Was ist Ihrer Meinung nach das Besondere, das die junge Kirche Luv ausmacht? 

Philipp Müller: Die GründerInnen von Luv haben vier Schlagworte gefunden, worum es bei Luv geht, an denen ich mich gerne orientiere. Die Schlagworte sind Pray, Meet, Build und Rock. Pray als der Bereich für das spirituelle Leben. Build bedeutet, dass Luv auch einen praktischen Anspruch hat - so haben die Jugendlichen hier zum Beispiel schon ihr eigenes Schiff gebaut. Build meint aber auch Mitbauen an einer besseren Welt, also sich ökologisch oder auch im sozialen Bereich zu engagieren.

Wir haben zum Beispiel einen inklusiven Jugendtreff mit Jugendlichen mit und ohne Behinderung. Meet bedeutet einfach, dass sich hier junge Menschen treffen und zusammen Gemeinschaft erleben können. Und Rock betrifft alles, wo es um Party geht. Musik spielt eine große Rolle. Wir haben hier eine tolle Band, die auch unsere Gottesdienste, unsere Luv-Oasen trägt, und zum Beispiel auch U16-Partys, die wir hier anbieten, begleitet.

Luv junge Kirche
Die vier Leitmotive von Luv.

Was sind Ihre täglichen Aufgaben, wie sieht ein typischer Tag aus?

Müller: Jeder Tag ist anders, würde ich sagen. Unter der Woche finden viel Vorbereitung und Kommunikationsarbeit statt. Dabei geht es darum, sich mit den AkteurInnen zu verbinden. Wir sind auch in starkem Austausch mit der Stadt Lindau und deren Stellen, die Jugendarbeit anbieten. Da gilt es sich zu treffen und vorzubereiten auf die nächsten gemeinsamen Events. Auch das Treffen der Leitungsgruppen finden unter der Woche statt. Dann stehen noch Bandproben an und der KonfirmandInnen-Kurs. Und wenn all diese Vorbereitungsarbeiten getan sind, dann kommen meistens die großen Events am Wochenende, wie zum Beispiel eben die Luv-Oasen, der inklusive Jugendtreff oder auch größere Einzelevents.

Luv junge Kirche
Kirchenraum der jungen Kirche Luv

Was ist das Besondere an Ihrer Arbeit?

Müller: Die Vielfältigkeit meines Jobs ist schon sehr besonderes. An meiner letzten Pfarrerstelle in München war viel dabei, von der Taufe von Säuglingen bis hin zur Sterbebegleitung, Kinder- und Familienarbeit, Konfirmanden- und Schulunterricht und Sonntagsgottesdienste. Das habe ich alles sehr gerne gemacht. Doch hier bei luv habe ich tatsächlich die Möglichkeit, mich auf ein Aufgabenfeld zu konzentrieren, nämlich die Arbeit mit jungen Menschen im Alter zwischen 14 und 27. Das hilft mir dabei, meine Fähigkeiten und Kompetenzen in diesem Feld weiterzuentwickeln. 

Wie stellen Sie sich die Kirche hier in fünf bis zehn Jahren vor?

Müller: Das ist eine schwierige Frage. Die Veränderungsprozesse von Kirche sind so dynamisch, dass Prognosen über fünf und zehn Jahre eher gewagt sind, weil alles so schnelllebig ist. Digitalisierung spielt dabei auch eine große Rolle. Meine Kollegin Judith Amend-Knaub und ich, wir wollen nicht diejenigen sein, die hier bestimmen, sondern wir wollen vor allem einen Rahmen bieten, wo Jugendliche dann selbst sagen oder bestimmen, wie sie gerne Gemeinschaft leben wollen und welche Angebote sie haben wollen.

Ich denke, vieles davon findet hier schon Ausdruck in der Form unseres Raumes. Zum Beispiel, dass dieser Kirchenraum sehr multifunktional ist. Es gibt eine Sofaecke und ganz viele verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung, moderne Technik, solides Internet, eine großartige Küche.

Aber auch grundsätzliche Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein müssen, nämlich dass sich Menschen in einem Kirchenraum wohlfühlen und gerne kommen und sich umsorgt fühlen und auch schon beim Eintritt merken: "Hier bin ich willkommen". Ich glaube, dass das bei uns schon viel Ausdruck findet. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, die Menschen zu fragen:  Was wünscht ihr euch und wie können wir euch unterstützen und wie können wir das umsetzen?

