Und? Strahlen Ihre Sterne noch im Fenster oder haben Sie schon angefangen, den Weihnachtsschmuck wieder zu verstauen bis zum nächsten Jahr? Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser, früher war ich fix mit dem Wegräumen der Dekoration nach Neujahr. Mittlerweile lasse ich die Lichter und Sterne gern noch ein bisschen hängen. Sonst holt mich der dunkle Januar zu rasch ein, nach dem hellen Advent und dem lichtergeschmückten Weihnachten. Dazu kommt wohl auch noch, dass ich die Dunkelheit noch mehr als in anderen Jahren spüre, weil die Zeiten so sind, wie sie sind. Düstere Nachrichten am Stück und finstere Aussichten für die Welt. Und dann dauert es ja eben noch ein ganzes Stück, bis der Frühling kommt und wenigstens die Tage wieder spürbar heller werden. Da trösten mich die leuchtenden Sterne im Fenster wie eine schöne Erinnerung, oder eben Vorfreude: Doch, doch, es wird wieder heller.

Um Licht in der Dunkelheit geht es auch in der Fortsetzung der Weihnachtsgeschichte in der Bibel. Die Geschichte von den Weisen, die vom Stern geleitet mit kostbaren Geschenken zum Jesuskind ziehen. Diese Geschichte gehört zum Feiertag heute. Auf katholisch "Heilige Drei Könige", weil man lange eben dachte: Solche Geschenke können sich ja nur Könige leisten… Evangelisch feiern wir heute Epiphanias. Dieselbe Geschichte, nur aus einem anderen Blickwinkel betrachtet: Epiphanias - da geht es um das Aufscheinen Gottes, um das Erscheinen in der Welt. Jesus bleibt eben nicht im Stall versteckt, sondern es wird durch die Weisen nun bekannt, dass der Retter wirklich angekommen ist. Sie tragen das in die Welt.

Doch bevor es in der Geschichte zu diesem Aufleuchten kommt, dürfte sie erst einmal ziemlich dunkel begonnen haben. Also in unserem Januargefühl. Das glitzernde Geschehen der Heiligen Nacht ist vergangen, das Engelsleuchten um den Stall herum ist verloschen. Die himmlischen Heerscharen sind abgeflogen und auch die Hirten mit ihren Fackeln oder Laternen sind weitergezogen. Im Stall hat die heilige Familie die ersten langen Nächte mit dem neugeborenen Gottessohn durchgemacht – ich gehe davon aus, dass auch winzige göttliche Retter erst einmal nicht durchschlafen wie alle Babys. Und so richtig verändert hat sich diese Welt wohl auch eigentlich nicht. Christ, der Retter ist da… Nun ja: Die Mächtigen der Welt sind an der Macht geblieben. Herodes, der König der Juden, hat von Engeln und Hirten am Stall, von Frohlocken und Krippe ja überhaupt nichts mitbekommen. Alles so, wie es der Prophet Jesaja vor Jahrhunderten gedeutet hatte: "Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker."

Doch dann, in dieses Zappenduster der Geschichte bricht auf einmal Licht herein. Da strahlt aber einer!

Die Geschichte vom Strahlen

Wie schön leuchtet der neue Stern am Himmel! Die Geschichte vom Stern über Bethlehem, der in das Dunkel hineinstrahlt und die Weisen zu einem Licht ganz anderer Art bringt, klingt in der Bibel so (Mt 2,1-12, Basisbibel):

Jesus wurde in Betlehem in Judäa geboren. Zu dieser Zeit war Herodes König. Da kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem. Sie fragten: "Wo ist der neugeborene König der Juden? Denn wir haben seinen Stern im Osten gesehen und sind gekommen, um ihn anzubeten." Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm alle in Jerusalem. Er rief zu sich alle führenden Priester und Schriftgelehrten des Volkes. Er fragte sie: "Wo soll der Christus geboren werden?"

