Robert Francis Prevost wurde am 8. Mai 2025 am zweiten Tag des Konklaves im vierten Wahlgang wohl von einer großen Mehrheit der Kardinäle gewählt. Als Leo XIV. hat er dieses Amt angetreten, für das an ihn eine Fülle von nahezu übermenschlichen Erwartungen aus der römisch-katholischen Kirche, aus den verschiedenen Konfessionskirchen und aus der politischen Welt herangetragen werden. Trotzdem, auch wenn das jetzt eigentlich noch etwas zu früh ist, kann man sagen, er ist der richtige Mann an der richtigen Stelle zur rechten Zeit.
Papst Leo XIV. bestimmt Einheit der Kirchen inhaltlich, nicht formal
Ökumenisch sieht er sich in der Tradition der Päpste seit Johannes dem XIII., die eine Öffnung (Aggiornamento) der röm.-kath. Kirche für die aktuellen Fragen der Welt und damit eben auch den Dialog und die Gemeinschaft mit den anderen Kirchen wollen. Das kommt schon in seinem Wahlspruch deutlich zum Ausdruck "in illo uno unum – in jenem einen (Christus) eins" (Augustin, Enarrationes in Psalmos 127,3). Wörtlich bezeichnet er es als seine "vorrangige Aufgabe", sich um die "Wiederherstellung der vollen und sichtbaren Gemeinschaft unter all jenen zu bemühen, die denselben Glauben an Gott den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist bekennen" (Ansprache an Vertreter der Ökumene am 19.5.2025). Sehr hoffnungsfroh aus Sicht der Lutheraner ist, dass Leo XIV. die Einheit der Kirchen inhaltlich bestimmt und nicht formal als völlige Übereinstimmung in der Lehre von der Kirche oder gar vom besonderen Amt, bzw. Bischofsamt in ihr.
Die Welt ist aus den Fugen. Polarisierungen, Hass und Krieg, ungerechte Verteilung der Ressourcen, ein tiefer Riss zwischen Nord und Süd und die drohende Zerstörung der Lebensgrundlagen unserer Erde sind nur einige der aktuellen Herausforderungen. Da stimmt der Name, den der neue Papst gewählt hat, hoffnungsvoll. Er knüpft damit vor allem an Leo XIII. an, der am Ende des 19. Jahrhunderts die soziale Frage thematisierte und mit seiner Enzyklika Rerum novarum die Grundlagen für die Soziallehre der röm.-kath. Kirche gelegt hat.
Dass er sich in dieser Traditionslinie sieht, ist schon bei seinen ersten Äußerungen deutlich geworden. Schreiendes Unrecht und weltweite soziale Spannungen spricht er offen an und er positioniert sich bei aktuellen politischen Herausforderungen wie Migration, Weltwirtschaft, soziale Medien oder künstlicher Intelligenz. Mit der Kirche möchte er auf der Seite derer stehen, die an den Rand gedrängt werden, die übersehen oder missachtet werden. Gleiches gilt für seinen Einsatz für den Frieden, zu dem er sich bereits mehrfach deutlich geäußert hat, beispeilsweise bei seinen ersten Worten nach seiner Wahl auf der Loggia des Petersdoms. Beim Eintreten für diese Fragen hat er die lutherischen Kirchen ganz auf seiner Seite. Denn der Glaube an den Gott, der gegen den Tod und alle totbringenden Vorboten das Leben gesetzt hat, trägt Früchte für einen Einsatz zum Miteinander aller Menschen hier und heute, die eine unveräußerliche Würde haben, weil sie von Gott geliebt sind.
Leo XIV.: Weltbürger und Brückenbauer
Leo XIV. bringt als Weltbürger hervorragende Erfahrungen mit, Brücken zu bauen. Aufgewachsen in den USA, lange Jahre Arbeit in Südamerika als Lehrer und Bischof, Generalprior des Augustinerordens in Rom und zuletzt Leiter der Bischofsbehörde im Vatikan hat er Erfahrungen in ganz unterschiedlichen Lebenskontexten. Er kennt den rigorosen Kapitalismus der USA, ist vertraut mit den lateinamerikanischen Herausforderungen von prekärer Armut – auch mit der Befreiungstheolgie – ist bewandert in den weltweiten Bezügen eines Ordens und hat intensive Einblicke in das Innenleben der römisch-katholischen Kirche weltweit durch seine Verantwortung für Bischofsernennungen, aber auch gute Kenntnisse innerhalb des Vatikans als Leiter eines wichtigen Dikasteriums in der römischen Kurie.
