Herr Nitsche, ihre drei Vorträge hätten als "Passionsgespräche" ja eigentlich vor Ostern bereits stattfinden sollen, was durch Corona plötzlich nicht mehr ginge. Im dritten Teil steht ein Fragezeichen hinter dem Titel. Wie haben sich Ihre Antworten darauf im vergangenen halben Jahr geändert?

Nitsche: Das Fragezeichen hat sich für nicht wenige Medienmacher und für viele Menschen im letzten halben Jahr in ein Ausrufezeichen verwandelt. Vor Corona hat vor allem die Friday-for-Future-Bewegung mit ihrem drängenden Warnen Bilder vom Ende der Erde, wie wir sie kennen, heraufbeschworen. Wenn wir nicht ganz schnell, sozusagen um 2 vor 12 doch noch radikal umsteuern würden. Daran wollte ich anknüpfen und die biblische Apokalypse des Johannes befragen: Gibt es Hoffnung?

Dann wurde alles von der Corona-Pandemie überschwemmt. Und in diesem Herbst titeln Medien auf allen Kanälen und in allen Formaten plötzlich: "Flammen der Apokalypse" (BILD), "Die (ewige) Angst vor der Apokalypse" (Die Zeit); "Die nächste amerikanische Apokalypse" (FAZ).

Drängender denn je stellt sich die Frage, ob diese alarmierende Deutung von allem, was uns Angst einjagt, wirklich Auswege zeigt, oder eher mit Sensationslust und der Eventisierung des Schreckens Wege in die Zukunft verstellt.

Wo liegen die wichtigsten Gemeinsamkeiten, wo die Unterschiede zu apokalyptischen Darstellungen von Johannes über Dürer bis heute?

Nitsche: Albrecht Dürer mit seiner Graphic Novel "Die Apokalypse" und Francis Ford Coppola mit "Apokalypse now" haben die Grundidee der biblischen  "Apokalypse des Johannes" jeweils in die Bildwelt ihrer Zeit geholt.

Diese Grundidee war und ist, einen bildgewaltiger Blick hinter die Kulissen des immer undurchschaubarer werdenden Weltgeschehens zu bieten. Was läuft da wirklich ab?

Die Motive dafür aber, so meine Einschätzung, sind ziemlich unterschiedlich: Anklage der Mächtigen der eine, Aufruf: Es ist höchste Zeit radikal umzukehren der andere und hoffnungsfroh mitten im Weltgetöse eine Tür in die Zukunft bei Gott zu öffnen der dritte. Alle auf der Höhe ihrer Zeit – und jetzt sind wir dran.

Ihr Titel der Vortragsreihe lehnt sich an Francis Ford Coppolas Film über den Vietnamkrieg an. Welchen Ort, Handlung und Gegenstand hätte Ihr Drehbuch für den eigenen Apokalypse-Film?

Nitsche: Super Frage! Hinter den Stahltüren im Atombunker des Kreml, in der Präsidentensuite der Airforce One, in den unterirdischen Gängen mit Zentrifugen in den Bergen des Iran, auf den Datenautobahnen und den Kommunikationssatelliten der digitalen Welt, mitten im Flammeninferno Kaliforniens und den Weiten der wachsenden Wüsten Afrikas, auf den schmelzender Gletschern Grönlands, in den Brandruinen der Amazonaswälder.

Und: an den Orten der Stille - in sich und vor Gott überall auf dieser Welt. Und mitten unter den Menschen, die aufbrechen auf den Pilgerweg des erneuerten konziliaren Prozesses für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, am Friday, am Sonntag oder mitten unter der Woche.

Die Vorträge finden an den Freitagen, 2., 9. und 16. Oktober, jeweils um 17 Uhr im Haus eckstein statt. Das Programm der evangelischen Stadtakademie Nürnberg liegt im eckstein, Burgstr. 1, aus und ist online unter www.evangelische-stadtakademie-nuernberg.de einzusehen.