Sie antworteten ihm: "In Betlehem in Judäa! Denn im Buch des Propheten steht: 'Du, Betlehem im Land Juda, du bist keineswegs die unbedeutendste unter den Städten in Juda. Denn aus dir wird der Herrscher kommen, der mein Volk Israel wie ein Hirte führen soll.'" Später rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich. Er erkundigte sich bei ihnen genau nach der Zeit, wann der Stern erschienen war. Dann schickte er sie nach Betlehem und sagte: "Geht und sucht überall nach dem Kind! Wenn ihr es findet, gebt mir Bescheid! Dann will auch ich kommen und es anbeten." Nachdem die Sterndeuter den König gehört hatten, machten sie sich auf den Weg. Derselbe Stern, den sie im Osten gesehen hatten, ging vor ihnen her.
Dann blieb er stehen, genau über der Stelle, wo das Kind war. Als sie den Stern sahen, waren sie außer sich vor Freude. Sie gingen in das Haus und sahen das Kind mit Maria, seiner Mutter. Sie warfen sich vor ihm nieder und beteten es an. Dann holten sie ihre Schätze hervor und gaben ihm Geschenke: Gold, Weihrauch und Myrrhe Gott befahl ihnen im Traum: "Geht nicht wieder zu Herodes!" Deshalb kehrten sie auf einem anderen Weg in ihr Land zurück."

Stern, Maria, Weise – alle strahlen

Da strahlt aber einer. Und genau genommen nicht nur einer. Ich höre einiges Strahlen und Leuchten heraus aus der Erzählung. Klar, der Stern strahlt. So sehr, dass Sterndeuter aus dem Osten, also von weit her, aufmerksam werden. Sterne und ihre Konstellationen wurden zu der Zeit sehr genau beobachtet. So manche Machthaber, wie auch König Herodes, haben ihnen zugetraut, Aussagen über die Zukunft zu treffen. Wenn sich also Sterndeuter, heute würden wir sagen: das war die geistige Elite, wenn die sich also aufmachen auf so eine beschwerliche Reise machten, dann sollte das etwas heißen. Eine lange Tour, in früheren Zeiten auch nicht ungefährlich. Und nein, nicht nur eine Sternschnuppe, die sie zu so einem Aufbruch bewegt, sondern etwas viel Aufsehen-Erregenderes. Nach vielen Recherchen und Berechnungen vermutet man heute, dass es sich um eine seltene Annäherung der Planeten Jupiter und Saturn gehandelt haben kann, die sich anders als Sterne ja eben auch am Himmel bewegen. Beim Wort "Stern" ist es trotzdem geblieben in der Geschichte. Was man damals ohne Teleskop wohl noch nicht erkennen konnte. Dass Planeten eben gar nicht wie Sterne selbst leuchten. Dass sie Licht nur dann weitergeben, wenn sie angestrahlt werden. Das ist für unsere Geschichte nicht uninteressant. Aber davon später mehr.  

Nicht nur der Stern von Bethlehem strahlt in der Geschichte. Auch die Sterndeuter, die Weisen aus dem Osten, strahlen um die Wette, als sie sehen, dass sie an ein Ziel gekommen sind. Sie "freuten sich mit großer Freude" steht da ursprünglich eigentlich auf Griechisch. Klingt aber nicht gut, also: Sie waren "außer sich vor Freude" trifft es daher wohl ganz gut. Nach einer langen, beschwerlichen Reise mit unbekanntem Ausgang fühlt es sich einfach wunderbar an: Wir hatten die richtige Eingebung. Wir haben gespürt, da ist etwas Weltbewegendes passiert. Das Ganze war nicht umsonst.

Wen alles auf einmal "einleuchtet" – diese Erfahrung gehört vielleicht ganz intensiv zum Epiphanias-Fest. Es gibt immer wieder Menschen, die davon erzählen, dass sie auf solche besondere Weise "erleuchtet" wurden. Dass Gott ihnen erschienen oder eben etwas Göttliches aufgeleuchtet ist in ihrem Leben und ihnen auf einmal alles ganz klar war. Der Psychologe und Philosoph William James hat so etwas erlebt. In seiner Autobiografie von 1902 erinnert er diesen Moment: "An einem strahlenden Sonntagmorgen gingen meine Frau und meine Söhne zur unitarischen Kirche in Macclesfield. Ich hatte das Gefühl, daß ich sie unmöglich begleiten konnte – als wäre es im Augenblick ein Akt geistigen Selbstmordes, den Sonnenschein auf den Hügeln zu verlassen und dort hinunter in die Kirche zu gehen. (…) Ungefähr eine Stunde wanderte ich die Straße entlang hin zur "Katze und Geige" und kehrte dann um. Auf dem Weg zurück hatte ich, plötzlich und ohne Vorwarnung, das Gefühl, daß ich im Himmel sei – ein Zustand innerer Friedlichkeit und Freude und Gewißheit von unbeschreiblicher Intensität, begleitet von dem Gefühl, in einer warmen Glut von Licht gebadet zu werden (…), ein Gefühl, die Grenzen des Körpers verlassen zu haben, obwohl die Szene, die mich umgab, klare Konturen hatte und mir aufgrund des hellen Lichts, in dessen Mitte ich zu stehen schien, näher zu sein schien als vorher. Diese tiefe Emotion dauerte an, obschon mit abnehmender Stärke, bis ich mein Haus erreichte und einige Zeit danach, nur allmählich schwindend."

