Es ist schade, dass Papst Franziskus im 500. Jahr des Thesenanschlags Martin Luthers nicht nach Deutschland kommt, um mit der müden Christenheit beider Konfessionen ein rundes Jubiläum des Aufbruchs zu feiern. So wie es damals von den Reformern gemeint war und dann durch vielseitiges Zutun gründlich in die Grütze ging. Es ist ein Glücksfall, dass diesem Papst nicht das akademisch-verbohrte Klein-Klein seines deutschen Vorgängers anhängt und er daher aus der tief verwurzelten Freiheit seines Glaubens sprechen kann. Schade, dass so ein Papst jetzt nicht nach Deutschland kommt.
»Ich bin Sünder und bin fehlbar«
Dieser Mann hebt sich so wunderbar ab von all den »Geistergrößen«, die uns umgeben: von all den Erdoğans, Kaczyńskis, Orbáns und Trumps, die sich für unfehlbare Lichtgestalten ihrer Nationen halten und dabei doch nur Opfer eigener Überheblichkeit sind. »Ich bin Sünder und bin fehlbar, und wir dürfen nicht vergessen, dass die Idealisierung eines Menschen stets auch eine unterschwellige Art der Aggression ist.« Das sagt Papst Franziskus 500 Jahre nach dem Thesenanschlag Martin Luthers in Wittenberg im Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit.
Diese Worte sollten nicht nur uns Protestanten zu denken geben. Es sind ja schöne Beschwörungen, dass die bösen Erinnerungen der Trennung verfliegen mögen – wegen des runden Datums und des guten Willens. Aber reicht das wirklich aus – im 500. Jahr des Thesenanschlags? Protestanten und Katholiken gehen noch immer getrennt zum Abendmahl. Wie ernst nehmen die Beschwörer der versöhnten Trennung die Mahnung über dem Eingang des Speyerer Doms: Ut unum sint. Und was kann Papst Franziskus bewegen, der sich in eine Nachfolge stellt, an der alles Machtstreben endet?