Die Wahl-Nürnbergerin Laurence Grangien hockt fast schon wieder auf gepackten Koffern. Mitte August will die Fotografin wieder auf Reisen gehen. Ziel ist Kathmandu, die Hauptstadt von Nepal. "Ich muss wieder raus aus Nürnberg", sagt die gebürtige Französin, sie müsse wieder etwas Neues sehen. Für vier bis fünf Wochen will sie auf Motivjagd in der Millionenstadt am Fuße des Himalaya-Gebirges gehen.

Nepal ist für die freie Fotojournalistin, Jahrgang 1962, derzeit das "Lieblingsland". Schon mehr als 15 Mal war sie dort, zuletzt im April. "Ich kenne die Menschen dort." In dieser Zeit ist auch das Vertrauen gewachsen, so dass die Menschen ihre Zurückhaltung aufgeben und sich gern fotografieren lassen. "Selbst der Tod war kein Tabuthema", sagt die umtriebige Frau, die mit 19 Jahren ihren Geburtsort, das französische Atlantikstädtchen Les Sables d'Olonne, verlassen hat.

Weil Grangien irgendwie dazugehört, darf sie Bilder machen, die anderen verwehrt sind. Auch nach dem verheerenden Erdbeben im Jahr 2015 kam sie immer wieder. Eine alte Frau hatte damals ihr Haus und ihre Habe verloren. Nun wohnt diese in einer Blechhütte, darin hängt ein Porträt, das Grangien von ihr gemacht und mitgebracht hatte. Das hat ihr viel Respekt eingebracht.

Auch ihre Hartnäckigkeit ebnet ihr den Weg. Sie hält tote Menschen, rituelle Schlachtungen, Junge und Alte im Bild fest.

Die gelernte Schneiderin wohnt seit den 1990er Jahren in Nürnberg. Als 37-Jährige erhält sie eine Krebsdiagnose, ihr Leben hängt an einem seidenen Faden. Nach ihrer Genesung entscheidet sie sich dazu, nur noch das zu machen, was Spaß macht. "Für mich bedeutet es Reisen", erzählt sich am Rande einer Ausstellung.

Sie brach auf eigene Faust auf, nach Marokko, Indien, in den Nahen und Mittleren Osten oder nach Ostafrika. Um ihre Eindrücke und Erlebnisse festzuhalten, entdeckte sie die Fotografie für sich. "Ich gehe dahin, wo es dreckig und arm ist", führt sie weiter aus. Auch in Kathmandu wird sie wieder in einem ganz einfachen Hotel wohnen und Besuch "von Mäusen und Ratten" bekommen.

Ihre Devise beim Fotografieren: "Jeder Mensch hat eine Geschichte zu erzählen", die sie unerschrocken auf eigene Faust entdecken will. Sie lernt Menschen in Uganda kennen, denen in den Bürgerkriegswirren die Hand abgehackt wurde oder die Opfer von Massenvergewaltigungen wurden.

Im Iran wird sie mal verhaftet, in den unübersichtlichen Bürgerkriegswirren im Nordirak gerät sie mal selbst in einen Angriff der Terrormilz IS oder in einen Streit mit der kurdischen PKK.

In einem türkischen Grenzörtchen trifft sie auf Tausende Jesiden auf der Flucht vor dem IS. Keiner der verschreckten Menschen will sich fotografieren lassen. Grangien lässt nicht locker. Sie wolle dem Leid dort "eine Stimme geben", ohne Fotos wisse niemand, was da passiere. Sie lichtet erschöpfte Männer und weinende Frauen ab, Kinder, die ihre Geschwister tragen. "Ich hasse Ungerechtigkeit", sagt Grangien. Sie berichtet in Deutschland über die Not und unterstützt vom IS vergewaltigte Frauen. Ähnlich eindringlich sind ihre Bilder aus syrischen Flüchtlingslagern.

Ihre Bildersammlung ist ein Schatz. Mal fängt sie einen seltenen Moment ein, mal inszeniert sie Menschen in ihrem Leid oder ihrer Arbeit. Dabei hat der Betrachter nie ein voyeuristisches Gefühl, sie dokumentiert mit einem ästhetischen und würdevollen Blick.

Auch "eine Hölle" nahe von Kathmandu, eine Ziegelei, hat sie besucht. Dort arbeiten im Sommer hoch verschuldete Bauern, die mit ihren Kindern für ein paar Monate aus den Bergen zum Arbeiten kommen. In der Zeit hausen sie zwischen den Ziegeln, Jung und Alt müssen unter "erbarmungswürdigen Umständen für einen Hungerlohn" schuften. Das bringt sie in Wut und sie zückt ihre Kamera, um auch das zu dokumentieren.