Ständige bleierne Müdigkeit führte dazu, dass sich Jörg Seisel (Name geändert) nicht mehr konzentrieren konnte. Eine 2007 diagnostizierte Narkolepsie katapultierte den Fernsehjournalisten in die Erwerbslosigkeit. Dank eines neuen Medikaments geht es dem Würzburger seit kurzem besser. Jetzt sucht der 51-Jährige eine neue Stelle. Dabei hilft ihm der Integrationsfachdienst (ifd), dessen Aufgabe es ist, Schwerbehinderten bei der Jobsuche zu helfen.

Eigentlich muss jeder Betrieb mit mindestens 20 sozialversicherungspflichtigen Mitarbeitern fünf Prozent seiner Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten besetzen. Doch nur 40 Prozent der Arbeitgeber kommen dieser Pflicht nach. Sie zahlen lieber die dann fällige Abgabe.

76 Menschen aus der Region Würzburg suchen derzeit über den ifd einen Arbeitsplatz. In etwa der Hälfte der Fälle gelingt das, sagte ifd-Mitarbeiterin Stefanie Seynstahl dem Evangelischen Pressedienst epd. Vergleichsweise einfach sei die Vermittlung von Hörbehinderten: "Das klappt fast wie immer."

Äußerst schwierig gestalte es sich, Blinde oder psychisch Kranke zu vermitteln.

Viele ifd-Klienten hatten früher einen guten Job, ein gutes Einkommen und Erfolg. "In 70 Prozent der Fälle tauchen die Beeinträchtigungen erst im Laufe des Lebens auf", sagt Seynstahl. Das war auch bei dem Journalisten Jörg Seisel so. Bis ihn die Müdigkeit "in ein Gefängnis sperrte", wie er es beschreibt.

Heute traut er sich wieder eine Vollzeitstelle zu. Doch bei seinen Bewerbungen stellt er fest: Ihm begegnet Skepsis. Potenzielle Arbeitgeber zeigen sich von der Rückkehr seiner Leistungsfähigkeit nicht überzeugt. Dafür hat Seisel noch ein gewisses Verständnis. Aber: "Hanebüchen wird es, wenn meine Einstellung daran scheitert, dass es im Betrieb keine Behindertentoilette gibt."

Wie gut die Jobchancen Behinderter sind, hängt auch davon ab, ob ein konjunktureller Abschwung droht oder ob die Wirtschaft boomt. Unterm Strich sind Schwerbehinderte jedoch auch in guten Zeiten stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als Nichtbehinderte. Das zeigen die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit.

Der Arbeitsagentur zufolge sind behinderte Menschen deutlich länger erwerbslos als Menschen ohne Handicap.

"Unsicherheiten, Irrtümer und Ängste halten Arbeitgeber davon ab, Menschen mit Behinderung einzustellen", erklärt Nikolai Magdalinski vom Integrationsfachdienst in Hamburg.

Vor allem für psychisch Erkrankte zerschlagen sich oft die Hoffnungen, bald wieder arbeiten zu können, sagt Magdalinski. Je länger ein Mensch mit Depression oder Angststörungen aus dem Beruf und je älter er ist, umso schwieriger werde seine Wiedereingliederung. Durch Aufklärung in den Betrieben versucht das Hamburger ifd-Team, die Jobchancen seiner Klienten zu vergrößern. Magdalinski: "Es stimmt zum Beispiel nicht, dass Menschen mit Behinderung unkündbar sind."

Dass die Vermittlung psychisch Kranker besonders haarig ist, sagt auch Stephanie Mendel vom Integrationsfachdienst Darmstadt-Dieburg: "Diese Menschen brauchen mehr Zeit in der Einarbeitung, sie benötigen klare Strukturen und Arbeitsaufgaben." Doch in Unternehmen mangelt es für eine intensivere Begleitung von Mitarbeitern zunehmend an Zeit, stellt sie fest.

Der Sozialverband VdK fordert eine deutliche Erhöhung Ausgleichsabgabe, die zwischen 125 bis 320 Euro im Monat liegt.

Denn das Fünf-Prozent-Ziel sei mit der aktuellen Abgabenhöhe nicht erreichbar, sagt die Präsidentin des Verbandes, Verena Bentele.

Auch Klaus-Peter Rohde vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) spricht sich für eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe aus. Der Vertreter des bundesweit größten Träger für Menschen mit Behinderungen glaubt zwar nicht, dass dadurch mehr Behinderte eingestellt würden. Aber mit einem höheren Gesamtbetrag aus der Ausgleichsabgabe stünde der wachsenden Zahl an Inklusionsbetrieben und Arbeitsassistenzen für Behinderte mehr Geld zur Verfügung.