Gemeindepfarrer Markus Roth lernte unter anderem bei Benediktiner-Bruder Jakobus Geiger in Münsterschwarzach und dem bereits verstorbenen Pater und Zentrumsgründer Willigis Jäger die Praxis der Kontemplation kennen – von Jäger wurde Roth auch zum Lehrer der christlichen Mystik ernannt.

Herr Roth, Spiritualität ist ja gerade ein Trend-Thema in der evangelischen Kirche – und trotzdem fremdelt der eher spröde Durchschnitts-Evangelische ein bisschen damit. Warum ist das so?

Ich meine, es liegt daran, dass wir jahrhundertelang die Rechtfertigungslehre falsch interpretiert und gepredigt haben. "Du musst vor Gott gar nichts, keine Leistung, keine Werke" – das ist immer noch sehr richtig und entlastet auch den Menschen der Gegenwart. Gleichzeitig haben Luther und die Reformation nie gesagt: Es braucht keine "praxis pietatis", keine Frömmigkeitspraxis.

"Wie ein Schuster einen Schuh macht, so betet ein Christ", sagt Luther.

Wir haben lange Zeit versäumt, den Menschen das Beten zu lehren, und zwar so, dass es für sie stimmig ist. Eine Form des Betens ist die Kontemplation. Sie spricht Menschen an, die ein neues Gottesbild für sich suchen oder auf eine Weise beten wollen, ohne zu viel Worte zu verlieren.

Sie bieten in Segringen auch Kontemplation – also christliches Meditieren – an. Kann das jede und jeder lernen, was muss man dafür mitbringen? Oder: Worauf muss man sich einlassen können?

Das kann jeder. Wir sitzen da und alles darf sein. Wir beginnen mit einem kurzen Durchgang zu unserem Körper. Wir haben vergessen, unseren Körper zu spüren. Dann achten wir auf den Atem ohne einzugreifen. Wir lassen Gedanken und Gefühle zu, ohne zu bewerten, unterbrechen aber und gehen zum Atemgebet zurück. Das kann jeder.

Manchmal macht es Angst, die Stille, aber sie wird sehr schnell als heilsam empfunden, übrigens auch von Kindern und Jugendlichen. Jede Unterrichtsstunde, ob in der Grundschule oder in der Fachakademie beginnt bei mir mit einer Stille, auch bei den Konfirmandinnen und Konfirmanden.

Und was hat es mit dem "Handauflegen" auf sich? Sie machen zwar keine Heilungsversprechen, aber gleichzeitig wird auch immer wieder auf "heilende" Beispiele verwiesen …

Wer länger zum Handauflegen kommt, regelmäßig, beziehungsweise sich selbst die Hände auflegt, macht manchmal tatsächlich heilsame Erfahrungen. Menschen erzählen, dass eine Operation nicht mehr nötig ist oder sich Rheuma-Werte verbessern.

Aber Vorsicht: Heilung geschieht ganz unterschiedlich. Manchmal kann es heilsam sein, dass ein schwer kranker Mensch, dem die Hände aufgelegt werden, sterben darf.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden