"Das letzte Mal war ich bei meiner Hochzeit beim Fotografen. Das war 1950", erzählt Katharina Käser. Die 92-Jährige war auch erst einmal in ihrem Leben bei einer Kosmetikerin. Ihr Leben lang hat es ihr gereicht, das Gesicht sauber zu waschen und mit Nivea einzucremen. Heute wurde sie das zweite Mal überhaupt geschminkt. Und sie hat es genossen, dass eine Visagistin an ihrem Gesicht getupft, gemalt und gepinselt hat. Mit leuchtenden Augen sitzt die Seniorin nun in ihrem Rollstuhl. Die Frisur sitzt, sie trägt dezenten Lidschatten und Wimperntusche und fühlt sich sehr gut heute.

Auch die 82-Jährige Hildegard Krämer ist froh um die Abwechslung, obwohl sie etwas besorgt war, ob ihr von Cortison stärker gewordenes Gesicht auf dem Foto gut aussehen würde. Aber sie ist zufrieden. Was ihr besonders gefällt:

"Ich war noch nie im Fernsehen oder sonst in der Öffentlichkeit. Und jetzt, mit 82 Jahren komme ich in eine Ausstellung."

Insgesamt zwölf Seniorinnen aus vier Altenheimen waren an zwei Tagen im Fotostudio in der Landshuter Altstadt. Am ersten Vormittag waren Damen hier, die im St.-Jodok-Stift leben. Dort wurden sie erstmal ungeschminkt fotografiert und danach einer eigens aus München angereisten  Visagistin Melanie Hoppe  anvertraut. Die Idee zum Projekt hatte die Landshuter Altenheimseelsorgerin Nina Lubomierski. "Mir ist aufgefallen, dass sich Senioren oft jünger fühlen, als sie wirklich sind." Tatsächlich haben Studien ergeben, dass sich ältere Menschen etwa zwölf Jahre jünger fühlen. Und diesen Unterschied zwischen tatsächlichem und gefühltem Alter möchte die Pfarrerin herausarbeiten. Gerne hätte sie auch Männer dabei gehabt, die waren aber nicht für das Projekt zu gewinnen.

Auch Menschen im Altenheim haben eine Würde

Dabei will sie "nicht Leute künstlich jünger machen, sondern das was sie eigentlich fühlen zum Ausdruck bringen mit Hilfe von schöner Fotografie und Schminke." Außerdem ist Nina Lubomierski aufgefallen, dass auch im Altenheim die meisten Menschen immer noch gut aussehen und schön sein wollen. "Mich berührt das, wenn ich sehe, dass Menschen im Altenheim schöne Fingernägel haben, eine hübsche Kette an, sich vielleicht noch im Gesicht ein bisschen schön machen. Und diese Momente jetzt auch noch einmal festzuhalten, dass auch Menschen im Altenheim eine Würde haben, dass sie schön sein wollen, das war mir wichtig."

Unterstützt wird sie dabei vom Fotografen Peter Litvais. Menschen abzubilden ist für den Profi immer wieder eine Herausforderung. Eigentlich schätzt er mehr ungeschminkte Gesichter, aber "oft kommt die Natur eines Menschen auch zum Vorschein, wenn er geschminkt ist. Denn er fühlt sich anders." Auf eines achtet er aber besonders: es werden ehrliche Fotos von den Damen. "Wir machen nicht erst schlechtes Licht und miese Laune und nachher dann Lachen und besseres Licht mit vielem Retuschieren, sondern das wird überhaupt nicht retuschiert." 

Die Fotomodelle haben schon einen ersten Blick auf ihre Bilder werfen können und sind allesamt glücklich damit, wie sie aussehen. Sie hatten ihren Spaß. Hildegard Krämer meint: "Ich bin froh, dass ich da mitgemacht habe, dass ich das erlebt habe und dass ich mal wieder rauskomme aus dem Heim." Die Seniorin hatte lange ein Theater-Abo, das sie jetzt aus gesundheitlichen und finanziellen Gründen aufgeben musste. "Das fehlt schon ein bisschen", meint sie. "Aber dafür nehme ich jedes Angebot im Heim gerne an."

Meine Falten habe ich in Ehren bekommen

Auf die Ausstellung "Ganz schön alt…" freuen sich alle Beteiligten. Finanzielle Hilfe gab es dafür vom Kunstfonds der evangelisch-lutherischen Kirche Bayern und dem Lions Club Landshut.  Am 3. Mai können die Vorher- und Nachher-Bilder der betagten Fotomodelle in Peter Litvais Studio besichtigt werden. Und sicherlich werden auch die Originale dabei sein und stolz ihren Angehörigen präsentieren, wie schön sie immer noch aussehen. Dass sie Falten im Gesicht haben, die auch trotz Schminke sichtbar sind, stört sie dabei gar nicht. Katharina Käser sagt: "Meine Falten habe ich in Ehren bekommen". Und die darf auch jeder gerne sehen.