Kennen Sie Arsacius Seehofer? 

Horst Seehofer: Arsacius Seehofer aus Ingolstadt, das war eine sehr widerspenstige Persönlichkeit.  Er wurde als Anhänger der Reformation in Bayern 1523 zum Widerruf gezwungen.

Ist er einer Ihrer Vorfahren?    

Seehofer: Ich kenne seinen Namen aus dem Ingolstädter Stadtmuseum und habe mir seit vielen Jahren vorgenommen, dass ich der Sache einmal tiefer auf den Grund gehe. Jedenfalls glaube ich, dass wir uns in einigen Eigenschaften ähneln. Er hatte seine eigene Meinung und hat sie auch vertreten. Am 31. Oktober 2017 sind es 500 Jahre seit der Reformation.

Soll der Tag ein einmaliger Feiertag sein?    

Seehofer: Ja. Wir unterstützen dieses Anliegen voll und ganz. Auch die Ministerpräsidentenkonferenz hat sich ja schon dafür ausgesprochen, das Reformations-Jubiläum mit einem bundesweiten Feiertag zu begehen. 

Soll Bayern auch islamische Feiertage bekommen?    

Seehofer: Wir sind ein christlich geprägtes Land, und wir bleiben ein christlich geprägtes Land. Wir sind tolerant und respektvoll gegenüber anderen Religionen, aber wir führen keine islamischen Feiertage ein. 

In Bayern gibt es Modellprojekte für islamischen Religionsunterricht. Geht das in die richtige Richtung?    

Seehofer: Ich sehe in diesem Modellversuch "Islamischer Unterricht" in deutscher Sprache einen wichtigen Beitrag zur Integration. Er hat den tieferen Sinn der Information, des Verständnisses und soll dazu beitragen, dass junge Menschen nicht auf einen falschen Weg geführt werden.    

Ende Juni lebten in Bayern genau 1.254.646 Ausländerinnen und Ausländer, etwas mehr als zehn Prozent der Bevölkerung. Sind Sie mit deren Integration zufrieden?    

Seehofer: Bei einem Wahlkampfauftritt hat mich eine in München lebende Kroatin gefragt, ob ich auch ihr Ministerpräsident sei. Natürlich bin ich das. Ein Ministerpräsident muss das Land zusammenhalten und für alle dort lebenden Bürgerinnen und Bürger da sein. In München und einigen anderen bayerischen Großstädten ist der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund höher als in Berlin. Und trotzdem klappt in Bayern die Integration besser als anderswo. Wir haben hier keine Brennpunkte, sondern ein Miteinander. Das liegt daran, dass es bei uns keine Parallelgesellschaften gibt. Der Schlüssel liegt auch im frühen Lernen der deutschen Sprache. 

Die Staatsregierung tauscht sich regelmäßig mit dem evangelischen Landeskirchenrat aus. Wie wichtig ist Ihnen das?    

Seehofer: Die regelmäßige Begegnung ist mir sehr wichtig. Die christlichen Kirchen in Bayern sind sehr nah dran an den Menschen. Ich erfahre in diesen Gesprächen über die Denkweisen, über die Strömungen, über die Auffassungen in der Bevölkerung mehr, als wenn ich eine ganze Woche am Schreibtisch sitze und Akten lese. 

Wie nehmen Sie den bayerischen evangelischen Landesbischof wahr?    

Seehofer: Die evangelische Landeskirche hatte immer Glück mit ihren Landesbischöfen. Vielleicht liegt es auch am sehr sorgfältigen Wahlverfahren, das sehr langwierig ist - fast ein bisschen wie bei der Papstwahl. 

Bei der Ernennung von katholischen Bischöfen haben Sie ein Vetorecht, bei der evangelischen Kirche nicht.    

Seehofer: Das stimmt so nicht ganz. Die bayerische Staatsregierung wird nach dem Staatskirchenvertrag auch vor der Wahl des evangelischen Landesbischofs durch die Landessynode einbezogen. Die Zusammenarbeit mit den Landesbischöfen habe ich im Übrigen immer als fruchtbar erlebt. Mit Landesbischof Johannes Friedrich war das eine fordernde Zusammenarbeit, aber auch eine sehr angenehme. Wir sind auch bei unterschiedlichen Positionen offen miteinander umgegangen. Das Gleiche gilt jetzt für Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Ich erlebe ihn als hartnäckig, glasklar, sehr anspruchsvoll, aber auf der anderen Seite auch bereit, der besonderen Verantwortung eines Ministerpräsidenten mit Respekt zu begegnen. 

Der Ministerpräsident im Gespräch mit dem EPV

Sollen sich die Kirchen in die Politik einmischen?    

Seehofer: Ich habe für Politiker kein Verständnis, die Angst davor haben, dass sich jemand von außen in ihre Politik einmischt. Ich erlebe die Vertreter der evangelischen Kirche als sehr leidenschaftlich, prinzipientreu und deutlich in ihren Positionen. Ihre Einlassungen erfolgen gleichwohl immer respektvoll, sachbezogen und nicht ideologisch. 

Sind Sie manchmal genervt von der Kirche? Zum Beispiel in der Asylpolitik?    

Seehofer: Überhaupt nicht. Politik war und ist für mich immer dialogorientiert. Deshalb haben wir nach dem Hungerstreik der Asylbewerber im Juni am Münchner Rindermarkt mit den Kirchen zusammen die humanitäre Behandlung von Asylbewerbern besprochen. Wir haben auch eine ganze Reihe von Punkten, die nicht mehr zeitgemäß waren, verändert.    