Was suchen die Jugendlichen bei Euch, wenn sie in die Kirche kommen? Gemeinschaft könnte ein wichtiger Punkt sein, oder?

Müller: Wir haben kürzlich ein kleines Video produziert, in dem wir ehrenamtlich arbeitende Menschen bei uns interviewt und sie gefragt haben: "Warum gehst Du gerne zu Luv?"

Die Antworten waren unter anderem: 

Neue Menschen kennenlernen, Gemeinschaft erleben, ein Ort finden, wo man sich geschützt fühlt, ein Treffpunkt. 

Aber es geht auch um das, was Jugendliche bei Gruppen wie der Wasserwacht oder beim Posaunenverein oder im Trachtenverein nicht erleben: Wir bringen einfach Fragen auf den Tisch, ganz grundsätzliche Sinnfragen.

Ich glaube, das haben wir als Alleinstellungsmerkmal, dass wir junge Menschen nicht allein mit solchen Fragen lassen, sondern, dass wir uns als BegleiterInnen anbieten. Wir können Jugendlichen helfen, für sich eine Orientierung zu finden. Was den Glauben und Religionen angeht, da geht es nicht darum, irgendwie die eine Wahrheit zu vermitteln. Ich sehe christliche Weltdeutung als ein Angebot der Sinnstiftung, wenn man sich da selbst wiederfinden kann.

Wenn die Kirche Spenden erhält, wofür werden diese eingesetzt?

Müller: Zuletzt fand bei luv viel Fundraising statt rund um den Neubau dieses Gebäudes, in dem wir gerade sind. Das ist in einem langen Prozess entwickelt und 2021 schließlich fertiggestellt worden. Früher war Luv eine Outdoorkirche. Dadurch, dass Luv ein Projekt ist, hat es einen Projektstatus und wird auch immer wieder infrage gestellt.

Deswegen will ich betonen, was Kirche jetzt braucht, ist die Förderung der Jugendarbeit, wenn sie weiterhin relevant sein will.

Wir sind auf Spenden angewiesen. Gleichzeitig haben wir auch das Glück, dass wir hier sehr gut zusammenarbeiten, mit Nachbargemeinden, dem Dekanat und den Jugendverbänden. 

Luv junge Kirche
Vielfalt an Möglichkeiten in der jungen Kirche Luv.

Was meinen Sie, woran liegt die Schwierigkeit, junge Menschen in die Kirche zu bringen?

Müller: Das ist eine breite Diskussionsfrage. Es gab gerade auch die EKD-Studie zu dem Thema Kirchenmitgliedschaft. Dort zeigen die Ergebnisse, dass Menschen heute wohl allgemein weniger religiös sind oder da irgendwie einen Wert drauflegen, eben jene existenziellen Fragen des Lebens irgendwie zu bearbeiten.

Das scheint ein Phänomen zu sein, was vielleicht auch unabhängig gesehen werden muss. Also die Fragen nach:  Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Welchen Sinn hat mein Leben? Dort scheint ein Relevanzverlust zu sein.

Meiner Meinung nach haben die evangelischen Kirchen verpasst viel mehr zu tun, ihr Angebot weiterzuentwickeln. Mit ihren Antworten, die sie bieten, weiterhin auf Fragen zu antworten, die die Menschen wirklich haben. Manchmal habe ich das Gefühl, die Kirche beantwortet Fragen, die die Menschen gar nicht haben, und dadurch wird die Kirche für viele bedeutungslos. 

Wie viele Mitglieder hat Luv? Kommen hier auch schon weniger Menschen in die Kirche?

Müller: Wir haben keine festen Mitglieder, sondern die Menschen kommen und gehen. Momentan würde ich sagen, wir haben circa 50 aktive Ehrenamtliche, die bei Aktionen mithelfen oder Leitungsaufgaben übernehmen. Ich merke, wenn ich am Anfang von der Luv-Oase frage: "Wer ist es denn heute zum ersten Mal da?", dass immer irgendwo Hände hochgehen. Jugendliche erzählen einander davon, dass es Luv gibt und dass hier Dinge sind, die interessant für junge Menschen sind. Man sieht immer wieder neue Leute und Luv wächst. 

Luv wird jetzt zehn Jahre alt und Sie planen am 16. Dezember ein Geburtstagsfest. Was ist dazu alles geplant?

Müller: Das wird großartig. Um 18 Uhr feiern wir einen kleinen Festgottesdienst und auch die restliche Gestaltung des Abends ist von den Jugendlichen organisiert. Die Bürgermeisterin von Lindau und viele weitere Ehrengäste und ehemalige MitarbeiterInnen werden vor Ort sein.

