Ein Viertel der Stellen und damit Menschen, die für die rund 130.000 Protestanten im Nürnberger Dekanat da sind, fallen in wenigen Jahren weg. "Das ist brutal", nimmt Stadtdekan Jürgen Körnlein kein Blatt vor den Mund. Innerhalb der 46 Gemeinden seien schon vor vielen Jahren elf Regionen festgelegt, die jeweils drei oder vier Gemeinden benachbarte umfassen und zwar nicht als eigene Rechtsform behandelt werden, aber als planerischer Bezirk bei der Zuweisung von Aufgaben der Mitarbeitenden. Falle in einer solchen Region nun eine Stelle weg, müsste das übrig gebliebene Personal zusehen, die Aufgaben unter sich zu verteilen. "Es werden im Übrigen nicht nur weniger Pfarrerinnen und Pfarrer, sondern auch weniger Gemeindeglieder. Unterm Strich bleibt das Verhältnis von einem Geistlichen pro 1500 Personen erhalten", erklärt Körnlein.
Hautnah erleben bereits jetzt die gut 1500 Mitglieder der Gemeinde "Lutherkirche", wie im Vorgriff auf die baldige Kürzung schon jetzt Fakten geschaffen werden. Als deren Pfarrer Martin Schewe zum 1. Januar mit seiner ganzen Stelle in Richtung St. Markus in die Nachbarschaft abwanderte, wurde nun auch die Pfarrstelle halbiert. Ein Vorgang, der den Kirchenvorstand umso mehr verärgert, war man doch in den Jahren 2017 und 2018 Teil eines Erprobungsdekanats der bayerischen evangelischen Landeskirche, innerhalb dessen Erkenntnisse zum Umgang mit den damals schon im Raum stehenden Kürzungen in Zusammenarbeit mit der Gemeindeakademie Rummelsberg in mehreren Sitzungen erarbeitet wurden. Bis zum Herbst vergangenen Jahres hatte man sich in der Luthergemeinde auf ein Kürzungsvolumen von höchstens 15 Prozent eingestellt.
"Faustschlag ins Gesicht"
In einem Schreiben, das kurz vor Weihnachten direkt an Heinrich Bedford-Strohm versandt wurde, werden die Unterzeichner deutlich: Die Kürzungsmitteilung sei ein "Faustschlag ins Gesicht", der Arbeit der Ehrenamtlichen werde keinerlei Wertschätzung entgegen gebracht. Das Gremium vermutet sogar, dass in der damals unter Prodekan Christian Kopp, heute Regionalbischof von München und Oberbayern, geleiteten Planungsarbeit "offensichtlich von Anbeginn gemauschelt" wurde und das Kürzungsvorhaben von Anfang an geplant gewesen sei.
Generell wird kritisiert, dass innerhalb der Landeskirche (ELKB) "an der falschen Stelle gespart" werde, wenn man "die aufgeblähte Besetzung in den Broschüren und Beiwerken" betrachte. In Folge der Personalreduzierungen seien die verbliebenen Mitarbeitenden immer weniger in der Lage, ihre Arbeit zu machen, während den Ehrenamtlichen immer mehr zugemutet werde. "In der Landeskirche hat man offensichtlich vergessen, dass die Kirchensteuern von den Gemeindeangehörigen erbracht werden und deren finanzielle Opfer zu ihrer Ortskirchengemeinde gehören", schreiben die Kirchenvorsteher im Hinblick auf "fragwürdige Projekte und Immobilienankäufe", mit denen nach Sonntagsblatt-Nachfrage als Beispiele die "Vesperkirche" beziehungsweise der "Evangelische Campus" in der Bayreuther Straße gemeint sind.
Landesbischof relativiert
In seiner Stellungnahme widerspricht Heinrich Bedford-Strohm allerdings der Darstellung der Luthergemeinde, dass im Gemeindebereich mehr gekürzt werde als in den landesweiten Einrichtungen. Im Übrigen stelle die Kirchenleitung den Dekanatsbezirken frei, wie sie ihre personellen Ressourcen verteilen. Es sei seines Wissens nach "in keiner Weise zu Mauscheleien oder Vorabsprachen" gekommen. Bis Ende 2025 gebe es für Nürnberg zudem Sonderbedarfsstellen, die im Einzelfall auch nach Ablauf dieser Frist noch erhalten werden könnten. "Uns geht es darum, machbare Wege für Personen, genauso wie für Gemeinden und Einrichtungen zu finden", meint der Landesbischof.
Als Britta Müller im April 2020 das Amt der Dekanin im Nürnberger Süden von Christian Kopp übernahm, waren die Weichen in Richtung Landesstellenplanung schon weitgehend gestellt. Mittlerweile muss die Lutherkirchengemeinde auch noch die kleine St. Paul-Gemeinde mit ihren etwa 800 Mitgliedern mitbetreuen. "Die Herausforderungen im Zuge des Landesstellenplans sind für Ehrenamtliche und Hauptamtliche in Nürnberg enorm, umso mehr freut mich, dass sich die Hauptamtlichen und die Kirchenvorstände im Prodekanat auf eine Zusammenarbeit verständigt haben, in der man Kräfte bündeln will und auf die Anforderungen in den Gemeinden gemeinsam achten wird", erklärt sie. Gleichzeitig werde es Aufgabe der Zukunft sein, einzuüben, "etwas zu lassen, Abschied zu nehmen von dem ein oder anderen Gebäude, von Arbeitsbereichen, davon, überall präsent sein zu können und für alle als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen."
Neuer Nürnberger Stadtteil "Lichtenreuth"
"Diese Veränderungen sind schmerzlich und es ist wichtig, auch darüber zu streiten, was die
richtigen Einschnitte sind", meint die Dekanin. Die Anforderungen, die durch den neuen Nürnberger Stadtteil "Lichtenreuth" mit der ebenfalls neuen Technischen Universität und etwa rund 20.000 Zugezogenen und Arbeitenden auf die angrenzenden Gemeinden zukommen, könnten durch die hohe Kürzungsvorgabe leider kaum berücksichtigt werden. Bis Ende 2025 werde es jedoch noch neben einer Pfarrstelle für St. Paul und Luther eine halbe Sonderbedarfsstelle geben, die ein Augenmerk auf die Entwicklung kirchlicher Präsenz im Stadtteil legen könnte.
Trotz allem müssten die Nürnberger Gemeinden, in denen personelle Wechsel anstehen, nun nicht bangen, als nächste von Kürzungen betroffen zu sein, versichert Jürgen Körnlein. "Wir gehen nicht nach dem Mikado-Prinzip vor." Mit Blick auf andere Dekanate auch außerhalb des Kirchenkreises, die nur mit einem Bruchteil der Einsparungen wie Nürnberg zu kämpfen haben, aber ebenso ihren Unmut kundtun meint er: "Bisher haben wir es doch recht gut hinbekommen in Nürnberg und werden das auch weiterhin tun. Weil wir gut zusammenarbeiten und –halten."