Mit einem Appell gegen globale militärische Aufrüstung hat am Mittwoch die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Namibia begonnen. LWB-Präsident Munib A. Younan sagte zum Auftakt der Konferenz in Windhuk, dass die Welt am Rande eines dritten Weltkrieges stehe. Dabei drohe auch ein Einsatz von zerstörerischen Nuklearwaffen, warnte der palästinensische Bischof. Der Weg der Kirchen müsse der Dialog mit den Regierungen sein, "um diesen Unsinn zu stoppen, der uns in einen Weltkrieg führt".

Der Syrien-Konflikt etwa könnte der Funke sein, der einen solchen Krieg entzündet, wenn die beteiligten Länder an ihren politischen, ökonomischen und militärischen Interessen festhielten, sagte Younan in seinem Bericht vor den rund 400 Delegierten in Windhuk. Auch die Situation auf der koreanischen Halbinsel gebe Anlass zur Sorge und sei eine Gefahr für die globale Stabilität. "Ich bin sehr besorgt", sagte Younan.

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Lutherischer Weltbund (LBW) - Vollversammlung in Namibia

LBW LogoDer Lutherische Weltbund (LWB) trifft sich vom 10. Mai bis 16. Mai zur Vollversammlung in Windhuk (Namibia). Unsere Redakteurin Christiane Ried berichtet live aus Namibia. In unserem Dossier finden Sie alle aktuellen Artikel zum Thema: www.sonntagsblatt.de/weltbund .

 

 

Younan begrüßt deutsch-namibischen Dialog

Mit Blick auf die deutschen Kolonialverbrechen im Gastgeberland Namibia kündigte Younan eine Erklärung des Lutherischen Weltbundes während der Vollversammlung an. Der LWB sei bereit, den Versöhnungsprozess zwischen Deutschland und Namibia zu begleiten. "Für die Kirchengemeinschaft, die sich leidenschaftlich für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung engagiert, gehört dieser namibisch-deutsche Prozess zum Kern ihrer Berufung", sagte der Bischof.

Zugleich würdigte er das Ende April veröffentlichte Schuldbekenntnis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Er sei überaus dankbar für die Klarheit und Tiefe des Bekenntnisses der EKD zu dieser Schuld, betonte Younan. Die Verbrechen der deutschen Kolonialherren hätten vor allem die Völker der Herero, Nama, Damara und San/Khoisan betroffen. Die EKD-Erklärung bekenne offen, dass die "im Oktober 1904 gegen die Herero und im April 1905 gegen die Nama ergangenen 'Vernichtungsbefehle' als 'Völkermord' zu bewerten" seien.

Die Delegierten der LBW-Vollversammlung 2017 in Namibia hören die Rede des Präsidenten Munib A. Younan.

Younan appellierte aber auch an die beiden Länder zu klären, "wie die Geschichte dargestellt werden soll, wie Gerechtigkeit hergestellt werden kann und wie die Versöhnung zu fördern ist". Die EKD hatte mit ihrer Erklärung "Vergib uns unsere Schuld" die Nachkommen der Opfer der Kolonialverbrechen im damaligen Deutsch-Südwestafrika vor mehr als 100 Jahren um Vergebung gebeten. "Dies ist eine große Schuld und durch nichts zu rechtfertigen", heißt in der Erklärung. In dem Papier schreibt die EKD auch von Völkermord und Genozid. Diese Begriffe sind in Namibia allerdings nicht unumstritten.

Zugleich mahnte Younan mehr weltweite Ökumene an. Keine Kirche könne allein Extremismus bekämpfen, der alle Religionen betreffe - egal ob christlichen, muslimischen oder jüdischen. Nirgendwo sei der Bedarf an ökumenischer Arbeit größer als im Nahen Osten. In den vergangenen Jahren hätten Christen in der arabischen Welt und im Nahen Osten aufs Neue erfahren, "dass Isolation ins Verderben führt".

Younan hofft auf "ökumenischen Frühling"

Auch für die Stellung der Kirchen in der Welt sei eine enge Zusammenarbeit wichtig, mahnte Younan. Es müssten Beziehungen zu katholischen, orthodoxen, evangelikalen, anglikanischen sowie reformierten Kirchen und noch mehr aufgebaut werden. Denn alle hätten Anteil an ein und derselben Mission in der Welt. "Es ist meine aufrichtige Hoffnung, dass der ökumenische Winter, den wir erlebt haben, tatsächlich einem ökumenischen Frühling weicht", sagte der LWB-Präsident.

Die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes dauert bis 16. Mai. Unter anderem stehen die Themen Klimawandel, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit auf der Tagesordnung. Höhepunkt ist am Sonntag eine zentrale Gedenkveranstaltung im Sam-Nujoma-Stadion im Windhuk zum 500. Reformationsjubiläum. Der LWB repräsentiert nach eigenen Angaben rund 74 Millionen Christen weltweit.

Hintergrund

Was ist der Lutherische Weltbund?

Der Lutherische Weltbund (LBW) ist die Dachorganisation von weltweit mehr als 74 Millionen lutherischen Christen. Die Lutheraner berufen sich auf die Theologie ihres Namensgebers Martin Luther (1483-1546), während sich reformierte Christen etwa an Johannes Calvin (1509-1564) oder Ulrich Zwingli (1484-1531) orientieren.

Zum LWB gehören 145 Kirchen in 98 Ländern. Er wurde am 1. Juli 1947 im schwedischen Lund gegründet und hat seinen Sitz in Genf. Präsident ist seit 2010 der palästinensische Bischof Munib A. Younan. Als Generalsekretär amtiert seit dem gleichen Jahr Martin Junge, ehemaliger Präsident der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Chile.

Die meisten lutherischen Christen leben in Deutschland. Im Ursprungsland der Reformation gibt es elf Mitgliedskirchen mit rund 12 Millionen Mitgliedern. Die Zahl der Lutheraner in der Bundesrepublik ist aber deutlich höher, da auch den unierten Landeskirchen viele lutherische Christen angehören. Größte Mitglieder im Weltbund sind die Kirchen von Äthiopien, Tansania und Schweden.

Das oberste Leitungsgremium des Lutherischen Weltbundes ist die Vollversammlung. Sie tritt alle sechs bis sieben Jahre zusammen, zuletzt 2010 in Stuttgart. Die 12. Vollversammlung tagt vom 10. bis 16. Mai 2017 in Namibia. Die Delegierten treffen grundsätzliche Entscheidungen, legen das Arbeitsprogramm fest und wählen den Präsidenten sowie den Rat. Der Rat ist das oberste Leitungsgremium zwischen den Vollversammlungen. Ihm gehören 48 Vertreter der Mitgliedskirchen sowie Präsident und Schatzmeister an.