Ein kleines, persönliches Epiphanias durfte William James feiern. Gott ist ihm im Leben erschienen und das ganz unerwartet. Und er ist in der Lage, diese Erfahrung mit wacher Selbstbeobachtung wahrzunehmen, aufzuschreiben. Mit Sinn und Verstand. Dieser Tonfall herrscht auch in den biblischen Geschichten. Das berührt mich immer wieder.

Ob die drei klugen und weitgereisten Weisen in Bethlehem ein anderes Ziel ihrer Reise erwartet haben? Schon möglich. Doch die biblische Erzählung gibt uns den Eindruck: Alle Erwartungen werden übertroffen. Schließlich verlassen die Weisen den Stall ja nicht gleich wieder rückwärts. Vielmehr sind sie eher überwältigt von einem besonderen Leuchten, das nicht nur draußen durch den Stern die Nacht, sondern auch den kleinen Raum erhellt. Maria strahlt. Vielleicht ein bisschen müder, aber sicher innerlich. So wie viele frischgebackene Mütter, die nur an ihren nach Paradiesblumen duftenden Neugeborenen schnuppern müssen, um so ein Leuchten in den Augen zu bekommen. Und das Kind? Der kleine Gottessohn? Neugeborene können für gewöhnlich noch nicht lächeln. Und doch geht auch von ihnen ein Glanz, ein Strahlen aus, wie wir es auf vielen Bildern und Altären vom göttlichen Kind sehen.  Die Weisen beten es an, hören wir. In der Bibel eine Beschreibung dafür, dass Menschen spüren: Wir begegnen hier gerade auf eine ganz besondere Weise Gott selbst. Das ist ein Kind, durch das Gott strahlt.

Das Licht der Welt hat das Licht der Welt erblickt. Ich wünschte, jedes Kind würde so begrüßt, bestaunt, angebetet werden. Das wäre ein wunderbarer Start ins Leben.

Das Dunkel

So groß dieses Wunder ist, die Geschichte vom Aufscheinen Gottes in dieser Welt, von dem vielen Licht funktioniert – leider – besonders gut vor dem dunklen Hintergrund, den wir immer mithören. Und dabei meine ich nicht das Dunkel der Nacht. Das wäre wohl das geringste Problem. Das entscheidende Dunkel entsteht durch den Machtmenschen Herodes, der niemanden neben und erst recht niemanden über sich dulden will. Alle, die ihm seinen Thron streitig machen könnten, lässt er auslöschen. Sogar zwei seiner Söhne. Unfassbar. Nicht durch die Nacht, sondern so entstehen wirklich dunkle Zeiten für uns Menschen. Ich fühle, wie die Dunkelheit angekrochen kommt, wenn Menschen gierig sind, Hass verbreiten, versessen sind auf Macht und sie dann missbrauchen gegen andere. Wenn es zu wenig Demut gibt und zugleich zu wenig Größe, andere, vermeintlich Schwächere groß werden zu lassen. Tja, gegen dieses Dunkel sind wir bis heute in der Welt nicht restlos angekommen. Was sehne ich mich im Moment nach einem Lichtstreif am Horizont, dass es auch wieder freundlicher unter uns zugehen kann? So ein Licht wie der Stern am Horizont von Bethlehem: Da geht’s lang, wenn Ihr das Licht am Ende des Tunnels sucht.  

Dunkel wird es manchmal auch nur im eigenen Leben, ohne dass es in den Nachrichten vorkommt und die ganze Welt das Fürchten lehrt. Wenn die Familie zerbricht: Wie eine furchtbar düstere Strecke auf dem Lebensweg. Eine Frau hat mir erzählt, dass sie sich so in einer Depression gefühlt hat: Die lichten, schönen Seiten des Lebens drangen gar nicht mehr zu ihr durch. Alle Erfahrungen, alle Tage waren für sie wie verdunkelt. Und wie sie im Prozess der Heilung gespürt hat: Doch, es wird auch wieder heller.

