Am 12. Mai 2021 wäre Joseph Beuys 100 Jahre alt geworden. Für Museen, Galerien und Bildungseinrichtungen haben den Termin zum Anlass genommen für Events, Aktionen und Ausstellungen. Wir stellen die wichtigsten Termine und Events vor.

 

 

Essen: Ausstellung Stiftung Zollverein und Ruhr Museum

Anlässlich des 100. Geburtstags von Joseph Beuys zeigen die Stiftung Zollverein und als Kooperationspartner das Ruhr Museum bis 26. September 2021 die Schau "Die Unsichtbare Skulptur. Der Erweiterte Kunstbegriff nach Joseph Beuys" in der zur Kunst- und Ausstellungshalle umgebauten Halle 8 des UNESCO-Welterbes.

Die Schau in Essen nimmt einen kulturhistorischen Standpunkt ein und schlägt eine Brücke in die Gegenwart: Die dreigliedrige Ausstellung beleuchtet die für Beuys‘ Werk zentralen Themen Demokratie, Ökologie und Kreativität und nimmt sein Konzept der "Unsichtbaren Skulptur" in den Blick. Der Ausnahmekünstler rückte bewusst Ideen und kreative Prozesse in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Die schöpferische Kraft der Kunst sollte neu entfaltet werden, um eine freie, nachhaltige und lebenswerte Gesellschaft als "Soziale Skulptur" aufzubauen.

Lüneburg: Kunsthalle zeigt Joseph Beuys Plakate

Zum 100. Geburtstag von Joseph Beuys (1921 – 1986) zeigt die Kunsthalle der Sparkassenstiftung Lüneburg bis 1. August 2021  Plakate und Multiples des Künstlers aus dem eigenen Kunstarchiv sowie ergänzende Leihgaben aus Privatsammlungen, außerdem Werkfotos und Porträtaufnahmen. Ein Fokus der Ausstellung liegt auf dem Projekt "7000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung", das Beuys 1982 zur documenta 7 beisteuerte und das durch den gegenwärtigen Nachhaltigkeitsdiskurs neue Aktualität gewinnt. 

Duisburg: Lehmbruck und Beuys

In Duisburg ist die Ausstellung Lehmbruck – Beuys: Alles ist Skulptur zu sehen. Sie will den Anstoß Lehmbrucks, Beuys’ Entwicklung der "sozialen Plastik" und "diesem in die Zukunft gerichteten Impuls" bis in die Gegenwart verfolgen (26. Juni bis 17. Oktober 2021).

Bundeskunsthalle Bonn

Die Bundes­kunsthalle in Bonn kooperiert mit dem Duisburger Lehmbruck Museum. In parallelen Ausstellungen nehmen sie die Bedeutung Lehmbrucks als Impulsgeber für Beuys in den Blick. Die Bonner Schau präsentiert Schlüsselwerke der beiden Bildhauer und fragt: "Welches revolutionäre Potenzial birgt die Kunst in ihrem jeweiligen zeitlichen Kontext?". Die Ausstellung mit dem Titel Beuys – Lehmbruck: Denken ist Plastik ist von 25. Juni – 1. November 2021 zu sehen.

Mönchengladbach: Museum Abteiberg

Das Museum Abteiberg in Mönchengladbach zeigt eine Archiv­ausstellung von Materialien aus eigenen Beständen und kombiniert diese mit einer Schau von Ghislaine Leung: Institutionskritik – Das Museum als Ort der permanenten Konferenz. Die Schau ist von 3. Juni – 24. Oktober 2021 zu sehen.

Morsbroich: Museum Morsbroich

Das Museum Morsbroich widmet sich der Kölner "Straßenaktion" (1971) von Joseph Beuys. Die Ausstellung hinterfragt das Demokratie­verständnis unter dem Titel: Der Katalysator – Joseph Beuys und Demokratie heute (2. Mai – 29. August 2021).

Düsseldorf: Universität UB

Die Unibibliothek der Düsseldorfer Universität zeigt ebenfalls eine Ausstellung. Sie beschäftigt sich mit Beuys’ Boxkampf für die direkte Demokratie auf der documenta 5 (1972). Das Motto: Wer nicht denken will, fliegt [sich selbst] raus – Joseph Beuys und die Gestaltung der Zukunft (28. Oktober 2021 – 20. Januar 2022).

