Fast 193 Millionen Menschen in 53 Ländern und Territorien seien im vergangenen Jahr akut von Ernährungsunsicherheit betroffen gewesen und hätten dringend Hilfe benötigt, heißt es in dem globalen Bericht über Nahrungskrisen verschiedener UN-Agenturen und ihrer Partner. Dies bedeute einen Anstieg um fast 40 Millionen Hungernde gegenüber dem bisherigen Höchststand im Jahr 2020.

Fast 240 Millionen weitere Menschen brauchen Hilfe

Weitere 236 Millionen Menschen in 41 Ländern und Territorien befanden sich demnach in einer angespannten Lage und hätten Unterstützung für ihren Lebensunterhalt und Hilfe zur Verringerung des Katastrophenrisikos gebraucht.

Zudem seien auch die Preise für Lebensmittel auf ein Rekordniveau geklettert.

"Millionen von Menschenleben und Existenzen stehen auf dem Spiel",

erklärte UN-Generalsekretär António Guterres in einem Vorwort. Der Krieg in der Ukraine verschärfe die Krisen in den Bereichen Nahrungsmittel, Energie und Finanzen. Die Auswirkungen auf die schwächsten Menschen, Länder und Volkswirtschaften der Welt seien verheerend. 

Der Direktor des UN-Welternährungsprogramms, David Beasley, rief die internationale Gemeinschaft zu einem entschlossenen Gegensteuern auf. Andernfalls werde sich die Krise weiter verschlimmern. Der Hunger nehme wegen der Corona-Pandemie, den Folgen des Klimawandels sowie der vielen Konflikte zu.

Vier Länder mit besonders dramatischer Lage

Besonders besorgniserregend sei die Lage in Äthiopien, Südsudan, Madagaskar und Jemen. In diesen vier Ländern seien 570.000 Menschen vom Hungertod bedroht gewesen. Laut dem Report dürften sich die Aussichten für die weltweite akute Ernährungsunsicherheit im Jahr 2022 im Vergleich zu 2021 weiter verschlechtern. Die bewaffnete Konfrontation in der Ukraine werde weitere ungünstige Auswirkungen auf die weltweiten Preise und Lieferungen von Nahrungsmitteln, Energie und Düngemitteln haben.

Die Ukraine ist einer der größten Getreideproduzenten der Welt und kann aufgrund des russischen Angriffskriegs nicht mehr wie gewohnt liefern. Nach Medienberichten können Millionen Tonnen Getreide nicht ausgeführt werden. Auch Russland habe die Ausfuhr von Weizen, Gerste, Mais, Roggen und anderen Agrarprodukten erheblich gedrosselt.

Kanzler Scholz sichert Hilfe zu

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sicherte den betroffenen Ländern Hilfe zu. Deutschland könne die Staaten, die wegen des Ukraine-Krieges von der Ernährungskrise bedroht seien, nicht alleine lassen, sagte er nach einer Kabinettsklausur in Meseberg. Es müsse dafür gesorgt werden, dass die Getreideexporte auch weiterhin gelingen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte,

"die Nahrungsmittelknappheit wird die Welt hart treffen, und zwar Teile der Welt, die sowieso schon politisch unruhig sind."

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) rief dazu auf, ärmere Länder von Lebensmittelimporten unabhängiger zu machen. "Kurzfristig sind Nahrungsmittelhilfen überlebenswichtig", sagte sie. Ziel müsse jedoch sein,

"dass die Menschen in den ärmsten Ländern sich selbst versorgen können, damit steigende Weltmarktpreise nicht mehr automatisch zu mehr Hunger führen."

Bereits im April hatte Schulze bei der Weltbank-Frühjahrstagung in Washington ein neues Bündnis für globale Ernährungssicherheit vorgeschlagen, um die Verteilung von Getreide so zu organisieren, dass Hungerkatastrophen möglichst vermieden werden.

Der Bericht wurde im Auftrag des Globalen Netzwerks gegen Ernährungskrisen erstellt. UN-Institutionen wie die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) und das Welternährungsprogramm (WFP) sowie Partner stehen dahinter.