Nun könnte man aus solchen Beobachtungen auf eine merkwürdige Idee kommen: Müssen wir etwa dankbar sein, die dunklen Zeiten im Leben durchzustehen, damit wir die hellen Momente überhaupt schätzen können? Brauchen wir Krankheiten, um die Gesundheit als Segen zu empfinden? Brauchte es den finsteren König Herodes, damit die Weisen das Licht der Welt in Bethlehem entdecken konnten, damit es richtig strahlen konnte?

Nein, ich habe da viel drüber nachgedacht, aber ich glaube, das wäre ziemlich zynisch. Zynisch allen gegenüber, die gerade sich gerade im Finstern fühlen. "Wirst schon sehen, wofür das finstere Tal im Leben gut ist. Wird schon alles seinen Sinn haben." In solchen ohnehin anstrengenden Momenten mag man das nicht hören. Sinn kann maximal im Nachhinein entstehen, wenn ich ihn selbst darin entdecke. Aber manche Zeiten bleiben im Rückblick auch einfach furchtbar. Da hätte ich das Licht gerne ohne ein Dunkel zuvor genommen. Ich bin außerdem überzeugt: Unsere Welt wäre ohne solche Herodes-Typen schon vorstellbar – sehr gut sogar.

Ich nehme aber auch etwas anderes aus der Geschichte von den Weisen und dem Stern von Bethlehem mit. Nämlich, dass wir immer wieder gegen die Dunkelheiten dieses Lebens mehr Licht in die Welt bringen sollten.  

Im Dunkel unserer Nacht, entzünde ein Feuer, das nie mehr verlischt. So höre ich die Botschaft dieses Feiertags: Jetzt ist es in der Welt, dieses Licht Gottes, in alle Dunkelheiten hinein. Dieses Licht verlischt nie. Und noch mehr: Es strahlt aus. Der Stern, wir erinnern uns: vermutlich eigentlich Planten – und die leuchten nicht selbst! – also der Planten-Stern von Bethlehem gibt als erster das Licht weiter.  Maria - und Josef als Vater – strahlen, weil sie das Licht der Welt in Händen halten. Die Sterndeuter beginnen zu strahlen, als sie dem Kind begegnen. Seine Ausstrahlung leuchtet ihnen einen neuen Weg nach Hause. Der führt nicht mehr zu Herodes mit seinen finsteren Plänen. Sie setzen jetzt auf das Licht und tragen es in die weite Welt. So scheint Gott auf in dieser Welt. Wie die Planeten das Sonnenlicht reflektieren, so geben die Weisen das Licht auf dem Weg zurück und ihrer Heimat weiter.

Ausstrahler werden

Und da kommen wir nun ins Spiel. Dem finsteren Januar können wir die Sterne entgegenhalte. In Zeiten mit so viel düsterer Stimmung und dunkelfinsteren Nachrichten können wir etwas vom Licht der Welt weitererzählen und eben sogar das ausstrahlen, wovon wir erzählen. So hatte es auch Jesaja prophezeit: Ja, er weiß vom Dunkel der Welt, aber der Prophet wusste, dass wir als Menschen von Gott eine Strategie dagegen bekommen.

Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und die Völker werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.

Wir müssen das Licht nur weitergeben, das in Bethlehem zur Welt gekommen ist.

Wie die Planeten, die für einen Stern gehalten wurden. Wie die weisen Sterndeuter. Ausstrahlerinnen und Ausstrahler werden.

Mache dich auf und werde licht… Das alte Prophetenwort habe ich in einem Gospel entdeckt: This little light of mine, I’m gonna let it shine. Dieses kleine Licht von mir, das werde ich leuchten lassen. Wie das geht? Ach, ich wette, Sie haben eine Menge Ideen, wie man etwas von dem Licht weitergeben kann, das uns von Gott entgegenleuchtet. Eine ganz einfache winzige Sache, die ich regelmäßig ausprobiere: Denken Sie an etwas, das Sie freut. Dann lockern Sie den ernsten Blick und lächeln dem nächsten Menschen, dem Sie begegnen, einfach einmal zu. Ob in der Fußgängerzone, auf dem Flur im Seniorenheim oder im Büro. Je nach Tagesform dürfen Sie natürlich auch richtig strahlen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit werden Sie erst etwas erstaunt angeblickt – keine Sorge, das waren die Weisen im Stall ja auch zunächst. Dann fangen meistens zuerst die Augen an zu leuchten und mit großer Wahrscheinlichkeit wird Ihr Lächeln erwidert. Läuft es tiptop, dann gibt dieser Mensch Ihr Strahlen am selben Tag an andere weiter. Wie eine Erinnerung, oder eben wie Vorfreude darauf: Doch, doch, es wird auch wieder heller.  

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