Dracula wird erst in 2021 bissig, Schillers "Räuber" dann auch ihre Kreise ziehen und auf Shakespeares "Ende gut, alles gut" muss auch noch warten – doch kein Problem für Intendant Johannes Kaetzler und sein Ensemble, die sich vom Virus nicht klein kriegen ließen und im Frühjahr einen Sonderspielplan präsentierten, mit dem die Show weiter gehen kann.

Wenngleich auch personell und in Sachen Besucherzahlen abgespeckt, aber ohne Abstriche bei der Qualität, wie beispielsweise die an Giovanni di Boccaccios Novellensammlung "Decamerone" angelegten "Passionen" oder auch die bislang sehr erfolgreichen und mit Folgeterminen belegten Veranstaltungen für Kinder beweisen.

Kreuzgang-Ensemble in der glücklichen Minderheit

Und auch ohne Abstriche für das Ensemble der Kreuzgangspiele. Wie Kaetzler erklärte, gehöre man glücklicherweise zu den nur drei Prozent der bundesweiten Künstler- und Veranstaltungsbranche, die derzeit überhaupt spielen können. "Die restlichen 97 Prozent sitzen zuhause", verdeutlichte der Intendant die prekäre Situation seiner Zunft in Corona-Zeiten.

In diesen wird das Nixel-Areal mit seiner 200 Jahre alten Scheune, wo erstmals 2009 gespielt wurde, zum heimlichen Star. Nicht einfach ein Nebenschauplatz, sondern eine zweite "echte" Spielstätte für das Kreuzgangtheater mit multiplen Möglichkeiten, für das die Kommune viel Geld in die Hand genommen hat.

So war die Stadtmauer-Sanierung sowie die Neugestaltung des Gartens mit Fußweg zwischen Rothenburger und Ringstraße in den vergangenen drei Jahren mit rund 2,4 Millionen Euro zu Buche geschlagen, die dank verschiedener Fördertöpfe für die Stadt Feuchtwangen mit zirka 700.000 Euro aus Eigenmitteln finanziert wurden.

Noch ein Vorteil: Bei günstigem Wetter wird im Freien gespielt, bei Regen kann in die zum Theater-Raum umgestaltete Nixel-Scheune umgezogen werden. Herausgekommen ist ein Ort, der sich nicht nur zur Inszenierung kleinerer Stücke eignet, sondern auch als Spielwiese und Bewährungsprobe für  Nachwuchsregisseure und anderer Projekte, die auf größerer Kreuzgang-Bühne vielleicht nicht die Wirkung entfalten oder die Massen anziehen, dafür aber neue Publikumskreise anspricht.

Intensive Darstellung

Ein solches Stück ist sicherlich Joop Admiraals "Du bist meine Mutter", das unter der Regie von Bernd Sass und mit Kreuzgangspiel-Ensemblemitglied Achim Conrad als Akteur den Reigen der Darbietungen vor der Nixel-Scheune eröffnete.

Conrad spielt einen Sohn, der seine nach einem Sturz und nach dem Verlust des Ehemanns immer gebrechlicher werdende Mutter im Altenheim besucht. Und die Mutter selbst, die in dem sehr persönlichen Stück des experimentierfreudigen niederländischen Theatermachers ihr Leben reflektiert, schrullig wird, Schwächen ebenso wie Verzweiflung und Kampfgeist zeigt.

Letztlich erkennt die Mutter ihren eigenen Sohn nicht mehr. Kein Happy-End, weder für sie, noch für den Sohn.

Auch nicht für den Zuschauer. Wer schon einmal einen engen Angehörigen in den letzten Jahren begleitet hat, konnte das Geschehen hautnah nachfühlen. Achim Conrad wechselte bei seinem Spiel mit viel Einfühlsamkeit geradezu spielerisch zwischen den Charakteren und ließ dabei vergessen, dass er alleine auf der Bühne stand. Eine eindrucksvolle Leistung zu einem Thema, mit dem der Mensch früher oder später konfrontiert sein wird – ob am eigenen Leibe oder im Angesicht des nahen Verwandten.

"Du bist meine Mutter" wird noch einmal am 7. und 8. August im Nixel-Garten gespielt. Außerdem werden noch weitere Schauspiele sowie Lesungen gegeben. Das gesamte Programm des Sonderspielplans finden Sie hier.

Nixel-Garten
Der Nixel-Garten in Feuchtwangen erweist sich im Programm des Sonderspielplans der Kreuzgangspiele als weiteres Highlight.