Gleich mit einer ganzen Reihe von Reformen will die bayerische Landeskirche ihre Strukturen straffen, sich mit einem Immobilienkonzept auf die künftigen kleineren Mitgliederzahlen einstellen und den evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrern wieder mehr Raum für ihre theologischen Kernaufgaben, der Verkündigung und Seelsorge, schaffen. Dafür sollen Stellenzuschnitte der Pfarramts-Sekretärinnen verändert und ihr Aufgabenfeld erweitert werden. Oberkirchenrat Hans-Peter Hübner erklärt den Stand des Reformprozesses.


Die neueste kirchliche Statistik verzeichnet einen Zuwachs an Taufen, aber nach wie vor viele Kirchenaustritte. Wie werten Sie die Situation?

Hübner: Da neige ich weder zu rosa-rot bebrillter Euphorie, noch zu selbstkasteiendem Defätismus, sondern zu einem zuversichtlichen Realismus. Der Trend bestätigt sich, dass die Zahl unserer Mitglieder abnimmt. In den letzten 15 Jahren ist die Landeskirche um rund 300.000 Mitglieder ärmer geworden. Das führt jetzt schon zu strukturellen Problemen, wenn es etwa im Dekanat Nürnberg statt früher 250.000 heute nur noch 150.000 evangelische Christen gibt.

Diese Entwicklung wird sich noch verstärken, wegen der Überalterung unserer Mitglieder. So werden wir in den nächsten Jahren ganz andere Sterbezahlen haben. In dieser Weise wird sich die Demografie auch in Bayern, wie bereits in den anderen Bundesländern, bemerkbar machen. Durch die Verrentung der geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten Jahren werden auch die finanziellen Spielräume spürbar geringer werden. Die erfreulich gestiegene Taufzahl wird diesen Trend nicht grundsätzlich umkehren.

Unter dem Stichwort Konzentration reagiert die Landeskirche auf diesen Trend mit einer ganzen Reihe von Reformprozessen. Zeigen diese Konzepte schon eine konkrete Wirkung?

Hübner: Durchaus. Im Verwaltungsbereich sind die bisherigen 35 Verwaltungs-Standorte zwar erhalten geblieben, haben sich jedoch zu zehn größeren Verbünden zusammengeschlossen. Die Vorteile sind jetzt schon greifbar, wie ein Beispiel zeigt: Während früher das Dekanat Fürstenfeldbruck zwangsläufig auf ein eher schmales Dienstleistungsangebot in der Verwaltung zurückgreifen konnte, profitiert es jetzt durch den Verbund mit den Verwaltungsstellen in Weilheim und München von einem viel breiter aufgestellten Dienstleistungsangebot.

Das wirkt sich insbesondere im Baubereich aus, für den jetzt aus dem Münchner Kirchengemeindeamt Architekten für die Gemeinden auch in Fürstenfeldbruck und Weilheim zur Verfügung stehen. Sehr positiv hat die neue Verwaltungsstruktur bereits die Implementierung des neuen digitalen Kirchennetzes in den Gemeinden unterstützt. Denn in jedem Verbund gibt es nun einen "IT-Multiplikator", der den Gemeinden bei der Umstellung zur Seite steht und sie beispielsweise ganz konkret bei der Anschaffung von neuen PCs berät.

Ein Kernstück des Reformprozesses sind auch die neuen Stellenzuschnitte für Pfarramtssekretärinnen. Wann können die Pfarrerinnen und Pfarrer durch Assistenzen mit geschäftsführenden Funktionen für ihre theologischen Kernaufgaben entlastet werden?

