Mit einem Fernsehgottesdienst ist die Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler am 17. November in der Lukaskirche von ihrem Amt entpflichtet worden. In ihrer Abschiedspredigt forderte die Theologin mehr tätige und bescheidene Nächstenliebe: Niemand müsse sein Handeln zu einer Art "Superethik" stilisieren, mit der er anderen "als moralischer Besserwissern auf dem Kopf herumtanzt", sagte Breit-Keßler. Zudem benannte die 65-Jährige noch einmal Herzensanliegen wie den globalen fairen Handel, dem sie sich als Botschafterin des Textilsiegels "Grüner Knopf" verschrieben hat, oder den öffentlichen Widerstand gegen "den elenden Antisemitismus von links und rechts".

Zum Thema Missbrauchsfälle formulierte die Ständige Vertreterin des Landesbischofs einen Auftrag: "Die Bitte um Vergebung, wo homosexuelle Menschen in der Kirche Ausgrenzung und Verachtung erfahren haben – das muss noch kommen." Dazu sei tatkräftige Aufklärungsarbeit nötig, denn nur dann werde diese Bitte auch glaubwürdig.

Mit Blick auf die sinkenden Mitgliederzahlen empfahl Breit-Keßler ihrer Kirche, das Evangelium in den Mittelpunkt zu rücken.

Die christliche Botschaft eines Gottes, der Mensch werde und sich ans Kreuz nageln lasse, sei "paradox in einer Welt der selbstgemachten Helden". Es sei Aufgabe von Kirche und von Christen, nicht auf die eigene Grandiosität zu schauen, sondern "andere in Gottes Namen groß zu machen, sie vorkommen zu lassen, ihnen ein An-Sehen zu geben".

Bevor die Regionalbischöfin ihr Amtskreuz ablegte, würdigte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sie als geschliffene Predigerin, die kreativ und ohne Berührungsängste "mit voller Kraft im Auftrag des Herrn unterwegs gewesen" sei.

Unter den Gottesdienstbesuchern waren Vertreter aus Politik, Kirchen und Gesellschaft, darunter unter anderem Innenminister Joachim Herrmann (CSU), Diakoniepräsident Michael Bammessel, Rabbiner Steven Langnas, Polizeipräsident Hubertus Andrä und Herzog Franz von Bayern. Susanne Breit-Keßler war 18 Jahre lang Regionalbischöfin im Kirchenkreis München und Oberbayern. Sie geht am 30. November in den Ruhestand.

Beim anschließenden Empfang in den Räumen der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) überraschte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit der Ankündigung, den ersten Ethikrat in der Geschichte des Freistaats Bayern einzurichten. Breit-Keßler übernehme den Vorsitz.

Da er die Regionalbischöfin als streitbare Theologin, beeindruckende Predigerin und mutige Verfechterin des eigenen Standpunkts schätze, freue er sich, diesen "Schatz" an Autorität auch über ihre Amtszeit hinaus nutzbar zu machen. "Bitte weiter so - Sie werden dringend gebraucht für unser Land", sagte Söder an die Regionalbischöfin gewandt.

In einer Videobotschaft dankte Charlotte Knobloch der Regionalbischöfin dafür, stets klare Worte zur richtigen Zeit gefunden zu haben. Knobloch betonte, dass sie in ihrer Zeit als IKG-Präsidentin niemanden getroffen habe, "der sich so dauerhaft, nachhaltig und intensiv für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und gegen Hass, Intoleranz und den neuen alten Antisemitismus eingesetzt" habe, wie Breit-Keßler. Die Verbindung zur Jüdischen Gemeinde sei für sie nie nur Amtspflicht, sondern immer Herzensanliegen gewesen.

Susanne Breit-Keßler mit Heinrich Bedford-Strohm Abschiedsgottesdienst Lukaskirche November 2019
Susanne Breit-Keßler mit Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm vor ihrem Abschiedsgottesdienst in der Münchner Lukaskirche.
Breit-Keßler Bedford-Strohm Abschiedsgottesdienst Lukaskirche November 2019 Kreuzrückgabe
Susanne Breit-Keßler gibt dem Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm das Kreuz zurück, das sie als Regionalbischöfin 18 Jahre lang getragen hat.
Breit-Keßler Bedford-Strohm Abschiedsgottesdienst Lukaskirche November 2019
Breit-Keßler Bedford-Strohm Preidel Abschiedsgottesdienst Lukaskirche November 2019
Susanne Breit-Keßler, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel
Breit-Keßler Bedford-Strohm Abschiedsgottesdienst Lukaskirche November 2019 mit Altarraum

Als "Schwester im Glauben" und "wahrhaft benediktinische Frau" bezeichnete Abt Johannes Eckert von der Benediktinerabtei St. Bonifaz die Regionalbischöfin. Sie habe ihre katholischen Brüder wenn nötig wach gerüttelt und darauf hingewiesen, dass es in der Ökumene "nicht um die strikte Einhaltung von Regeln, sondern um die Liebe geht", sagte der Abt.

Als "Klasse für sich" würdigte Annekathrin Preidel, Präsidentin der bayerischen Landessynode, die scheidende Regionalbischöfin. Oberkirchenrat Stefan Reimers, Personalchef der Landeskirche, und die Münchner Stadtdekanin Barbara Kittelberger dankten Breit-Keßler für klare Standpunkt und Wertschätzung, aber auch für nötige Strenge: "Auseinandersetzungen mit ihr waren nie kuschelig, aber immer bereichernd", sagte Reimers.

In ihrer Schlussrede dankte Susanne Breit-Keßler dem Landesbischof, dessen Ständige Vertreterin sie war, für den "unendlichen Freiraum zur Entfaltung" in ihren Ämtern.

Susanne Breit-Keßler repräsentierte 18 Jahre als Regionalbischöfin den Kirchenkreis München-Oberbayern mit 150 evangelischen Gemeinden und rund 500.000 Protestanten. Am 30. November geht sie in Ruhestand. Ihr Nachfolger ist der bisherige Nürnberger Dekan Christian Kopp, der das Amt des Regionalbischofs am 1. Dezember antritt.