Gisele Pélicot wurde vom amerikanischen Magazin "Time" zur Frau des Jahres 2025 gewählt - während ihr Mann zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde. Beide vollkommen zu Recht.

Gleichzeitig veröffentlichte die gemeinsame Tochter Caroline Darian ein Buch mit dem Titel "Und ich werde dich nie wieder Papa nennen". Darin schildert sie in Tagebuchform, wie die Taten ihres Vaters ihre Familie zerstört haben.

Ein Verbrechen unvorstellbaren Ausmaßes

Für alle, die noch nichts von den Verbrechen des Dominique Pélicot gehört haben, hier eine kurze Zusammenfassung – die allerdings die Ungeheuerlichkeit und Tragweite der Taten nicht annähernd wiedergeben kann:

Der damals 67-jährige Pélicot hat seine Frau zehn Jahre lang unter Drogen gesetzt, vergewaltigt und fremden Männern zur Vergewaltigung überlassen. 

"Genauer gesagt wird meinem Erzeuger vorgeworfen, über eine Dating- und Chatplattform im Internet Kontakt zu Männern aufgenommen zu haben, denen er Sex mit seiner bewusstlosen Frau anbot, die er mit Tabletten betäubt hatte. Er verlangte keinerlei finanzielle Entschädigung. Allerdings stellte er die Bedingung, dass er filmen durfte."

Diese Verbrechen hinterließen Spuren in Form von 20.000 Film- und Fotodateien. Mindestens 80 Täter konnten identifiziert werden, aber nur 51 wurden schließlich angeklagt.

Die Heldin in den Ruinen

Das größte Opfer dieser Taten ist zweifellos Gisele Pelicot. Ihre Tochter Caroline bewundert sie in ihrem Buch für ihre unerschütterliche Stärke:

"Sie ist eine mittelalterliche Königin. Kopf gerade, erhobenes Kinn und keine Klage. Die wahre Heldin, aufrecht in den Ruinen stehend – das ist sie."

Doch es gibt noch andere Opfer - solche, die im Prozess kaum Beachtung fanden.

Dominique und Gisele Pélicot hatten drei gemeinsame Kinder: David, Caroline und Florian. Sie alle haben inzwischen eigene Familien, doch die Aufdeckung der Verbrechen hat ihr Leben für immer verändert. "Das Kind des Opfers und des Täters zu sein, ist eine schreckliche Last", sagt Caroline.

Zerbrochene Familie, nie endender Schrecken

In ihrem Buch beschreibt sie eindrücklich, wie sie nach der Verhaftung ihres Vaters ihrer Mutter beistehen wollte – und daran zerbrach. Sie musste ihrem sechsjährigen Sohn erklären, warum der geliebte Großvater plötzlich nicht mehr da war. Gleichzeitig versuchte der Vater auch aus dem Gefängnis heraus, die Familie weiter zu manipulieren und gegeneinander auszuspielen.

Und dann war da noch die grausamste aller Fragen: "Wie weit ist er mit mir gegangen?" Caroline musste die Worte "mein Vater" und "Sexualstraftäter" zusammenbringen, während immer neue Details ans Licht kamen. Ihre Mutter weigerte sich anzuerkennen, was die vorhandenen Fotos ihrer bewusstlosen Tochter bedeuten könnten: dass auch sie ein Opfer war.

Caroline Darian hat nun am 06.03. ebenfalls Klage gegen ihren Vater wegen Vergewaltigung eingereicht. Dies soll auch eine "Botschaft für alle Opfer" sein, sagt sie der Nachrichtenagentur AFP, wie das ZDF berichtet. 

Weltfrauentag: Ein Appell gegen chemische Unterwerfung

Der Weltfrauentag am 8. März ist passender Anlass, sich mit der Geschichte der "Frau des Jahres 2025" und ihrer Tochter zu beschäftigen. Besonders wichtig ist es Caroline Darian, auf das gesellschaftlich immer noch unterschätzte Phänomen der sogenannten chemischen Unterwerfung aufmerksam zu machen.

Diese Form der Gewalt ist heimtückisch: Opfer werden betäubt und missbraucht – oft ohne sich später daran erinnern zu können. "Das Opfer wird zu einem leblosen Ding, einer Puppe, die dem Aggressor ausgeliefert ist", erklärt Caroline. Gleichzeitig ermöglicht die Amnesie der Opfer den Tätern eine schuldabwehrende Illusion.

Der Nachweis einer Vergewaltigung ist ohnehin schon schwierig – bei chemischer Unterwerfung wird er fast unmöglich. "Die Opfer verstummen", sagt Caroline.

#MendorsPas: Der Kampf gegen das Schweigen

Um das zu ändern, hat Caroline Darian 2022 gemeinsam mit anderen Betroffenen die Kampagne #MendorsPas (auf Deutsch: "Betäub mich nicht") ins Leben gerufen.

Ihr Ziel: Aufklärung und Prävention. Sie fordert unter anderem eine bessere Ausbildung des medizinischen Personals und eine optimierte Betreuung der Opfer - denn weder sie noch ihre Mutter wurden nach den Aufklärungsgesprächen auf der Polizeistation zur Untersuchung auf Geschlechtskrankheiten oder zur psychologischen Betreuung überwiesen.

"Und ich werde dich nie wieder Papa nennen" ist mehr als ein Buch. Es ist ein Zeugnis unfassbaren Leids  – und ein Aufruf zum Handeln.

Caroline Darian. Und ich werde dich nie wieder Papa nennen. Kiepenheuer & Witsch 2025. 224 Seiten. 22 Euro.

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