Noch ist hier eine Baustelle – doch bald soll es nach frischem Holz und Möglichkeiten duften und großflächige Fenster werden Lichtfluten durch den neuen Gemeindesaal strömen lassen. Das neue evangelische Pfarrzentrum in Bad Kissingen heißt "LichtForum" und trägt seinen Namen nicht zufällig. Das Licht ist nicht nur architektonisches Stilmittel, sondern geistliches Programm. "Wir wollten einen Ort schaffen, der offen ist – für Menschen, für Ideen, für Begegnung", sagt Pfarrerin Jacqueline Barraud-Volk, die das Projekt maßgeblich mit begleitet hat. 

Rund 2,5 Millionen Euro hat der Bau gekostet, finanziert durch Mittel der Gemeinde, der bayerischen Landeskirche, Spenden, Immobilienverkäufe von sechs Pfarrhäusern und Fördergelder – unter anderem von der Aktion Mensch. Ein Drittel der Summe trägt die Landeskirche, etwa 300.000 Euro muss die Gemeinde noch aufnehmen. "Wir haben nicht gekleckert, sondern gezielt investiert – in Offenheit, Nachhaltigkeit und Zukunft", sagt Architekt Christian Geldner vom Würzburger Architekturbüro GKT und Partner.

Aus Krise heraus geboren

Begonnen hat alles mit einer Krise – oder besser: mit der nüchternen Erkenntnis, dass vieles nicht mehr tragfähig war. Die Gemeinde besaß mehrere, teils überalterte Gebäude. Die Mitgliederzahlen sanken, die Anforderungen wuchsen. Also stellte sich der Kirchenvorstand vor über zwölf Jahren die Frage: Was brauchen wir wirklich? Und was können wir uns leisten? Die Antwort lautete: Reduktion mit Qualität. Das alte Pfarrhaus in der Berliner Straße wurde verkauft, ebenso weitere Immobilien. Man kehrte zurück zu den Wurzeln – und entschied sich für einen zentralen Neubau an historischem Ort. Baubeginn war im Oktober 2024, die Fertigstellung ist für Ende 2025 geplant. Damit würde das gesamte Projekt in nur 14 Monaten realisiert – trotz Überraschungen wie einem freigelegten Felsen unter dem Fundament, der Spezialgerät erforderte.

Außenansicht der Baustelle mit der katholischen Herz-Jesu-Kirche im Hintergrund.
Außenansicht der Baustelle mit der katholischen Herz-Jesu-Kirche im Hintergrund.

Das LichtForum umfasst rund 900 Quadratmeter Nutzfläche. Im Erdgeschoss entstehen das Pfarrbüro, Besprechungsräume, eine Teeküche und sanitäre Anlagen. Im ersten Stock sind ein Jugendraum sowie weitere Sitzungs- und Gruppenräume vorgesehen. Das Gebäude ist inklusiv gedacht und gebaut – von der Beleuchtung über die sanitären Anlagen bis zur Möblierung. "Die Räume sind flexibel – nicht starr auf Funktion festgelegt", erklärt Architekt Geldner. "Sie passen sich der Gemeinde an, nicht umgekehrt." So können Gruppen- oder Veranstaltungsräume bei Bedarf zusammengelegt oder getrennt werden.

Kernstück des Projekts ist ein hinter dem Gebäude entstandener, flexibel nutzbarer Saal mit Platz für 90 sitzende Personen. Er wird akustisch optimiert für Vorträge, Chorproben, Lesungen oder Gemeindefeste. Hier soll in Kooperation mit der Lebenshilfe ein inklusives Café entstehen, das sogar für Familienfeiern genutzt werden kann. Eine Besonderheit ist das wiederbelebte Lichtsymbol auf dem Dachgiebel – eine stilisierte Sonne, die bereits früher das alte Gebäude zierte. Es steht sinnbildlich für Wärme, Orientierung, Hoffnung.

Energetisch auf dem neuesten Stand

Auch energetisch setzt das Gebäude Maßstäbe: Lehmputz, Holzfenster, Leibungsdämmung, künftige Photovoltaikanlage – das LichtForum ist nicht nur geistlich, sondern auch ökologisch hell aufgestellt. Möglich macht das auch das neue Klimaschutzgesetz der Landeskirche, das fördernde Anreize für nachhaltige Kirchenbauten setzt.

Annette Späth, Vertrauensfrau des Kirchenvorstands, sieht das LichtForum keinesfalls als  exklusives "Kirchenhaus", sondern als ein Ort des Lebens an. "Es ist offen für alle, beispielsweise Seniorenarbeit, Kindergruppen, Konfirmandenfreizeiten, Kulturveranstaltungen, Seelsorgegespräche, Trauungen und Taufen." Auch die Landeskirche nutzt das neue Haus: Das Referat Kirchenmusik will hier regelmäßig tagen. Zudem wird das LichtForum ein neuer Knotenpunkt in der Region zwischen Euerbach und Bad Bocklet – gut erreichbar und multifunktional.

Schon jetzt ist der Belegungsplan voll. Kaum ein Raum, der nicht täglich von Gruppen, Initiativen oder Besuchern genutzt wird. Sogar außerkirchliche Anfragen gibt es bereits – etwa von Trauercafés oder Vereinen, die nach Begegnungsorten suchen. Das LichtForum wurde "sehnsüchtigst erwartet", wie es ein Gemeindemitglied formulierte. Und wird nun mit Leben gefüllt.

das wiederbelebte Lichtsymbol auf dem Dachgiebel – eine stilisierte Sonne
Das wiederbelebte Lichtsymbol auf dem Dachgiebel – eine stilisierte Sonne – ist namensgebend für das neue Haus.

Wie die evangelische Gemeinde in Bad Kissingen entstand

Die Ursprünge der evangelischen Gemeinde sind bescheiden. Bei einer Erhebung im Jahr 1824 lebten in der Stadt exakt vier Protestanten – bei über 9000 Katholiken und 136 jüdischen Bürgern. Doch mit dem Kurwesen wuchs die Stadt – und mit ihr die Gemeinde. Mit der Entstehung des Arkadenbaus 1838/39 kamen jährlich bis zu 4000 Kurgäste, viele aus protestantischen Regionen Norddeutschlands. 1847 entstand dann die heutige Erlöserkirche – finanziert vom bayerischen König Ludwig I, weshalb die Trägerschaft des Gebäudes auch heute noch beim Staat liegt.

Als 1860 das erste Pfarrhaus gebaut, wurde dies mitfinanziert durch die damals weltberühmte schwedische Opernsängerin Jenny Lind, genannt "die schwedische Nachtigall", die oft in Bad Kissingen zur Kur weilte. Heute zählt die evangelische Gemeinde in Bad Kissingen rund 6000 Mitglieder, plus Kurgäste und Touristen, für die wir ein halbe Stelle haben. Bei 1,4 Mio Übernachtungen in 2024, macht sich einiges davon auch in der Gemeindearbeit bemerkbar.