Bergisch Gladbach: Kunstmuseum Villa Zanders

Das Kunstmuseum Villa Zanders hat eine Ausstellung geschaffen mit dem Titel: Leere Kisten als plastisches Thema bei Joseph Beuys (23. April bis 30. Mai 2021). "Intuition" (1968) ist das bekannteste Multiple von Joseph Beuys. Es handelt sich um eine unscheinbare kleine Kiste aus Fichtenholz. Mit einer Auflage von rund 12.000 Exemplaren stellt sie das bei weitem am häufigsten produzierte Auflagenobjekt des Künstlers dar. Im Werkverzeichnis der insgesamt 557 Multiples trägt es die Nummer 7. 

Und nun steht diese "Intuitions-Kiste" im Zentrum einer Ausstellung "Leere Kisten als plastisches Thema bei Joseph Beuys". Diese in ihrem Umfang vermutlich kleinste Ausstellung zum 100. Geburtstag des Künstlers zeigt unterschiedliche Ausführungen des Multiples, Entwürfe, Variationen durch Beuys selbst sowie Veränderungen, die von anderen Künstlern (Alfonso Hüppi, Mauricio Kagel) daran vorgenommen wurden. Einige dieser Exemplare können erstmalig vorgestellt werden.

Ulm: Museum Ulm

Das Museum Ulm und die Kunsthalle Vogel­mann Heil­bronn haben eine Kooperation gestartet. Ihre Ausstellung will die "besondere und spezielle Verbindung von Joseph Beuys zum deutschen Südwesten" zeigen: Ein Woodstock der Ideen – Joseph Beuys, Achberg und der deutsche Süden (23. Januar 2021 — 4. Juli 2021).

Stuttgart: Staatsgalerie Stuttgart

Die Staatsgalerie in Stuttgart startet eine Schau, die sich mit den Präsentations­weisen der Arbeiten auseinandersetzt: Joseph Beuys – Der Raumkurator ein (26. März 2021 – 18. Juli 2021).

Ausgangspunkt ist unser Beuys-Raum, den der Künstler im Jahr 1984 selbst einrichtete und der bis heute unverändert ist. Der Raum ist ein wichtiger Zeitzeuge, wenn es um das Verständnis von Joseph Beuys zur Institution Museum sowie zu seinem großen Selbstverständnis als Kurator seiner eigenen Werke geht.

Welchen Einfluss haben Ort und Raum für die Arbeiten von Beuys und wie agiert er selbst als Kurator? Die Ausstellung zeichnet Beuys sensibles Arbeiten zwischen Werk, Betrachter und Museumsraum auch anhand von Fotografien, Filmaufnahmen und Objekten nach. Mit dabei ein umfassendes Konvolut an Fotografien von Lothar Wolleh, der Beuys über Jahre begleitete.

Berlin: Hamburger Bahnhof und Staatliche Museen

Auch Berlin wartet mit verschiedenen Ausstellungen auf.  Im Hamburger Bahnhof zeigen die Staatlichen Museen zu Berlin eine Austellung, die die Rolle der Sprache im Werk von Beuys in den Mittel­punkt stellen will: Von der Sprache aus – Joseph Beuys zum 100. Geburtstag (24. April 2021 bis 8. August 2021).

1985 trug Joseph Beuys an den Münchner Kammerspielen zu der Reihe "Reden über das eigene Land: Deutschland" bei. In seiner Rede hielt er fest, dass er seine Werke "von der Sprache aus" entwickle. Bildnerischen Gestaltungsmitteln ebenbürtig, verstand er die Sprache als plastisches Material, durch das jede Einzelne und jeder Einzelne körperlich, intellektuell und kommunikativ an der Neuordnung der Gesellschaft teilhaben könne. So reicht seine Auseinandersetzung mit Sprache vom Schweigen bis zur stundenlangen Diskussion, von animalisch klingenden Lauten bis zu präzisen Begriffserörterungen und verrätselten Schriften.

