Der Fürther katholische Dekan André Hermany fühlt sich von den Austrittserklärungen, die ihn seit Veröffentlichung des Gutachtens über sexuellen Missbrauch im Erzbistum München und Freising erreichen, überrollt. "In Cadolzburg hatte ich 35 Austritte in nur einer Woche", sagt er vor den Veranstaltungsteilnehmern im Großen Saal des Pfarrzentrums St. Heinrich. Er biete jedem von ihnen danach ein Gespräch an, würde das jedoch viel lieber vor statt nach dem Austritt tun. Auch das ist ein Grund für die Veranstaltung am Donnerstag, die das Dekanat bewusst überzogen "Auskotzen!" genannt hat. Der Dekan hält einen Spuckbeutel aus Plastik hoch:

"Ihren Unmut, Ihre Wut, Ihr Unverständnis wollen wir hören und ernst nehmen."

Elf Hauptamtliche Mitglieder der katholischen Kirche stellen sich dem Unmut der Gläubigen

Elf Hauptamtliche vom Dekan bis zum Gemeindereferenten wollen sich dem stellen, was die Gläubigen beschäftigt oder sie einfach nur nervt. Etwas mehr Gäste als Hauptamtliche sind da und einige von ihnen steigen nach einer kurzen Einführung direkt in die Diskussion ein. Die erste Frage: "Wird das, was wir heute sagen, gesammelt? Wird es Konsequenzen geben?" Soll es, betonen die Veranstalter. Eröffnet wird der Abend mit dem alles beherrschenden Thema Missbrauch und das polarisiert die Gäste. Einer wischt das Thema beiseite: "Das ist durch." Andere widersprechen vehement. Die Hierarchie der Kirche wird angeprangert, eine stärkere Präventionsarbeit gefordert. Dekan Hermany spricht den Generalverdacht an, der ihm als Priester immer wieder entgegenschlägt.

Ablauf des Diskussionsabends "Auskotzen!"

Im Saal sind zwei Stuhlkreise aufgebaut - ein innerer mit fünf Stühlen und ein großer äußerer. Sie sollen die Runde strukturieren: Wer etwas sagen möchte, kommt vom äußeren in den inneren Kreis und verlässt diesen dann wieder. Es folgt ein Schaubild dessen, was in der katholischen Kirchen schon seit Jahren brodelt: Kirchenrecht, Frauenordination, Zölibat, Kritik am Klerikalismus. Doch es gibt auch positive Beispiele aus dem eigenen Dekanat. In der Seelsorge würden Männer und Frauen auf Augenhöhe zusammenarbeiten, erklärt Gemeindereferent Stefan Gardill. Viele Themen könne man selbst angehen. "Wofür brauchen wir überhaupt Rom?", fragt eine Teilnehmerin.

Die Einstellung der Anwesenden zur Kirche reicht von sehr kritisch bis hoffnungsvoll pragmatisch. Einig sind sich alle, dass sich noch viel tun muss, vor allem auf den höheren Ebenen. Zum Schluss weist ein Teilnehmer darauf hin, dass man bei aller Beschäftigung mit Verwaltung und Organisation nicht den Kern der Sache vergessen sollte: den Bezug zu Gott.