In der Tasche seiner schicken Weste bringt er dem Brautpaar die Ringe – und übergibt sie dann mit einem lauten "Wuff": Den eigenen Hund in die Hochzeit mit einzubeziehen, ist eine von vielen immer neuen Ideen und sogenannten Trends, die vor allem in den Sozialen Medien zum Thema Hochzeiten kursieren.
"Paare sehen Trauungen mit Hunden auf Instagram", sagt Pfarrerin Doris Wild von der Segen.Servicestelle der bayerischen evangelischen Landeskirche in München. "Ab und zu" hätten sie Anfragen, ob der Hund in die Trauung eingebunden werden könne. Prinzipiell sei das möglich, doch nicht immer klappe das so wie geplant – "oft wollen die Hunde nämlich nicht", sagt Wild.
Die Segen.Servicestelle ist "Dienstleister für kirchliche Segensrituale in besonderen Lebensmomenten"
Die Frage nach dem Hund ist nur eine von vielen, die die Segen.Servicestelle zum Thema Hochzeiten erreicht. Im Frühjahr 2020 wurde die Einrichtung gegründet, als "Dienstleister für kirchliche Segensrituale in besonderen Lebensmomenten" wie es auf der Internetseite steht - nach eigenen Angaben deutschlandweit als erste ihrer Art. Sechs Pfarrerinnen und Pfarrer arbeiten in den zwei Büros in Nürnberg (zuständig für Nordbayern) und in München (zuständig für Südbayern) und beraten Menschen bei Fragen oder der Organisation von Taufen, Trauungen oder Bestattungen oder leiten diese auch selbst.
Früher waren diese Stationen eines Lebens fest an die Kirche gebunden. Das ist schon längst nicht mehr so: Die Zahl der evangelischen Trauungen in Deutschland hat sich beispielsweise zwischen 2011 und 2021 mehr als halbiert (neuere Zahlen liegen noch nicht vor): von 48.398 auf 17.890. Auch wenn 2021 sicherlich die Einschränkungen der Corona-Pandemie eine große Rolle spielten: Bereits im Vor-Corona-Jahr 2019 war die Zahl auf 38.115 Trauungen gesunken. Gründe dafür sind nicht nur die sinkende Zahl an Kirchenmitgliedern, sondern auch ein größerer Wunsch nach einer individuellen Gestaltung der Trauung und gleichzeitig fehlende Kenntnisse darüber, was in der Kirche alles möglich ist und wen man ansprechen kann.
Viele Paare glauben, mit freien Rednern lasse sich eine Trauung flexibler gestalten
Dafür steigt die Zahl der freien Trauungen immer weiter an. "Viele Paare möchten gerne unter freiem Himmel heiraten, das ist ihnen wichtig", berichtet Hochzeitsplanerin Sarah Hämmerle. Immer mehr Paare wünschten sich eine Trauung am Abend, mit Lichterketten und Lagerfeuer. Pfarrer sind nach ihrer Erfahrung in ihrer Region Bodensee-Oberschwaben nicht so flexibel bei der Wahl von Ort und Zeit einer Trauung. Die Paare, die sie begleitet, entscheiden sich in den meisten Fällen für eine freie Trauung, zum Beispiel auch dann, wenn eigentlich einer von beiden kirchlich heiraten möchte, der andere aber eher nicht.
Die Zunahme freier Trauungen bestätigt auch Margret Witzke, Hochzeitsfotografin aus Lübeck und seit 34 Jahren im Geschäft. "Die freien Trauredner gehen persönlicher auf das Paar ein und man kann den Ort der Trauung frei bestimmen, zum Beispiel an einem See."
"Wir wollen zeigen, dass ganz viel möglich ist"
Um genau diese Flexibilität auch bieten zu können und leichter ansprechbar zu sein, entstehen in immer mehr evangelischen Landeskirchen oder Kirchenkreisen sogenannte Ritualagenturen - etwa st.moment in Hamburg, das Segensbüro in Berlin, Segen45 in Essen oder das im April neugeschaffene Segensbüro "Blessed Pfalz" in Speyer.
"Wir wollen zeigen, dass ganz viel möglich ist", sagt auch Pfarrerin Wild von der Segen.Servicestelle in München. Auch bei ihnen melden sich viele Paare, die draußen heiraten wollen, etwa an einem See oder auf einer Alm. "Viele fühlen sich in der Natur und unter freiem Himmel Gott näher – eine Kirche engt manche eher ein", sagt Wild. Die Segen.Servicestelle hilft dann bei der Organisation und vermittelt den Paaren einen Pfarrer oder eine Pfarrerin, die zu ihren Wünschen passen.
