Die ehemalige bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) ist im Alter von 77 Jahren gestorben. Die Trauer ist über Parteigrenzen hinweg groß: Sie sei eine der profiliertesten Sozialpolitikerinnen Deutschlands gewesen, sagte der Oberbürgermeister ihrer Heimatstadt Würzburg, Christian Schuchardt (CDU). Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) erklärte, jahrzehntelang habe sich Stamm vor allem für die Ärmeren und Schwächeren in der Gesellschaft eingesetzt und ihnen eine Stimme gegeben. "Wir verlieren mit ihr ein großes Vorbild für Frauen in der Politik, eine leidenschaftliche Kämpferin für die Schwachen in der Gesellschaft und eine überzeugte Demokratin", sagte sie.
Der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm erklärte, er trauere um eine Frau, "zu der ich auch persönlich eine große Nähe gespürt habe", aber auch um eine überzeugende Politikerin. Sie habe ihre christlichen Werte in der Politik tatsächlich gelebt.
"Sie hatte Rückgrat, einen klaren sozialen Kompass und war doch immer für Kompromisse offen", sagte Florian von Brunn, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion. Auch die Fraktionen der Grünen und der Freien Wähler hoben sie als soziales Gewissen und Vorbild für Frauen in der Politik hervor.
Barbara Stamm wurde 1944 in Bad Mergentheim geboren. Sie lernte den Beruf der Erzieherin und leitete bis 1978 das Schifferkinderheim in Würzburg. Von 1972 bis 1987 war sie für die CSU Mitglied des Würzburger Stadtrats. 1976 zog sie als Nachrückerin über die Liste in den Bayerischen Landtag ein, dem sie dann 42 Jahre bis 2018 angehören sollte. 1987 wurde sie Staatssekretärin und von 1994 bis 2001 Staatsministerin im Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit. Den Ministersessel musste sie 2001 gegen ihren Willen räumen, aber in Interviews betonte sie stets, "im Laufe meines politischen Lebens habe ich gelernt: Ihr kriegt mich nicht unter". 2008 wurde Stamm als erste Frau in Bayern Präsidentin des Bayerischen Landtags. Das blieb sie bis 2018.
Stamm hatte zahlreiche Ehrenämtern inne, unter anderem beim Bayerischen Roten Kreuz, deren Präsidentin Angelika Schorer sie als die "soziale Stimme im Freistaat Bayern" würdigte. Stamm war stellvertretende Vorsitzende des Diözesan-Caritasverbandes und bis zu ihrem Tod Vorsitzende des Landesverbandes Bayern der Lebenshilfe. Die VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher sagte, Bayern habe eine wichtige politische Stimme für soziale Gerechtigkeit und Inklusion verloren. "Sie wird als soziales Gewissen fehlen." Inklusion sei ein Lebensthema von Barbara Stamm gewesen. Noch am 17. September habe sie bei einer inklusiven Sportveranstaltung in Burglengenfeld "ein flammendes Plädoyer für Inklusion" gehalten.
Die bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) sagte in ihrem Nachruf, Stamm habe über "Jahrzehnte wegweisende Meilensteine gesetzt, die bis heute fortwirken". Die leidenschaftliche Demokratin habe sich "mit Herz und Verstand besonders auch für die Frauen in der Politik eingesetzt". Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, Stamm sei "Bayerns soziales Gewissen, Maßstab und Vorbild im Einsatz für die Mitmenschen" gewesen. Söder bezeichnete sie als "die bedeutendste Politikerin im Freistaat und Mutter Bayerns".
Die Politikerin aus Würzburg habe sich immer für die Belange der Bürgerinnen und Bürger starkgemacht, "ihr großes Herz gehörte den Familien und ganz besonders den Schwächsten in unserer Gesellschaft", sagte Söder weiter. Mit ihrer Hilfsbereitschaft und Wärme sei sie ein Vorbild für viele Menschen. Am Vormittag trug sich Söder in das Kondolenzbuch für die Verstorbene ein. Zu Ehren von Barbara Stamm ordnete der Ministerpräsident für Donnerstag (6. Oktober) sowie am Tag ihrer Beisetzung Trauerbeflaggung an allen staatlichen Dienstgebäuden an.