Natürlich wird es auch einen Sektempfang und Grußworte dazu geben. Wir haben uns vorgenommen, dass alles, was an diesem Abend bei diesem Geburtstag passiert, wirklich an die ehrenamtlichen Jugendlichen ausgerichtet ist und ihnen Spaß macht. Das heißt, der Gottesdienst wird nicht besonders lang dauern.

Auf der Feier können nette Gespräche geführt werden, gemeinsame Spiele gespielt werden, aber es wird auch gespielt von unserer Band. Und später kann noch gemeinsam getanzt werden. Draußen wird es bei unserem Tipi ein Lagerfeuer geben mit Glühwein und Punsch.

Gibt es noch etwas Wichtiges, das Sie zum Abschluss sagen möchten?

Müller: Ich sehe nach wie vor eine ganz große Bedeutung von Kirche für unsere Gesellschaft. Es ist wichtig, dass sich vieles weiterentwickelt, was die theologischen Aussagen und Angebotsformate betrifft.  Nach wie vor bin ich aber überzeugt davon, dass kirchliche Gemeinden unbedingt bleiben müssen als Orte der Gemeinschaft, als Orte der Wertestiftung, als Orte, wo man sich für wichtige Lebensfragen orientieren kann.

Kirchengemeinden sind Leuchttürme ehrenamtlicher Arbeit. 

Auch viele Kontexte in unserer Gesellschaft sind mit Kirche verbunden, wie zum Beispiel Chöre, Hilfsangebote für Geflüchtete und sozial benachteiligte. 

Ohne Kirche würde ein wichtiger Teil wegbrechen und die Menschen werden sich zunehmend vereinzeln. Es wird zunehmend einen Rückzug ins Private geben und das darf nicht passieren. Sondern im Gegenteil, wir brauchen die Orte weiterhin, mit all dem, was sie können, was sie anbieten, auch spirituell, aber auch eben als ganz wichtiger Faktor für unsere Gesellschaft und dafür, dass es weiterhin eine solidarische, gerechte Gesellschaft gibt.

Pfarrer Philipp Müller

Wer ist der Pfarrer Philipp Müller? 

Philipp Müller ist 36 Jahre alt und lebt mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter seit einem Jahr in Lindau. Dort ist er seit 2022 als Pfarrer in der jungen Kirche Luv aktiv. Ein Großteil seiner Ausbildung verbrachte er in Berlin an Humboldt-Universität. Danach zum Examen an der Hochschule in Neuendettelsau. Sein Vikariat machte er in Fürth und seine erste Pfarrerstelle war in München. 

Mehr Informationen zu jungen Kirche Luv findest du auf deren Homepage. 

Nächste Termine der jungen Kirche Luv

Samstag: 2.12.23  20-20:30 Uhr Nightfever - Luv Band live

Lindau: Münster Unserer Lieben Frau

Samstag:  9.12.23 11:30-12:15 Uhr Hafenweihnacht - Luv Band live

 Lindau: Mangturm Lindau

Dienstag: 12.12.24 17:30-21 Uhr Queer Treff : im Jugendtreff "Xtra" (Unterer Schrannenplatz 10)

Lindau: Luv Junge Kirche Lindau

Samstag: 16.12.23  15-22 Uhr 10 Jahre Luv - Empfang und Party! : Jubiläumsfeier mit Bewirtung, Empfang und viel Feierlaune

Lindau: Luv Junge Kirche Lindau

Sonntag:  14.1.24  18-19 Uhr  Luv Oase : "Vom Genießen und Verzichten"

Lindau: Luv Junge Kirche Lindau

Donnerstag: 18.1.24  18-19:30 Uhr Bibel & Bier: "Sinnfluencer" - Wie begegnet uns Gott in Social Media?

Lindau: Luv Junge Kirche Lindau

Samstag:  3.2. 10:17 Uhr Bandtag

Lindau: Luv Junge Kirche Lindau

Sonntag:  4.2.24  18-19 Uhr  Luv Oase: "Von selbst bringt die Erde Frucht"

Lindau: Luv Junge Kirche Lindau

Samstag:  24.2.24  Fastenaktion "Füreinander einstehen" : mit Gästen aus der Slowakei

Lindau: Luv Junge Kirche Lindau 

Mehr Informationen findest du auf deren Homepage. 

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