Sie meinen die Bayerische Asyldurchführungsverordnung. Eine umstrittene Passage, wonach die Unterbringung "die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern" soll, wurde gestrichen.    

Seehofer: Das entsprach auch nie unserer Praxis. Ich bin froh, dass damit jeder Anschein einer menschenunwürdigen Behandlung ausgeräumt ist. Asylbewerber müssen menschenwürdig behandelt werden, auch während ihr Status festgestellt wird. Ein solches Verfahren sollte nach sechs Monaten abgeschlossen sein. 

Warum hält die Staatsregierung an der Residenzpflicht fest?    

Seehofer: Ich halte die auf einen Regierungsbezirk bezogene Residenzpflicht in Übereinstimmung mit vielen Kommunalpolitikern für richtig. Sie vermeidet, dass die allermeisten Asylbewerber nach München und Nürnberg ziehen. Da gäbe es dann automatisch mehr Akzeptanzprobleme in der dortigen Bevölkerung und diese Probleme wollen wir vermeiden. Was oft nicht gesagt wird: Ein Asylbewerber, der in Deutschland zu einem Arzt oder zu Verwandten fährt, kann das mit einer Genehmigung jetzt schon tun. Wir appellieren an die Kommunen, dass dies künftig gebührenfrei sein soll. 

Viele Asylbewerber wollen keine Essenspakete, sondern ihr Essen selbst einkaufen.    

Seehofer: Die Bezirksregierungen haben auf Initiative unserer Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) bereits jetzt die Möglichkeit, hinsichtlich der Essenspakete in Gemeinschaftsunterkünften flexibel und unbürokratisch zu handeln. 

Im Parteiprogramm der CSU hat das Christentum einen hohen Stellenwert. Wie ist das bei Ihnen persönlich?    

Seehofer: Die Orientierung an der christlichen Soziallehre ist für mich sehr wichtig, mit ihr bin ich groß geworden und sie hat immer mein Handeln bestimmt. Denn sie ist stärker als jede Ideologie, die Staaten oder Parteien jemals entwickelt haben. Alle Ideologien sind gescheitert, vom Sozialismus bis zum Kapitalismus, aber die christliche Soziallehre hat Bestand, sie ist zeitlos richtig. 

Was sind Ihre politischen Koordinaten?    

Seehofer: Die christliche Soziallehre und das christliche Menschenbild. Mir war nie wichtig, wie eine politische Entscheidung auf einen Verband oder auf einen Funktionär wirkt, sondern was sie für den Einzelnen, zum Beispiel den Audi-Arbeiter und seine Familie bedeutet. Zweitens gehört die Eigenverantwortung dazu: Jeder Mensch mit seiner Besonderheit und Einzigartigkeit ist verantwortlich für die Gestaltung seines Lebens, der Staat ist nicht der Vormund. Das Dritte ist die Solidarität: Menschen, die sich selber helfen wollen, aber nicht können, wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit oder Pflegebedürftigkeit, sollen auf die Gemeinschaft vertrauen können. Niemand wird zurückgelassen, wenn er auf Hilfe angewiesen ist. Eine christlich geprägte Gesellschaft darf keinen Menschen ausgrenzen. 

Sieht man als Spitzenpolitiker noch die Sorgen der einfachen Leute?    

Seehofer: Ich komme selbst aus einer Arbeiterfamilie, mein Vater war Bauarbeiter. Wir waren darauf angewiesen, dass er am Freitagnachmittag die Lohntüte nach Hause brachte, dann konnten wir etwas zu essen kaufen. Wir haben aber auch Arbeitslosigkeit erlebt. Das werde ich nie vergessen. Vollbeschäftigung in Bayern ist deshalb für mich das oberste Ziel.  Brauchen wir einen Veggie-Day in den Kantinen?  Seehofer: Ich halte nichts davon, wenn der Staat ständig als Vormund oder als Umerzieher auftritt. 

Was essen Sie denn gern?    

Seehofer: Meine Frau und ich achten auf eine abwechslungsreiche Ernährung, ich war ja selbst mal Gesundheitsminister und auch Landwirtschaftsminister. Wenn meine Frau sagt: "Heute wär' mal wieder ein Obsttag gut", dann habe ich am nächsten Tag wieder mehr Lust auf eine Schweinshaxe oder einen bayerischen Schweinsbraten mit Knödeln. Wenn Sie jeden Tag das Gleiche essen, haben Sie doch keine Freude mehr am Essen.    

Sie stehen in Ihrem ersten Wahlkampf für das Amt des Ministerpräsidenten. Die Umfragewerte sind glänzend. Sind Sie zuversichtlich?    

Seehofer: Ja, die Umfragen geben natürlich Rückenwind. Aber ich bin lange genug in der Politik, um zu wissen, dass die verbleibenden Tage bis zur Wahl noch schwierig werden.

Dossier

#Glaubensfage

Woran glaube ich? An welchen Werten orientiere ich mich? Welche Rolle spielen Gott und Religion in meinem Leben? Das sind Fragen, mit denen sich Prominente aus Kirche und Politik, Gesellschaft und Kultur in unserer Reihe #Glaubensfrage beschäftigen. Mehr dazu in unserem Dossier: www.sonntagsblatt.de/glaubensfrage