Rothsee-Gottesdienste keine Rolle. "Im Prinzip geschieht hier schon lange eine Regionalisierung von unten", erklärt Eberlein.

Wenn am Pfingstmontag die Nürnberger Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern und der Regensburger Regionalbischof Klaus Stiegler hier gemeinsam den Gottesdienst feiern, dann kommt eben nicht nur der ehemalige Schwabacher Dekan wieder in die alte Heimatregion, sondern auch der oberste Vertreter des benachbarten Kirchenkreises, aus dem wie selbstverständlich die Touristen ebenso den Rothsee ansteuern wie aus dem Nürnberger Land.

Viele Tagesausflügler besuchen den Freiluftgottesdienst

Unter den Gästen sind viele Menschen, die normalerweise sonntags nicht in die Kirche gehen, hierher aber schon. Tagesausflügler legen ihre Touren oft so, dass sie den Rothsee-Gottesdienst erleben können und dann weiter ziehen. 300 Besucher seien der Schnitt, bei schönem Wetter waren es auch schon 500.

Winfried Möltner erinnert sich an einen der ersten Gottesdienste im Jahr 1991, als es buchstäblich Bindfäden regnete und Pfarrer und Posaunenchor ihrerseits die Feier absagten. "Dann waren plötzlich doch um die 50 Leute mit Regenschirmen und dicken Ponchos da. Wir haben dann wenigstens ein Vaterunser gemeinsam gebetet", erzählt er.