Hübner: Wir bewegen uns genau nach Plan in der Projekt-Laufzeit, die am 30. April 2018 abgeschlossen sein soll. Die gründliche Auswertung des Projekts wird dann die Grundlage für die weiteren Schritte sein. Schon jetzt lässt sich allerdings sagen, dass dieses Projekt auf große Aufmerksamkeit und Zustimmung bei den Erprobungs-Gemeinden gestoßen ist. Außerdem sind erste große Linien erkennbar: Es wird in Zukunft mehrere Sekretärinnen-Typen geben, also eine Ausdifferenzierung des Berufsbildes von der "klassischen" Sekretärin bis hin zu geschäftsführenden Funktionen, und es sollen verifizierbare Anhaltspunkte und Bezugsgrößen für den Stundenumfang der Pfarramtsassistenz in den Gemeinden gefunden werden. Wie sich abzeichnet, soll eine Vollzeitstelle auf 4.500 bis 5.000 Gemeindeglieder kommen, und es soll möglichst keine Arbeitsverhältnisse unter 15 Stunden geben. Kleineren Kirchengemeinden und Pfarreien empfehlen wir deshalb, Assistenzkräfte in Kooperation mit anderen anzustellen.

Bei der nötigen Konzentration kirchlicher Strukturen setzen Sie vor allem auf freiwillige Kooperationen, wie kürzlich zwischen den Dekanaten Bayreuth und Bad Berneck. Reicht das, oder sind nicht doch angeordnete und verbindliche Vorgaben nötig?

Hübner: Um diese Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten: Würden wir denn schneller vorankommen durch Dirigismus? Meiner festen Überzeugung nach ganz sicher nicht - und zwar gleich aus mehreren Gründen. Die evangelische Kirche ist ein rechtssicheres Gebilde, was heißt, dass bei Veränderungen immer auch der Rechtsweg beschritten werden kann, bis hin zum kirchlichen Verwaltungsgericht. Zum anderen gehört die partizipative und vor allem synodale Beteiligung bei Entscheidungsprozessen geradezu zur DNA unserer Kirche. Und schließlich haben wir immer wieder die Erfahrung gemacht, dass Veränderungen und Reformen, die in sachlicher Auseinandersetzung und anschließendem Konsens vonstattengehen, zwar mehr Zeit brauchen, dafür aber viel nachhaltiger und wirkungsvoller sind, weil sie dann eben auch von möglichst vielen mitgetragen werden.

Dass dieser Weg nicht falsch ist, zeigen doch auch zunehmend die positiven Beispiele - etwa die Kooperation der drei schwäbischen Dekanate Nördlingen-Donauwörth-Oettingen oder entstehende Kooperationen im Kirchenkreis Ansbach-Würzburg. Inzwischen kommt es sogar schon zu dekanats-übergreifenden Besetzungen von Pfarrstellen, werden Dekanatsgrenzen einvernehmlich neu abgesteckt. Das Kooperations-Netzwerk wächst und wird immer dichter. Wichtig ist, dass bei Kooperationen auf Augenhöhe verhandelt wird und jeder Partner etwas einbringen kann. 

Kirchliche Gebäude reduzieren und konzentrieren

Fachpersonal und Sekretärinnen, egal welchen Stellenzuschnitt sie haben, Seelsorge und Gottesdienst benötigen Raum und Gebäude. Wie ist es um das Immobilienkonzept bestellt, das ja eine der ersten Reformschritte war?

Hübner: Angesichts rückläufiger Gemeindegliederzahlen und Finanzkraft ist der Gebäudebestand ganz klar und konsequent zu konzentrieren und zu reduzieren. Andererseits konnten wir mit den Kirchensteuermehrerträgen der letzten Jahre einiges erreichen, um den für die Gemeindearbeit auch künftig unverzichtbaren Gebäudebestand zu sichern. Ganz besonders dankbar bin ich für den Kirchensanierungsfonds. Dort sind 106 Millionen Euro eingestellt.

Auch wenn das ursprüngliche Ziel von 150 Millionen Euro nicht erreicht werden konnte, was ich sehr bedauere, können nun aus diesem Fonds die im laufenden Haushalt vorgesehenen Baumittel um jährlich sechs Millionen Euro aufgestockt werden. Außerdem freue mich darüber, dass in den vergangenen zehn Jahren 1.200 unserer etwa 1.350 Pfarrhäuser und -wohnungen rundum saniert werden konnten. Zukünftig wird die vorausschauende Abstimmung der Sanierungsmaßnahmen mit den Perspektiven der Landesstellenplanung noch wichtiger werden als bisher.