Darmstadt: Hessische Landesmuseum

Das Hessische Landes­museum in Darmstadt präsentiert die Schau mit dem Titel: Joseph Beuys – Ulysses (13. Mai 2021 – 01. August 2021). Gezeigt werden Zeichnungen des Projekts "Joseph Beuys verlängert im Auftrag von James Joyce den Ulysses um sechs weitere Kapitel" (1958/61).

Wenn ein Jahrhundert-Roman von einem Ausnahmekünstler fortgesetzt wird, lässt das aufhorchen. "Joseph Beuys verlängert im Auftrag von James Joyce den Ulysses um sechs weitere Kapitel" ist der Titel einer Arbeit, die Joseph Beuys wahrscheinlich in den Jahren 1957 bis 1961 geschaffen hat. Sie umfasst sechs Hefte im DIN A5-Format mit 750 Seiten und 355 Zeichnungen in Bleistift und teilweise in Wasserfarben. Noch zu Lebzeiten hatte der Künstler zu Präsentationszwecken die Hefte 1 und 2 aufbinden lassen, während die Hefte 3, 4, 5 und 6 bis heute im Originalzustand verblieben sind. Seit 1996 gehören die sechs Hefte zum Bestand der Graphischen Sammlung am Hessischen Landesmuseum Darmstadt.

Joseph Beuys und die Kirche

Biografie: Leben und Werk von Joseph Beuys

Leben und Werk von Joseph Beuys

Ein dunkler Novemberabend in der Düsseldorfer Altstadt: Vor dem Schaufenster der Galerie Schmela recken Leute die Hälse, um einen Blick in den hell erleuchteten Innenraum zu erhaschen. Dort spricht Joseph Beuys (1921-1986) liebevoll mit einem toten Hasen in seinem Arm. Er scheint dem Tier in aller Ruhe die Kunstwerke zu erklären, während die zur Ausstellungseröffnung geladenen Besucher über eine Stunde vor der Tür warten müssen.

Beuys' erste Galerie-Ausstellung am 26. November 1965 wirkt bis heute nach. Mit seiner Aktion "Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt" demonstriert der Aktionskünstler und Bildhauer seinen erweiterten Kunstbegriff. Seine Kunst soll Denkanstoß sein und in die Gesellschaft wirken, nicht elitäre Werke auf einem Sockel präsentieren.

Ob tote Hasen, Fettecken und Filz, kahle Nadelbaumstämme oder bekritzelte Schiefertafeln: Beuys' Werke stoßen bei vielen Betrachtern nach wie vor auf Unverständnis. "Ist das Kunst, oder kann das weg?", fragt so mancher Museumsbesucher, wenn er vor Beuys‘ alten Badewannen oder Fettblöcken steht.

Joseph Beuys: Markenzeichen Filzhut und Angelweste

Zugleich gilt der Mann mit Filzhut und Anglerweste als einer der wichtigsten Künstler der Nachkriegszeit. Mit seinem erweiterten Kunstbegriff prägte er nachfolgende Generationen. "Jeder Mensch ist ein Künstler", lautet sein meist zitierter, aber vielfach missverstandener Satz. Denn - so stellte er selbst klar - damit sei nicht gemeint, dass alle Menschen etwa Maler, Musiker oder Schriftsteller werden sollten. Vielmehr könne jeder auf ganz eigene Art und Weise kreativ sein und daran mitwirken, die Welt zu einem Kunstwerk zu machen.

Vor 100 Jahren, am 12. Mai 1921, wurde Joseph Beuys in Krefeld geboren. In Kleve, wo er aufwuchs, war er Mitglied der Hitler-Jugend. 1941 meldete er sich freiwillig zur Luftwaffe und wurde Bordfunker. Aus seinem Absturz über der Krim 1944 machte Beuys später eine Legende, die erst Jahre nach seinem Tod endgültig widerlegt wurde. Der Künstler behauptete, er sei von nomadisierenden Tartaren geborgen worden. Sie hätten ihn in Filz gewickelt und seine Wunden mit Fett gesund gepflegt. Die Geschichte diente lange als Erklärung für Beuys' Vorliebe für Fett und Filz.

