Ganz einfach ist es nicht, den 34-jährigen Erlanger in seiner Heimatstadt anzutreffen. Der Rollstuhlfahrer hat vor über drei Jahren Büro und Wohnung aufgegeben und tourt seitdem quer durch Europa. Aktuell ist er allerdings für ein "Herzensprojekt" länger in Mittelfranken. "Nenn mich Tarek", sagt er und grinst freundlich unter seiner Sonnenbrille. "Oder 'Tarek-rollt', wie mein Instagram-Account." Bürgerlich heißt er Darek Chikh - aber mit Bürgerlichkeit hat er nicht viel am Hut.
Sein Einstieg als Nomade beginnt 2018 mit einem Wasserschaden in seiner Medienagentur, ein Loft im benachbarten Fürth, in dem er auch wohnt. Als die Handwerker mit Trockenmaschinen anrücken, die rund um die Uhr laufen, hält er den Lärm nicht mehr aus. Er zieht in ein Hotel und stellt dort fest, dass er ohne die Ablenkungen in seinem Loft viel effektiver arbeiten kann.
Es reift die Idee, "mein Geschäftsmodell umzustellen und mit einem VW-Bus auf Reisen zu gehen".
Tareks Muskeldystrophie macht ihm das Leben zwar schwer, aber er kommt noch ohne Rollstuhl zurecht. Doch die Krankheit zwingt ihn, jegliche körperliche Anstrengung zu meiden. Er kauft sich einen Bus und macht sich auf nach Skandinavien: "Ich wusste nicht, was mich erwartet und ob das eine coole Idee ist." Ein Jahr wollte er das Nomadentum aushalten. "Ein Ende ist nicht in Sicht", sagt er heute begeistert über das "Vanlife" - also sein Leben auf der Straße mit einem Bus.
Während er mit seinem ersten Gefährt von Skandinavien nach Spanien tourt, meldet sich seine Krankheit. Laufen wird zu schwer, ein Rollstuhl muss her. Er kauft sich einen größeren Bus, plant den rollstuhlgerechten Um- und Ausbau und realisiert alles mit Freunden. "Vanlife mit Rollstuhl ist für mich Extremsport", sagt Tarek. Es sei ein Kraftakt, hinters Lenkrad zu klettern. Doch alle Hindernisse seien nichts im Vergleich zu den Vorteilen:
"Vanlife ist der Überbegriff für Freiheit."
Zunächst betreut Tarek auch als digitaler Nomade seine Agenturkunden weiter. Mittlerweile hat er die Firma allerdings verkauft, um freie Bahn für sein Herzensprojekt zu haben. Geht alles gut, startet sein neues Unternehmen "Dreiii" kommendes Jahr mit der Serienfertigung eines geländegängigen Elektro-Trikes für Menschen mit Handicap. Es ist eine Art Dreirad, mit zwei Vorderrädern, mit denen man gut durch Kurven oder über Hügel fahren kann. So eines hatte er selbst mal ausprobiert.
Das E-Trike der kanadischen Firma hatte ihn begeistert. Er testete es auf Mountainbike-Strecken. "Die Trikes haben so viel Power, dass man auch durch die Luft springen kann." Ein "unglaubliches Gefühl von Freiheit und Adrenalin", sagt er. Es habe ihn in seine Kindheit und Jugend zurückversetzt, als er noch Mountainbike fahren konnte.
"Wenn ich im Trike sitze, fühle ich mich nicht mehr wie ein Mensch mit Handicap." Er könnte mit Freunden auf Tour gehen und jedes Terrain bewältigen.
Doch das kanadische Gefährt ist so teuer, dass er es sich nicht leisten kann. Also bringt er sich selbst das Konstruieren mit CAD-Programm bei und tüftelt zwei Jahre lang an einer Lösung. Am Ende holt er sich einen Ingenieur als Mitgründer für den Feinschliff an Bord. "Dreiii" will bei einem Verkaufspreis von unter 10.000 Euro bleiben. Nur dann sei es für Menschen mit einem Handicap, die auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht die besten Karten hätten, "sozialverträglich und finanzierbar".
Tareks Geschäftskonzept sieht zudem eine soziale Komponente vor. Von allen verkauften Trikes fließen zwei Prozent der Einnahmen in einen besonderen Topf - so kann rechnerisch jedes 50 Trike umsonst gebaut und an Bedürftige verschenkt werden. Bisher gebe es überwiegend "Rentnermobile" für Menschen mit Handicap. Diese Gefährte hätten freilich auch ihre Daseinsberechtigung: "Aber es fehlt jungen Leuten mit Handicap wie mir, die noch Adrenalin spüren wollen, eine Lösung."