Mit drei Staatsbürgerschaften aus Peru, USA und dem Vatikan und vielfältigen versierten Sprachkenntnissen hat er wichtige Voraussetzungen, das was ihm wichtig ist, in die Tat umzusetzen, "Grenzen zu überschreiten, um verschiedenen Menschen und Kulturen zu begegnen" (Ansprache bei der Audienz für das Diplomatische Korps am 16. Mai 2025). Mehrfach seit seiner Einführung hat er bereits betont, Brücken zu bauen. Bei dieser Aufgabe Brücken zwischen ganz unterschiedlichen Menschen, verschiedenen Kulturen, diversen weltweiten Erfahrungen zu bauen und dabei die Gemeinschaft aller Verschiedenen immer wieder zu suchen, ist er in völliger Übereinstimmung mit den Aufgaben des LWB. Die Lutheraner werden ihm bei diesem Dienst deshalb nach Kräften unterstützen und ermutigen. Gerade heute braucht es solche großen Brückenbauer und der Papst selbst trägt ja als Pontifex Maximus diesen Ehrennamen.
Synodalität der katholischen Kirche fördern
Eine große Erwartung an Leo XIV. ist, dass er die Synodalität der römisch-katholischen Kirche weiter fördert. Dies gilt insbesondere für den deutschen Synodalen Weg. Hier sollte er, wie bereits im 2. Vatikanischen Konzil angelegt, die Eigenständigkeiten der regionalen Bischofskonferenzen im Rahmen der Subsidiarität von Entscheidungen stärken. Die Voraussetzungen dafür sind gut, denn er kennt aus seinen Besuchen bei den Franziskanern in Würzburg die besondere deutsche Situation der röm.-kath. Kirche und der Ökumene sehr gut. "Dass Synodalität und Ökumene zudem eng miteinander verbunden sind" (Ansprache an Vertreter der Ökumene am 19.5.2025), ist eine weitere hoffnungsvolle Aussage, die von den ökumenischen Partnern nur voll und ganz unterstützt werden kann.
Schließlich gibt es Erwartungen an den im Kirchenrecht promovierten Theologen. Die in den Dialogen und bei den Begegnungen mit den Lutheranern der letzten Jahre erreichten Vereinbarungen und vertrauensvollen Beziehungen könnten von ihm in konkrete Regeln umgesetzt und in Strukturen seiner Kirche verbindlich verankert werden. Auf diese Rezeption des ökumenisch Erreichten zu Ekklesiologie, Amt und Eucharistie warten die Lutheraner noch. Dazu gehören auch verbindlichere Aussagen zur katholischen Dogmenhermeneutik und zum röm.-kath. Lehramt, das lernfähig, offen und dialogbereit, also eingebunden in eine Diskursgemeinschaft gelebt werden kann. Es geht in genau diese Richtung, denn Leo XIV. hat am 17. Mai 2025 gesagt: echtes Lehramt lässt Kritik zu, hört auf neue Stimmen und scheut sich nicht vor Wandel (Rede vor der Stiftung "Centesimos Annus Pro Pontifice").
Auch die Lutheraner haben also große Erwartungen an den neuen Papst, die aber keine Luftschlösser sind, denn sie lassen sich auf ganz konkrete Aussagen von Leo XIV. in seinen ersten Amtstagen beziehen.
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Nunja, "die Lutheraner" sind…
Nunja, "die Lutheraner" sind hier wohl vor allem Funktionsträger der höheren Ebene? Ich habe überhaupt keine Erwartungen an den Papst. Natürlich ist es erst einmal gut, wenn er ein fähiger Mensch ist, der die Kirche gut leitet, aber sonst sind wir von ihm doch unabhängig und sollten erst einmal den eigenen "Laden" in Ordnung bringen und halten. Verständigung, die es gemischtkonfessionellen oder interreligiösen Familien erleichtert im Glaubensalltag zurecht zu kommen sind anzustreben, dialogischer, wertschätzender Austausch zwischen verschiedenen Glaubenspraktiken und Ansichten kann neue Gedanken bringen. Das alles hängt aber weniger am Papst und eher an der lokalen Ebene. Ob der Papst unsere Pfarrer als den Priestern ebenbürtig ansieht oder nicht, kann uns dagegen völlig gleich sein. Unser Jerusalem steht sicher nicht in Rom sondern eher in Wuppertal.