Dieser Kirchgang kam wie gerufen. So werden es die Ordnungshüter empfunden haben, die im Januar beim traditionellen Polizeigottesdienst in der Münchner Matthäuskirche zusammenfanden. Seelsorgerlicher Beistand war gefragt, hatte es doch erst kurz zuvor gleich mehrere schwere Angriffe auf Polizeibeamte in Regensburg gegeben. Letzter Höhepunkt zunehmender verbaler und körperlicher Gewalt gegen Polizisten im Freistaat.

Galt früher mal die Devise "Die Polizei – dein Freund und Helfer", so scheint es heutzutage immer mehr Menschen an Respekt für die Arbeit der Polizisten zu mangeln. Und so manches Mal entsteht gar ein Feindbild. Das ist hochgefährlich, stellt es doch das Gewaltmonopol des Rechtsstaats infrage und damit auch die unerlässliche öffentliche Ordnung in unserem demokratischen Gemeinwesen.

Anzeichen einer zunehmenden Verrohung gibt es aber auch anderswo: Immer häufiger klagen selbst Feuerwehrleute und Sanitäter über die aggressive Behinderung ihrer Arbeit. An menschlichem Anstand und an Wertschätzung mangelt es ebenso, wenn Gaffer gewaltsam Absperrungen durchbrechen, um Unfallopfer zu filmen und ihr Video möglichst sofort ins Internet zu stellen.

Die Ichbezogenheit und Sensationsgier mancher Menschen scheint kaum noch Grenzen zu kennen. An all dem hat selbst die kürzlich verschärfte Strafgesetzgebung für Angriffe auf Polizei und Rettungskräfte bisher kaum etwas geändert – auch weil die überlastete Justiz oft nicht energisch genug reagiert.

Entscheidend ist aber vor allem, mit welchen aufklärerischen Mitteln man dem Verlust an Empathie und dem Abrücken von einer gemeinschaftlichen Wertordnung in Teilen der Gesellschaft begegnet. Es geht auch um Pflichten, nicht nur um Rechte. Die Zersplitterung unseres Gemeinwesens in immer mehr kulturelle und soziale Segmente und in digitale Echokammern fördert Abschottung, mitunter auch Radikalität und Machogebaren.

Als überzeugenden Gegenentwurf gibt es etwa das wachsende Heer der Ehrenamtlichen, die sich fürs Gemeinwohl engagieren und so Integration unterschiedlichster Art ermöglichen.

Die Ordnung im demokratischen Rechtsstaat wird umso stabiler sein, je mehr unsere Gesellschaft unter dem Leitbild von Empathie, Respekt und Gewaltfreiheit zusammenrückt. Daran sollten vordringlich die Familien, aber auch die Bildungspolitik, die Kirchen und die Zivilgesellschaft mit ihren Bürgerinitiativen arbeiten. Die seelsorgerliche Begleitung der Sicherheits- und Rettungskräfte hat dabei Signalcharakter.

Was denken Sie? Schreiben Sie an Stephan Bergmann: sonntagsblatt@epv.de