Die evangelische Kirche in Deutschland diskutiert schon seit vielen Jahren immer wieder über die Zukunft des Beamtenstatus ihrer Pfarrer*innen. Mit einem Interview von Prälat Burkhard zur Nieden aus der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hat die Debatte nun auch außerhalb der Kirche Aufmerksamkeit gefunden.
Und auch wenn zur Nieden eine sehr klare Meinung für mehr Flexibilität und gegen den Beamtenstatus vertritt, spricht er gleichzeitig davon, dass eine enge Absprache mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und den anderen Landeskirchen gesucht werde. Dennoch gehen die Sichtweisen der Landeskirchen bis jetzt teilweise stark auseinander.
Während einige fest an der Verbeamtung ihrer Pfarrer*innen als Ausdruck von Stabilität und Treuepflicht festhalten, setzen andere bereits Reformprozesse in Gang, um flexiblere Anstellungsmodelle zu erproben. Doch wo genau steht die Diskussion heute, und warum ist die Frage nach dem Beamtenstatus so komplex und umstritten?
Hintergrund und aktuelle Diskussion
Nicht abzustreiten ist es, dass die Kirche sich, angesichts der sinkenden Mitgliederzahl und der zunehmend mobilen und weniger hierarchischen Gesellschaft, weiterentwickeln und verändern muss. Außerdem sind angestellte, also nicht verbeamtete, Pfarrer*innen in vielen Landeskirchen längst keine Seltenheit mehr, was zeigt, dass der Pfarrdienst nicht zwingend an den Beamtenstatus gebunden ist.
Dennoch handelt es sich bei der Verbeamtung von Pfarrer*innen um ein ganz besonderes Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es gilt zwischen ihnen eine "besondere Treueverpflichtung", welche nicht nur emotionale, sondern auch rein praktische Bindungen bedeutet.
Die besondere Treueverpflichtung
Der Beamtenstatus garantiert finanzielle Sicherheit und Schutz vor Arbeitsplatzverlust, was von vielen angesichts der hohen psychischen und zeitlichen Belastungen des Pfarrdienstes als notwendig erachtet wird. Oft wird die Frage jedoch aufgeworfen, ob diese Unterscheidung gegenüber anderen kirchlichen Berufen noch gerechtfertigt ist, da viele kirchliche Mitarbeiter*innen ähnliche Aufgaben erfüllen, jedoch keine vergleichbaren Privilegien genießen.
In Bayern allerdings ist dieses Argument hinfällig, da auch alle anderen verkündigenden Berufe, wie Religionspädagog*innen und Diakon*innen verbeamtet werden.
Doch besonders die zeitliche Dimension ist ein wichtiges Argument bei dieser Debatte. Zur besonderen Treueverpflichtung gehört nämlich auch die 6-Tage-Woche der Pfarrer*innen und das Fehlen klar geregelter Arbeitszeiten. Die Pfarrperson soll für seelsorgerische Notfälle zu jeder Zeit erreichbar sein und dies wäre arbeitsrechtlich von angestellten Pfarrern nicht möglich zu verlangen.
Auch wären das Streikrecht und das Bilden einer Gewerkschaft als Angestellte*r möglich, was den Beruf weiterentwickeln könnte, gleichzeitig wären Pfarrer*innen einfacher kündbar.
Für den Arbeitgeber ist der Beamtenstatus außerdem von Vorteil, da Beamt*innen in manchen Dingen flexibler sein müssen. Der Arbeitgeber ist weisungsbefugt, so kann er den Dienstort des Beamten bestimmen und die Dienstwohnungspflicht im Gemeindegebiet durchsetzen.
Verpflichtungen, die auf potenziellen Pfarr-Nachwuchs abschreckend wirken können.
Ein Anreiz für den Nachwuchs?
Ein häufig genanntes Argument in dieser Debatte ist die Frage nach dem Nachwuchs: Welches Modell – Beamtenstatus oder Angestelltenverhältnis – könnte junge Menschen eher für den Pfarrberuf begeistern und langfristig binden? Sicherheit oder Flexibilität?
