"Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Ruhe! So einfach ist das. Bitte die Unterhaltungen am Tisch einstellen. Bier gibt es jetzt auch nicht."

So launig eröffnet Schaustellerseelsorger Johannes Bräuchle den Gottesdienst auf dem Nürnberger Frühlingsvolksfest. Nicht in einer Kirche wird gefeiert, sondern im Festzelt.

Rund 200 Menschen sitzen an langen Tischen, die mit weiß-rot karierten Tischdecken, Rosen und kleinen Blumengestecken geschmückt sind. In der Mitte des Zelts wurde Platz gemacht für den Gospelchor und den Altar, auf dem Holzkreuz, Taufschale und das vorbereitete Abendmahl stehen. Im Hintergrund drehen sich die Hähnchen am Spieß, am Tisch wird bedient.

Vor dem Volksfest: Nur Schausteller 

An diesem Morgen, noch bevor das Volksfest seine Tore für Gäste öffnet, sind nur Schausteller, ihre Familien und Freunde da. Sie feiern Seniorentag, vier Taufen und drei Konfirmationen.

"Schaustellergottesdienste sind für mich immer eine unberechenbare Summe von Anlässen, die zusammenkommen", sagt Pfarrer Bräuchle, der aus Stuttgart angereist ist.

Er kümmert sich in ganz Süddeutschland um die reisende Gemeinde. Das spiegelt sich auch auf seiner violetten Stola wider: Sie ist bestickt mit einem Fahrzeug als Symbol für die Reise, mit einem Riesenrad, einem Marktstand, einem Zirkuszelt und Theatermasken.

Deutschlandweit zählt die evangelische Gemeinde auf der Reise mehr als 20.000 Mitglieder. Zu ihr gehören Artisten, Schausteller, Puppenspieler und reisende Marktkaufleute. Seit mehr als 60 Jahren werden diese von einem eigenen Netzwerk aus Seelsorgenden betreut. Bis auf den Leiter der Seelsorge sind alle ehrenamtlich unterwegs. Pfarrer Bräuchle ist für seine Gemeinde seit zehn Jahren da - seitdem er im Ruhestand ist und gefragt wurde, ob er bei den Schaustellern weitermachen wolle.

Im Sommer die Bodenseetour

Im Frühling und Herbst hat er am meisten zu tun, dann blüht das Leben auf den Volksfesten. Im Sommer seien vor allem die Zirkusse unterwegs. "Im August mache ich immer eine Bodenseetour. Da wissen alle Bescheid, dass ich komme, und legen ihre Hochzeiten und Taufen auf diesen Monat", sagt Bräuchle.

Als er im Nürnberger Festzelt Zoey (9) und ihre kleinen Drillingsgeschwister Malia, Naila und Jamila tauft, herrscht fröhliches Gemurmel. "Für einen feierlichen Gottesdienst ist das Wichtigste, dass ich den Talar und meine Stola trage. Daran erkennen sie, dass sie hier alle zusammengehören", sagt Bräuchle.

Für die Eltern der Kinder ist das Festzelt genau der richtige Ort für die Taufe.

"Das ist unser Zuhause. Wir leben hier, wir alle sind hier aufgewachsen und wohnen während des Volksfestes hier. Wir feiern gern unter uns und sind gerne im Festzelt", sagt Vater Robin Schweizer.

Dass die Kinder getauft werden, stand für ihn und seine Frau Mina außer Frage.

Geistliche halten Kontakt per Social Media

Die Verbundenheit zur Kirche sei eng bei der reisenden Gemeinde, sagt der Leiter der Evangelischen Circus- und Schaustellerseelsorge, Torsten Heinrich: "Es ist in ihrer DNA, dass Gott mitreisen muss." Deshalb sei es wichtig, dass die Menschen ihren Seelsorgenden kennen.

"Ich habe den Eindruck, dass die Verbindung enger ist."

Kontakt halten die Geistlichen mit ihren Gemeindemitgliedern, genauso wie diese untereinander, per Chat und Social Media. Das kompensiert auch die räumliche Distanz, die oft zwischen den Familien und ihrem Pfarrer liegt.

Pauli, Lukas und Tim werden an diesem Tag im Nürnberger Zelt konfirmiert. Statt wöchentlichem Konfirmandenunterricht gab es für sie zwei Intensivtage zur Vorbereitung auf ihren großen Tag. Sie lernten zum Beispiel das Glaubensbekenntnis und was es bedeutet.

"Die beruflich Reisenden tragen ihren Glauben sehr traditionell in sich. Wir können uns eigentlich immer darauf verlassen, dass die Familien voll dahinterstehen und auch dafür sorgen, dass die Jugendlichen schon ein bisschen was dafür getan haben", sagt Heinrich.

Auch die Konfirmation läuft an diesem Tag etwas lockerer ab als in so manch einer Kirche. Die Konfirmanden fragen das Publikum nach den Zehn Geboten. In der Predigt ist die Rede vom Autoscooter. Am Ende des Gottesdienstes gibt Pfarrer Bräuchle der Gemeinde einen Segen für die kommenden Volksfesttage mit auf den Weg - zusammen mit dem Wunsch, "dass sich die Leute ordentlich benehmen".

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden