Ein verlassenes Kloster in Passau wurde zum "Bergfried Kultur", eine alte Markthalle zur "Kunsthalle Neuburg", eine ehemalige Kaserne zum Kulturzentrum: So sieht es aus, wenn Kultur und Wirtschaft, Kommunen und Verwaltungen zusammenarbeiten.
Diese drei Einrichtungen erhielten am Mittwoch in München den Staatspreis für bayerische Kreativorte 2024. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger lobte in seiner Rede die Kreativorte als Beispiel dafür, wie die Kultur- und Kreativwirtschaft Bayerns wirtschaftliche Dynamik fördert. Diese Orte stärken die regionale Wirtschaft und positionieren Bayern als attraktiven Standort.
Die Kreativwirtschaft in Bayern: Es mangelt nicht an guten Beispielen.
Wie man die Kreativwirtschaft nicht nur in Großstädten, sondern auch im ländlichen Raum verankert, diskutierte das Forum für die bayerische Kultur- und Kreativwirtschaft. Rund hundert Akteure aus Kultur, Wirtschaft und Verwaltung trafen sich im Münchner Designoffice, um Chancen und Herausforderungen zu erörtern.
Es mangelt nicht an Beispielen für die Umnutzung von Immobilien, wie zahlreiche Panels mit lokalen und regionalen Initiativen zeigten. Doch gibt es viele Hindernisse.
Carola Kupfer vom Bayerischen Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft (BLVKK) übte in ihrem Vortrag deutliche Kritik: "Deutschland ist spät dran mit Veränderungen, das Potenzial der Kreativwirtschaft wird völlig verkannt", resümierte sie. Die Kreativbranche sei extrem flexibel und innovativ, doch es gebe viel zu verbessern: "Wir brauchen anerkannte Berufsbilder und Bildungswege für neue Berufe in der Kreativbranche", forderte Kupfer. Diese Berufe müssten vergleichbar, skalierbar und qualifiziert sein.
Staat und Wirtschaft sollten die Kreativwirtschaft besser unterstützen
Auch die politischen Rahmenbedingungen sind unzureichend: Es fehlen Mittel für Qualifikationen, bessere Zertifikate, mehr rechtliche Beratung und eine bessere soziale Absicherung. Bislang bewegt sich die Branche jedoch auf einem "sehr schwammigen Gelände", viele Akteure leben von ihrer intrinsischen Motivation.
Wie prekär die Situation für viele Kultureinrichtungen ist, schilderten die Akteure anschaulich in den verschiedenen Panels. Johannes Greiner von der Kunstwerkstatt "Kap94" in Ingolstadt erklärte, dass die Initiative überwiegend vom Engagement der Ehrenamtlichen lebe. "Wenn ich mir dann so anschaue, welche Umsätze wir da als Verein machen, wird mir manchmal Angst und Bange", sagte Greiner. Das Projekt sei ein wunderbares Beispiel dafür, wie Demokratie funktioniere. Sie erlebten hier Gemeinschaft, Teilhabe und Mitarbeit auf Augenhöhe. "Das ist mühsam, oft anstrengend, aber es macht unglaublich viel Spaß", resümierte Greiner.
Prekäre Arbeitsbedingungen - und Motor der Demokratie
Auch Jens Wagner vom Kunst- und Kulturhaus Neuneinhalb in Bayreuth schilderte, welche Anstrengungen nötig seien, um den Verein aufrechtzuerhalten. Kleine Kreativorte in ländlichen Regionen seien wichtige "Begegnungsräume für die Menschen und damit zugleich Demokratieräume". Zugleich appellierte er an potenzielle Geldgeber wie Förderstiftungen oder staatliche Organisationen, mehr Personalkosten zu fördern, um einen professionellen Betrieb der Kreativorte zu ermöglichen.
Für Maria Mayer und Tamara Hub von der Freien Kunstanstalt in Dießen sieht es derweil eher trüb aus. Der kleine Verein, der ausschließlich von Ehrenamtlichen betrieben wird, hat in einer alten Schreinerei nicht nur einen gemütlichen Treffpunkt für Kreative geschaffen, sondern auch einen kulturellen Anziehungspunkt in der Region. Auf 600 Quadratmetern laden Ateliers und Freiräume ein zu Ausstellungen, Lesungen, Workshops für Kinder und Jugendliche oder Coworking. Doch die Hallen sollen abgerissen und durch Wohnhäuser ersetzt werden. Nun hofft der Verein auf eine Fortsetzung der kulturellen Aktivitäten in den ehemaligen "Huber-Häusern" in der Dießener Johannistraße. Die verfallenen Gebäude werden in den sozialen Medien längst als "Lost Place" gefeiert.
Staatspreis für bayerische Kreativorte 2024
Das sind die Gewinner 2024:
- Der Verein Brückenkollektiv e.V. verwandelte die ehemalige Neuburger Markthalle in die temporäre Kunsthalle Neuburg als Ort für Veranstaltungen wie z. B. Ausstellungen, Konzerte und Workshops. Das belebt die Innenstadt und vernetzt die lokale und regionale Kultur- und Kreativbranche mit der restlichen Wirtschaft.
- Mit dem Bergfried Kultur wurde ein verlassenes Kloster in Passau wiederbelebt. Als Startschuss für die kulturelle Neubelebung dient ein Festival, das jährlich stattfindet. Außerdem gibt es Konzerte, Kunsthandwerkermärkte und Workshops.
- Der Z-Bau in Nürnberg ist ein kulturelles Zentrum mit vielfältigen Angeboten in den Bereichen Kunst, Musik, Theater, Literatur und politische Bildung. Das Projekt unterstützt und vernetzt lokale Künstlerinnen, Künstler und Initiativen und ist so ein wichtiger Impulsgeber für die regionale Kultur- und Kreativwirtschaft.
- Das Degginger ist mit Coworking-Spaces, Ausstellungen, Veranstaltungen und Workshops ein zentraler Anlaufpunkt für die kreative Szene in Regensburg. Hier werden Gründerinnen und Gründer, Kreative, Publikum und Wissenschaft zusammengebracht, um die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern.
Die Webseite mit weiteren Informationen zu den Kreativorten ist hier zu finden.
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