Im Übrigen haben sich viele Dekanate durch eigene Immobilienkonzepte bereits auf veränderte Rahmenbedingungen und zurückgehende Zahlen eingestellt. Dabei stehen vor allem die Gemeindehäuser auf dem Prüfstand. Ob wirklich jede Gemeinde ein eigenes Gemeindehaus braucht, ist mir dabei eine große Frage. Für das Teilen von Räumen und Unterhaltskosten mit Nachbargemeinden, ökumenischen Partnern und politischen Gemeinden gibt es ermutigende Beispiele, aber eben auch noch viel Luft nach oben. Als sehr bedauerlich empfinde ich es, dass manche Dekanate bisher noch kein Immobilienkonzept entwickelt haben. Wir wollen hier noch intensiver als bisher beratend und unterstützend zur Seite stehen, damit nicht der begrenzte zeitliche Korridor für eine bedarfsgerechte und innovative Neuausrichtung des örtlichen Gebäudebestandes, die regelmäßig Investitionen mit landeskirchlichen Mitteln erfordert, verpasst wird. 

Reformprozess "Profil und Konzentration" der bayerischen Landeskirche

Wie passen diese einzelnen Reformprojekte zum umfassenden Zukunftskonzept "Profil und Konzentration" (PUK) der Landeskirche?

Hübner: Die einzelnen Prozesse verzahnen sich unter der Leit-Idee PUK zu einem großen Ganzen. Denn sie sorgen für eine Konzentration von Verwaltung und Immobilien angesichts zurückgehender Zahlen und geben - vor allem durch die Ausweitung und Aufwertung des Aufgabenbereichs der Pfarramtssekretärin - den Pfarrerinnen und Pfarrern neuen Raum für ihre seelsorgerlichen und theologischen Kernaufgaben. Davon erhoffen wir uns einen wesentlichen Schub für den dringend nötigen geistlichen Aufbruch in unserer Kirche.

Alle einzelnen Reform-Schritte sind dem großen Ziel von PUK zugeordnet, dass die Kirche wieder auf neuen Wegen zu den Menschen kommt, dass wir eine "Gehstruktur" entwickeln. Ein erster kleiner Schritt ist die "Kirchenpost", mit der wir uns an unsere Mitglieder in bestimmten Lebenssituationen, zum Beispiel Schulabschluss, wenden und über die örtliche Verwendung der Kirchensteuer informieren. Nach sehr ermutigenden Erfahrungen in Neumarkt und Nürnberg überlegen wir, diese "Kirchenpost" auch bayernweit zu versenden.

Die Zeit für Reformen ist nicht unendlich, ab 2020 rechnet die Kirche mit weniger Einnahmen, allein schon durch die Demografie, und sind eventuell neue Verteilungskämpfe zu erwarten. Gefährdet das den Reformprozess?

Hübner: Es ist sicherlich richtig, dass wir nur ein begrenztes Zeitfenster haben. Das müssen wir aber aktiv nutzen und dürfen keinesfalls die Hände in den Schoß legen, weil wir ja derzeit noch insgesamt gute Zahlen und eine stabile Situation haben. Ich bin aber unterm Strich zuversichtlich, weil es inzwischen auf allen Ebenen ein breites Bewusstsein für die Notwendigkeit einschneidender Reformen gibt: Die Resonanz auf PUK ist durchgängig groß, es werden dabei Erfahrungen, Anfragen und Ideen aus allen Bereichen der Landeskirche zusammen getragen. Die Chancen intensiverer Zusammenarbeit in kirchlichen Räumen zwischen Gemeinden, Dekanatsbezirken, Bildungswerken und sonstigen kirchlichen Einrichtungen werden zunehmend erkannt und genutzt. Daran war vor zehn oder zwölf Jahren in diesem Maße nicht einmal zu denken.

 

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