Neulich hat Christian Sterzik bei Twitter ein Foto verbreitet: Es zeigt einen altmodischen Briefkasten mit einem Aufkleber "Einwurf Online-Formulare". Er schrieb dazu: "Warum frage ich mich bloß, ob wir bei Kirchens auch sowas haben..." Dann folgte der Hashtag #digitaleKirche. Sterzik ist der Digitalexperte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Seit einem halben Jahr ist er im Amt. Kommende Woche wird er in Würzburg bei der EKD-Synode, dem Parlament der evangelischen Kirche, Vorschläge machen, wie die Kirche digitaler werden kann.

Die Synode im vergangenen Jahr in Bonn hat Weichen gestellt und überhaupt dafür gesorgt, dass ein Projektkoordinator für den digitalen Wandel eingestellt wurde. Sterzik kommt aus der freien Wirtschaft. Der 42-Jährige hat vorher als Manager für eine Bank gearbeitet und war dort mit der IT-Strategie befasst, nebenher hat er sich immer wieder ehrenamtlich in der Kirche engagiert. Er koordiniert ein Team aus EKD-Ratsmitgliedern, Vertretern der 20 Landeskirchen und Ehrenamtlichen, die alle das Ziel haben, die Kirche noch digitaler und dadurch ein bisschen moderner zu machen.

Digitalisierung ist Schwerpunktthema bei EKD-Synode

Digitalisierung ist ein Schwerpunktthema bei der diesjährigen Synode, die am 11. November beginnt. Die sozialen und theologischen Fragen des digitalen Wandels sind in der EKD zur Chefsache geworden. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm hat sich in den vergangenen Wochen häufiger öffentlich über die ethischen Fragestellungen des digitalen Wandels geäußert als in seiner bisherigen Amtszeit.

"Der digitale Wandel bietet die Chance, schneller an die Themen zu kommen, die zum Beispiel die junge Generation interessieren", sagt Gesche Joost, Designforscherin an der Universität der Künste Berlin und ehemalige Internet-Botschafterin der Bundesregierung. Gerade in der Debatte über Hate Speech und Radikalisierung im Netz könne die Kirche sich stärker einbringen: "Die christlichen Werte wie Respekt und Toleranz fehlen im Netz", sagt Joost.

Digitalisierungsabteilung im EKD-Kirchenamt

Mit einem maßgeschneiderten Angebot will Digitalisierungsexperte Sterzik nun die Synode überzeugen. So soll es in Zukunft eine Digitalisierungsabteilung im EKD-Kirchenamt in Hannover geben. Sie soll aus einem Digitalisierungsmanager, einem Chef-Ethiker und einem Technikspezialisten bestehen, der zum zentralen "Kümmerer" für die Landeskirchen etwa in Sachen Datenschutz und App-Entwicklung werden soll.

Zusätzlich zu den Stellen soll die Synode über drei Maßnahmen abstimmen. Sterzik will gerne ein Digitalisierungsbudget einrichten, mit dem man auch kurzfristig innovative Projekte fördern kann. Hinzu kommen noch zwei Ideen: eine Medienplattform für Kirchengemeinden und ein digitaler Kirchen-Finder. Damit soll es möglich sein, Gläubige individuell anzusprechen und ihnen gruppenspezifische Angebote zu machen.

Das Paket sei ein guter Anfang, sagt Gesche Joost, die selbst Mitglied der Synode ist. "Ich sähe es allerdings gerne, wenn es noch zusätzlich einen Datenanalysten gäbe." Der könne Datenbestände etwa über Mitgliederentwicklung und Gottesdienstabdeckung in den einzelnen Landeskirchen analysieren und vernetzen. So könne man verstehen, wie sich die Kirche eigentlich entwickelt.

Digitales Kirchen-Verzeichnis "Kirche bei dir"

Am weitesten fortgeschritten ist die Idee eines digitalen Kirchen-Verzeichnisses im Internet. Ein Prototyp der geplanten Seite "Kirche bei dir" soll auf der Synode vorgestellt werden. Sucht jemand nach einer barrierefreien Kirche oder nach einem Gottesdienst mit Chorgesang, soll diese Anwendung den Nutzer zu der für ihn passenden Kirche in seiner Nähe führen. Eine ähnliche Internetseite gibt es bereits von der "Church of England". Die Seite hatte vor Weihnachten 2017 laut Sterzik etwa 1,5 Millionen Seitenabrufe. Mehr als zwei Drittel der 290.000 Nutzer besuchten die Seite zum ersten Mal. Über 50.000 Nutzer waren den Angaben zufolge zwischen 18 und 34 Jahren alt. Für kirchliche Maßstäbe ist das ein digitaler Erfolg.

Das Projekt "Kirche bei dir" zeige, dass es nicht schlimm sei, später dran zu sein als andere, findet Sterzik. Dann könne man übernehmen, was bei anderen schon funktioniert. Es sei nie zu spät. "Ich zitiere dann gerne ein afrikanisches Sprichwort: 'Der beste Zeitpunkt, einen Baum zu pflanzen, war vor 20 Jahren. Der Zweitbeste ist heute.'"