Auf der einen Seite ein garantierter Arbeitsplatz und eine gute Pension, auf der anderen Seite zum Beispiel keine Chance auf politisches Engagement. Pfarrer*innen im Beamtenstatus dürfen zwar eine Parteimitgliedschaft still ausüben, jedoch keine aktive Rolle übernehmen, ohne sich unmittelbar beurlauben zu lassen. Der Nachwuchs selbst findet bei der Debatte wie es scheint auch keinen Konsens, was durch die vielen Diskussionen auf evangelisch.de zu sehen ist.
Die Herausforderungen der Finanzierung
Das Argument der Finanzierung ist wohl das meist verwendete für die Abschaffung des Beamtenstatus. Die steigenden Kosten für Pensionen von Kirchenbeamten stellen eine große Herausforderung dar und viele Landeskirchen stehen vor der Frage, wie sie langfristig finanzielle Verantwortung übernehmen können, ohne andere kirchliche Aufgaben zu gefährden, insbesondere bei den abnehmenden Kirchensteuereinnahmen. Ein angestelltes Dienstverhältnis könnte flexiblere Anstellungsmodelle ermöglichen und die finanzielle Nachhaltigkeit fördern.
Es gibt jedoch mittlerweile Berechnungen, dass eine privatrechtliche Anstellung und gesetzliche Versicherung die Finanzlast der Landeskirchen gar nicht mindern würde. Vor allem die Übergangszeit, vergleichbar mit dem Generationenvertrag der Renten- und Sozialversicherungen, wäre finanziell eine erhebliche Belastung. Neuen Pfarrer würden nicht mehr verbeamtet werden, die alten Pfarrer jedoch weiterhin noch Pension beziehen. Allerdings gibt es auch hier Unterschiede zwischen den Landeskirchen.
Besonderheit Bayern
In Bayern ist die Finanzierung der Pensionen nämlich beispielsweise anders als in anderen Landeskirchen. Statt direkt aus den laufenden Kirchensteuereinnahmen zu zahlen, nutzt sie ein kapitalgedecktes System.
Hierbei werden Pensionsrücklagen frühzeitig angespart und angelegt, um langfristige Zahlungen sicherzustellen. Für alle Pfarrpersonen wird solidarisch in die staatliche Rentenversicherung eingezahlt und die Rente wird später mit diesem angesparten Aufschlag der Landeskirche als Pension an die Pfarrer*innen ausbezahlt.
Dies reduziert den Druck auf die Landeskirchen und damit indirekt auf die Gemeinden und beeinflusst somit auf die Verbeamtungsdebatte in Bayern, in der sich die Landeskirche eher zurückhaltend zeigt. Die Kirche setzt auf Stabilität und hält am bewährten Modell fest, auch um die besondere Stellung des Pfarrdienstes zu wahren, auch wenn es die Diskussion und die Stimmen gegen den Beamtenstatus auch hier gibt. Und wie sieht es in den anderen Landeskirchen aus?
Die Entwicklungen in den Landeskirchen
Bisher gibt es keine Landeskirche, die den Beamtenstatus für Pfarrer*innen vollständig abgeschafft hat. Es gibt noch viele Landeskirchen, wie zum Beispiel die württembergische, die am Beamtenstatus festhalten. Auch hat sich der pragmatische Ansatz ausgebreitet, dass beides angeboten wird.
Angestelltenverhältnisse vermehrt, vor allem bei Teilzeitstellen und speziellen Gemeindeprojekten und das Beamtenverhältnis beim klassischen Pfarrdienst. Diesen Ansatz verfolgt beispielsweise Westfalen.
Die Landeskirchen, welche die Abschaffung des Beamtenstatus am meisten vorantreiben, sind die Evangelische Kirche im Rheinland, Evangelische Kirche in Hessen und Nassau. Ein Schritt in diese Richtung tat die Landeskirche Hessen Nassau dieses Jahr mit der Neuregelung des Pfarrstellengesetzes, welches zum Beispiel die Senkung des Höchstalters für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf 35 Jahre beinhaltet, um finanzielle Belastungen zu minimieren.