"Von vornherein sagen wir nie Nein, wenn ein Paar einen besonderen Wunsch hat", sagt Pfarrerin Angelika Gogolin von der 2022 gegründeten Ritualagentur st.moment in Hamburg, die von den beiden Kirchenkreisen Hamburg-Ost und Hamburg-West/Südholstein finanziert wird. "Wir sprechen immer erstmal mit den Paaren." St.moment wolle "niedrigschwellig erreichbar sein und serviceorientiert arbeiten", erklärt Gogolin. Paare sollen nicht von einem Ansprechpartner zum nächsten weitergeschickt werden, nur weil sie sich in den Strukturen von Gemeinden oder Kirchenkreisen nicht auskennen und nicht wüssten, wen sie anrufen müssten.
Die Wünsche der Paare seien bei weitem nicht so ausgefallen wie es vielleicht manchmal in der Berichterstattung über die Ritualagentur rüberkomme, sagt die Hamburger Pfarrerin. Heiraten auf einer Barkasse auf der Elbe werde oft nachgefragt, oder auch eine Trauung in der Kneipe "Windjammer", in einer Seitenstraße der Reeperbahn. Tatsächlich hätten sie auch immer wieder Fälle, wo Paare nach einer "freien Trauung" fragen und damit eine Trauung unter freiem Himmel meinen. "Fast alle unsere Pastoren in der Nordkirche kommen übrigens raus", ergänzt Gogolin, nur wüssten das viele Paare eben nicht.
Eine gewisse Nähe zum Glauben ist bei fast allen Paaren vorhanden
Auch bei den Musikwünschen zur Trauung gehen st.moment und die bayerische Segen.Servicestelle auf die Vorstellungen der Paare ein: "Prinzipiell ist jede Art von Musik, die euch gefällt, möglich und richtig", heißt es etwa auf der Internetseite der Hamburger Ritualagentur.
St.moment bietet seine Dienste "voraussetzungsfrei" an, erklärt Gogolin: Keiner der beiden Partner muss Mitglied in der Kirche sein. Tatsächlich seien diese Fälle aber sehr selten: "Bei den meisten Anfragen ist mindestens einer von beiden Mitglied in der evangelischen oder katholischen Kirche." Und auch eine gewisse Nähe zum Glauben ist meist vorhanden: "Wenn Menschen gar nichts mit Gott und Kirche zu tun haben möchten, dann rufen sie in der Regel auch nicht bei einer evangelischen Ritualagentur an."
Ob die Brautleute Kirchenmitglieder sind oder nicht, macht für die Zeremonie keinen Unterschied, sagt Gogolin. "Wir feiern immer einen evangelischen Gottesdienst mit einem Segen - und wir freuen uns über jeden, der Lust hat, dieses Angebot anzunehmen." Das Einzige, was wegfalle, wenn die Paare vorher nicht standesamtlich geheiratet haben, sei der Eintrag ins Kirchenbuch. Und natürlich trauten sie auch gleichgeschlechtliche Paare.
Egal ob standesamtlich verheiratet oder nicht - einen Segen können alle bekommen
In der bayerischen Landeskirche gibt es dagegen schon Unterscheidungen, sagt Pfarrerin Wild. "Bei einer kirchlichen Trauung geben wir unseren Segen zu einer bereits geschlossenen standesamtlichen Hochzeit dazu." Außerdem müsse mindestens einer der Brautleute Mitglied in der evangelischen Kirche sein. Die Pfarrer steckten ja auch viel Zeit in die Vorbereitung der Trauung und da sie von dem Paar kein Geld bekämen, fühle es sich sonst schon ein bisschen ungerecht an, wenn keiner der beiden Partner Kirchenmitglied sei, sagt Wild. Alle anderen Paare könnten aber natürlich einen Segen bekommen.
Den Vorteil einer kirchlichen Hochzeit gegenüber einer freien Trauung sieht Wild etwa darin, dass sie als Pfarrerin den Segen Gottes geben kann. "Der Segen kommt nicht von uns, sondern von Gott. Die kirchliche Trauung ist eine Zusammenfassung von Ritual, guter Botschaft und Segen. Man kann die individuelle Geschichte des Paares in einen größeren Zusammenhang stellen, die Geschichte des Paares mit der Geschichte Gottes zusammenbringen. Darin sind wir Profis, das haben wir in unserer Ausbildung gelernt und reflektiert." Außerdem seien sie nicht nur Redner, sondern auch Seelsorger.
"Unsere Kirche ist keine Eventstätte"
Einen noch eher konservativen Ansatz verfolgt man in der beliebten Hamburger Hochzeitskirche St. Johannis-Eppendorf. "Die Trauung ist immer noch eine kirchliche Handlung und unsere Kirche ist keine Eventstätte", sagt Gisela Möller vom dortigen Kirchenbüro bestimmt. Bei ihnen darf kein Hund die Ringe bringen, der Fotograf nicht während des Ringwechsels durch den Altarraum "hüpfen" und es werden auch keine Schlager gespielt. Dass die Zahl der "klassischen" kirchlichen Trauungen rückläufig ist, bringt für Fans der über 750 Jahre alten Kirche mit ihrem dörflichen Charakter aber auch Vorteile mit sich: "Wir haben für dieses Jahr sogar noch freie Termine – die letzten Jahre waren wir immer viel länger im Voraus ausgebucht."
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