Julia Bloos beugt sich konzentriert über einzelne Lederstücke, die sie zu einer Tasche verarbeitet. "Ich nähe jetzt den Reißverschluss an. Das Stück soll später die Innentasche einer Herren-Aktenmappe werden. Den Reißverschluss habe ich mit Kontaktkleber von hinten auf das Innenfutter geheftet, damit er beim Nähen nicht verrutscht", erklärt Bloos.

Dann geht sie weiter zur Spaltmaschine, wo sie mit einem Messer die Unterseite des Leders abschneidet.

"Weil drei Millimeter für eine Aktentasche zu dick sind, werde ich es auf 1,2 Millimeter spalten."

Studium oder Schreibtisch keine Option

Seit rund zwei Jahren ist die 24-Jährige mit ihrer Ausbildung zur Feintäschnerin fertig. "Mir gefällt das Traditionelle", sagt sie. Mit ihrem Beruf sei sie mehr als zufrieden. "Ich wollte immer eine Ausbildung im Handwerk machen." Ein Studium oder eine reine Schreibtischtätigkeit sei für sie nicht in Frage gekommen.

"Ich mag es, etwas mit meinen Händen zu erschaffen und möchte am Ende des Tages sehen, was ich gemacht habe."

Bloos arbeitet bei der Lederwarenfabrik Steinmann in Nürnberg mit rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In der Feintäschnerei sind es zwei Männer und zwei Frauen. "Handwerk ist längst keine Männerdomäne mehr", sagte eine Sprecherin des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) dem Sonntagsblatt.

"Frauen sind in vielfältigen Positionen Leistungsträgerinnen: Als selbstständige Unternehmerin, in der Doppelspitze mit einem Partner oder als Nachfolgerin im Familienbetrieb haben sie sich Führungspositionen erobert."

Fast jede vierte Betriebsgründung im Handwerk erfolge durch eine Frau und annähernd jede fünfte erfolgreiche Meisterprüfung. "Frauen sind nicht nur im Handwerk angekommen, sie gestalten es auch erfolgreich mit", betont die ZDH-Sprecherin.

Ein Drittel der rund 5,5 Millionen Beschäftigten im Handwerk ist weiblich. Jeder fünfte Betrieb gehört einer Frau. In einigen kreativen Berufen wie im Goldschmiedehandwerk oder in der Maßschneiderei sind um die 80 Prozent Frauen. Angesichts des Nachwuchs- und Fachkräftebedarfs wird es laut ZDH für das Handwerk immer wichtiger, das Potenzial von gut ausgebildeten Frauen weiterzuentwickeln.

Schülerinnen schnuppern in Betriebe hinein

Um mehr junge Frauen von den beruflichen Bildungs- und Karrieremöglichkeiten in der Branche zu überzeugen, machen Betriebe bei verschiedenen Kampagnen mit, etwa bei der "Klischee-Frei-Initiative" des Bundesfamilienministeriums. Sie unterstützen Projekte wie "Mädchen willkommen im Handwerk" oder beteiligen sich am Girls‘ Day, bei dem Schülerinnen in Betriebe hineinschnuppern können.

Bloos findet solche Aktionen sehr sinnvoll.

"Manchmal weiß man vorher nicht, ob einem ein Beruf gut gefällt."

Sie selbst habe vor ihrer Ausbildung ein Praktikum in einer Schreinerei absolviert, doch die Arbeit sei ihr körperlich zu anstrengend gewesen.

Vorurteile vor allem von Älteren

Vorurteile schlagen ihr hauptsächlich von älteren Menschen entgegen, die nach wie vor vom traditionellen Berufsbild geprägt seien. "Mein Opa sagte zu mir, ich solle als Frau lieber nicht ins Handwerk gehen", berichtet sie. Er hatte Bedenken, dass es körperlich zu herausfordernd für sie werden könnte. Junge Männer hingegen seien ihrer Berufswahl gegenüber aufgeschlossener.

"Die finden meinen Job oft cool und bewundern das auch."

Julia Bloos appelliert an junge Frauen, keine Berührungsängste zu haben. "Wenn ein Mädchen kreativ ist, muss es nicht unbedingt Mediengestalterin werden", sagt sie. Auch das Handwerk sei eine Option, sich gestalterisch auszuleben:

"Es geht nicht um das Körperliche, sondern um das, was im Kopf steckt."