Die Landeskirche im Rheinland hat dagegen versucht, die finanzielle Belastung auf die Gemeinden zu minimieren, indem sie den Anteil der Kirchensteuer, der in die Pensionsrücklagen fließt, senkt (z. B. von ursprünglich 25 % auf 18 %). Außerdem werden alternative Anstellungsverhältnisse grundlegend geprüft.
Die Zukunft
Im Moment scheinen wohl die Mischmodelle, in denen Pfarrer*innen sowohl als Beamt*innen als auch als Angestellte tätig sind, zukunftweisend zu sein. Auch wenn die Diskussionen noch lange nicht beendet und die Herausforderungen noch lange nicht gelöst sind, wird sich mit der Zeit wohl zeigen, an welchen Stellen des Systems gedreht werden muss, um das bestmögliche Arbeitsverhältnis für Pfarrer und ihren Landeskirchen zu schaffen, ob in der Verbeamtung, oder nicht.
Kommentare
Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.
Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.
Anmelden
Nach meinem Wissensstand ist…
Nach meinem Wissensstand ist die ELKB die einzige Landeskirche, die seit 1974 (?) Pfarrer in der "Rentenversicherung Bund" versichert. Das sollte noch mehr betont werden, denn dadurch wird nicht nur die Solidarität mit allen anderen Arbeitnehmern gewährleistet, sondern auch die Pensionsaufwendungen reduziert.
Übrigens zum Thema "Pensionen", das durch Neiddebatten belastet ist (auch innerkirchlich!): Auch in vielen Angestelltenberufen gibt es Zusatzversicherungen, die die Renten aufbessern.
Eine Pfarrperson hat heute…
Eine Pfarrperson hat heute auch geregelte Arbeitszeiten und in der Woche einen freien Tag und ist nicht ununterbrochen für die Gemeinde da.Auch benötigen die allermeisten keinen Pfarrer mehr.Beerdigungen,Hochzeiten finden schon ohne Pfarrer statt.
Und wo waren die Pfarrpersonen während Corona?Da sah ich auch keinen Seelsorger.
Ein Gespraech zu zweit war immer moeglich.
Und die Sonntags Predigt interessiert auch nicht viele.
Vielleicht sollten Sie sich…
Vielleicht sollten Sie sich vor aller pauschalen Kritik einmal informieren. Es gibt sehr viele Pfarrpersonen, die ohne regelmäßigen freien Tag arbeiten, die 24/7 erreichbar sind und die das Gespräch suchen. Was heißtdas: "während Corona" da sein??
Dann können wir gerne darüber sprechen, dass es auch unter Pfarrpersonen faule und bequeme und sich auf dem vermeintlichen Akademikerstatus ausruhende Leute gibt - vielmehr aber die Engagierten, Fleißigen, Un-Überheblichen, etc. etc.
Der Beamtenstatus sollte aus…
Der Beamtenstatus sollte aus meiner Sicht echten hoheitlichen Aufgaben vorbehalten sein. Pfarrpersonen üben solche Aufgaben nicht aus, das Personal an Schulen übrigens auch nicht. Wenn seelsorgerische Notfalltätigkeit als Argument für den Beamtenstatus herhalten darf, dann müssten auch andere Beschäftigte mit Notfalltätigkeiten verbeamtet werden, z.B. Notärzte, Notfallsanitäter, Feuerwehr etc. Als Pfarrperson dient man seiner Gemeinde. Man weiß vorher, dass das kein 9 to 5 Beruf ist.
Ja weiß man. Man ist…
Ja weiß man. Man ist allerdings beruflich auch ziemlich gebunden und Lehrerstreiks sind Recht unwillkommen genauso wie das Alleinsein im Sterbebett, weil der Pfarrer gerade im Arbeitskampf ist. Eine Pflichtnotwendigkeit zur Verbeamtung gibt es nicht, aber man muss dann auch die Konsequenzen akzeptieren. Der Pfarrberuf wird durch eine unsichere Jobsituation nicht gerade interessanter.