Nach dem Krieg studierte er ab 1946 Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf. 1961 wurde er dort selbst Professor für monumentale Bildhauerei. Zu seinen Studenten zählen viele bekannte Künstler wie Jörg Immendorff, Katharina Sieverding oder Blinky Palermo. Sein erweiterter Kunstbegriff hatte auch für seine Lehrtätigkeit Folgen. Er wollte allen Interessierten die Möglichkeit geben, Kunst zu studieren und weigerte sich, Bewerber abzulehnen. Nach längeren Querelen entließ der damalige nordrhein-westfälische Wissenschaftsminister Johannes Rau (SPD) ihn deshalb 1972.

Der Rauswurf löste Studentenproteste aus. Beuys antwortete mit einer Kunstaktion, indem er im Oktober 1973 öffentlichkeitswirksam mit einem von seinem Schüler Anatol Herzfeld gebauten Einbaum-Floß den Rhein in Richtung Kunstakademie überquerte.

Beuys' Künstlerkarriere schadete der Rausschmiss nicht. 1974 erregte er in den USA durch die spektakuläre Aktion "I like America and America likes me" Aufsehen. In Filz gehüllt und als Hirte verkleidet verbrachte Beuys drei Tage alleine mit einem Kojoten im Raum einer New Yorker Galerie. Der Kojote gilt bei den nordamerikanischen Ureinwohnern als heiliges Tier, wurde aber von den europäischen Einwanderern gejagt. Beuys verwies ähnlich wie bei seiner Düsseldorfer Aktion in der Galerie Schmela auf die Verbindung zwischen Mensch und Tier. Als "Schamane" wird er oft bezeichnet.

Joseph Beuys und die Natur

Mit seinem Einsatz für einen bewussteren Umgang mit der Natur habe sich Beuys schon zu einer Zeit für den Umweltschutz eingesetzt, als dieser Begriff noch gar nicht geboren gewesen sei, erklärt Barbara Strieder. Sie ist kommissarische Künstlerische Direktorin des Museums Schloss Moyland in Bedburg-Hau, das über die weltweit größte Beuys-Sammlung verfügt.

1982 startet Beuys auf der documenta 7 mit seiner Aktion "Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung" die Pflanzung von 7.000 Eichen in Kassel - ein Beispiel für die von ihm entwickelte Idee der "Sozialen Plastik". "Beuys hatte die Idee, dass sich der Mensch durch die Kunst bessere Verhältnisse schaffen könnte", sagt Eugen Blume, Künstlerischer Leiter des Projektbüros Beuys 2021. Er habe sich bereits in den 70er Jahren mit heute aktuellen Fragen wie Klimawandel und Naturzerstörung beschäftigt. Als Mitgründer der Partei "Die Grünen" engagierte er sich auch politisch für den Umweltschutz.

Beuys starb am 23. Januar 1986 in seinem Düsseldorfer Atelier nach einer Entzündung des Lungengewebes an Herzversagen. Er wurde 64 Jahre alt. Sein 100. Geburtstag wird bundesweit mit mehreren Dutzend Ausstellungen sowie zahlreichen Veranstaltungen gefeiert, die meisten davon in Nordrhein-Westfalen.

"Die Kunst ist das Bild des Menschen selbst. Das heißt, indem der Mensch mit der Kunst konfrontiert ist, ist er im Grunde mit sich selbst konfrontiert. Er öffnet sich dann selbst die Augen. Also ist angesprochen der kreative Mensch, seine Kreativität, seine Freiheit, seine Autonomie. Und das ist nur noch möglich aus dem Kunstbegriff, allerdings muß man ihn dann erweitern. Man kann und darf ihn nicht so traditionell halten und sagen: Das machen die Künstler, und das machen die Ingenieure. Das kann man aber durchbrechen. Und einen Ausweg gibt es allein durch einen erweiterten Kunstbegriff, der anthropologisch ist, der wirklich ernst nimmt, dass jeder Mensch ein Künstler ist, dass in jedem Menschen ein kreativer Kern ist.“

Joseph Beuys
Zu Beuys‘ 100. Geburtstag rückt der Hamburger Bahnhof die Sprache in den Mittelpunkt einer Ausstellung, die Skulpturen, Zeichnungen, Installationen, Filme, Plakate und Dokumente – darunter der Zyklus „The secret block for a secret person in Ireland“ und die Installation „Das Kapital Raum 1970–1977“