Die katholische Kirche kommt nicht zur Ruhe. Am 20. Januar veröffentlichte eine Münchner Kanzlei ein haarsträubendes Gutachten zu sexuellem Missbrauch im Erzbistum München und Freising zwischen 1945 und 2019. Papst Benedikt XVI., von 1977 bis 1982 Erzbischof, wurde sogar der Falschaussage überführt, an einer Ordinariatskonferenz im Januar 1980, bei der ein des Missbrauchs überführter Priester aus der Diözese Essen in München aufgenommen werden sollte, nicht teilgenommen zu haben.
Dass Benedikt wenige Tage später zurückruderte und sich für ein "Versehen" entschuldigte, nahm dem emeritierten Papst dann keiner mehr ab. Und kaum jemand interessiert, dass bereits in seiner 2020 erschienenen Biografie von dem Treffen die Rede war, wie Stefan Oster, Bischof in Passau, in einem Statement bestätigte.
"#OutInChurch" Kampagne
Am 24. Januar erklärten dann 125 nicht-heterosexuelle Haupt- und Ehrenamtliche aus der katholischen Kirche mit der medialen Kampagne "#OutInChurch", dass sie sich wegen ihrer sexuellen Orientierung in der Kirche diskriminiert fühlen. Eine verblüffend enge zeitliche Koinzidenz von Enthüllungen. Seitdem wird täglich auf die Kirche draufgehauen. Die Wut ist verständlich, auch wenn sie oft so vernichtend vorgetragen wird, dass sie die eigentlichen Anliegen übertüncht und keine Lösungen mehr realisierbar scheinen.
Das alles ist erschütternd, auch für uns Protestanten. Denn trotz aller institutioneller Unterschiede: Das Misstrauen in die Glaubhaftigkeit und die schwindende Bindung an die katholische Kirche schaden auch der evangelischen. Daher ist es auch keine Besserwisserei, wenn man dem Heiligen Stuhl eine dringende Sanierung, eine neue Reformation empfiehlt. Der Missbrauch von Schutzbefohlenen als Ventil für unterdrückte sexuelle Triebe, dazu Machtmissbrauch der gesellschaftlichen Sonderstellung sind seit über 1000 Jahren Ausdruck gelebter Unternehmenskultur der katholischen Kirche.
Straffällige Priester gehören vor ein weltliches Gericht
Jetzt heißt es endlich handeln: Straffällig gewordene Priester gehören vor kein kirchliches, sondern ein weltliches Gericht. Schluss mit der Unterdrückung von Frauen. Für Mitarbeitende der Kirchen müssen dieselben Regeln gelten wie in der übrigen Arbeitswelt, ohne Ansehen von sexueller Ausrichtung.
Für Jesus waren alle Menschen gleich – warum also nicht auch für die Diener seiner Kirche? Ich träume von einer Kirche, in der Sexualität keine Rolle mehr spielt: nicht als Mittel der Unterdrückung, nicht als versteckte Sehnsucht, nicht als Makel vor den Augen von Arbeitgebern und Kollegen.