Die Evangelische Akademie Tutzing, die seit 1947 ihren Sitz im Schloss Tutzing direkt am Starnberger See hat, gehört zu den renommiertesten Bildungsstätten in Deutschland.

Wegen der Corona-Pandemie lag der Tagungsbetrieb monatelang still, auch jetzt geht es wegen des Teil-Lockdowns in der Akademie ruhig zu. Angst um die Zukunft seines Hauses hat Direktor Udo Hahn aber nicht.

Er betont im Gespräch mit Sonntagsblatt.de, dass kirchliche Bildungsarbeit von zentraler Bedeutung sei: "Ohne Bildung geht in der Kirche nichts." Den coronabedingten Stillstand hat man in der Akademie außerdem genutzt, Online-Bildungsformate zu entwickeln und zu lernen, dass die Menschen offenbar auch bereit sind, für solche Formate zu zahlen.

Herr Hahn, die Corona-Pandemie und die einhergehenden Beschränkungen haben den Betrieb der Evangelischen Akademie Tutzing gehörig durcheinandergewirbelt. Das Jahr neigt sich dem Ende zu, können Sie schon ein Resümee ziehen?

Hahn: Die gute Nachricht vorweg: Die Nachfrage nach Bildung wächst. Menschen wollen wissen und verstehen. Gerade Corona zeigt, wie wichtig es ist, sich ein eigenes Urteil bilden zu können. Wirtschaftlich ist 2020 natürlich ein schwieriges Jahr. Von Mitte März bis Mitte Juni mussten wir wegen des Shutdowns komplett zumachen. Erst Mitte Juni ist das Veranstaltungsverbot wieder aufgehoben worden. Danach konnten Präsenzveranstaltungen aufgrund der geltenden Hygiene- und Abstandsregeln aber nur in einem deutlich kleineren Rahmen durchgeführt werden. Jetzt, mit dem seit November geltenden "Lockdown light", haben wir zwar keine staatlich angeordnete Betriebsschließung, doch lassen die rechtlichen Rahmenbedingungen bis Anfang Januar praktisch keine Tagungsarbeit zu.

Kann man den wirtschaftlichen Schaden schon finanziell beziffern?

Hahn: Nein. Die Jahresrechnung 2020 wird erst im Februar vorliegen. Dann wissen wir auch, ob unsere Anträge erfolgreich waren, um Mittel etwa aus dem Rettungsschirm des Freistaats Bayern zur Unterstützung der Erwachsenenbildung zu erhalten. Im Frühjahr haben wir Teile der Mitarbeiterschaft - unter anderem Rezeption, Küche, Hauswirtschaft - in Kurzarbeit schicken müssen. Wir sind dankbar, dass erstmals auch kirchliche Einrichtungen dieses staatliche Instrument der Beschäftigungssicherung nutzen können. Jetzt mussten wir erneut Kurzarbeit beantragen - rückwirkend zum 1. Oktober.

Im Sommer gab es ja eine kurze Zeit zum Durchschnaufen, als die Infektionszahlen sehr niedrig waren. Auch für die Akademie?

Hahn: In den Sommermonaten bieten wir ja seit Jahren "Ferien im Schloss" an. Das ist auch diesmal wieder sehr gut gelaufen. Wir waren ausgebucht, wie eigentlich in jedem Jahr. "Ferien im Schloss" war natürlich ein Lichtblick. Wir haben das Angebot coronabedingt auch ein wenig ausgedehnt - und unser Haus schon ein paar Wochen früher für Urlaubsgäste geöffnet und es dann auch länger offengehalten als sonst, bis Anfang September. In dieser Zeit konnten wir unser Hygienekonzept erproben, das auch für unseren Tagungsbetrieb gilt. Wie Theater, Museen, Kinos, Restaurants und Hotels haben wir Rahmenbedingungen geschaffen, in denen Mitarbeitende wie Gäste entsprechend geschützt sind. Und wie viele andere auch haben wir 2020 genutzt, um unser Bildungsangebot zu erweitern.

Was haben Sie alles Neues entwickelt?

Hahn: Wir haben im Frühjahr mit Online-Veranstaltungen begonnen. Die Idee dazu gab es schon länger, aber uns fehlten die technischen Möglichkeiten sowie das Know-how. Hier sind wir spürbar vorangekommen. Mit unserem "RotundeTalk" - Gespräche mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens - haben wir ein Format eigens für unseren YouTube-Kanal geschaffen. Dort sind auch die meisten unserer Online-Veranstaltungen abrufbar - mit teils beachtlichen Zugriffszahlen. Außerdem haben wir jetzt auch einen monatlichen Podcast, den "Seefunken". Insgesamt haben wir unsere Reichweite durch unsere Online-Angebot deutlich gesteigert.

Sind die Menschen bereit, auch für Online-Tagungen zu bezahlen?

Hahn: Ja. Wir sammeln gerade Erfahrungen, die ermutigend sind. Wenn das Angebot dem Bedürfnis und der Erwartung entspricht, dann sind die Leute wohl bereit, für Online-Bildungsformate zu zahlen. Wie weit diese Bereitschaft geht, das versuchen wir herauszufinden. Das gilt vor allem im Blick auf hybride Veranstaltungen - mit Publikum in der Akademie und Teilnehmenden, die online dabei sind.

Die Evangelische Akademie Tutzing lebt ja von ihrem Schloss, der direkten Lage am Starnberger See und dem Blick auf die Alpen. Haben da Online-Angebote nicht auch ihre Grenzen?

Hahn: Für Online-Gäste ist es kaum möglich, virtuell das Tutzing-Flair zu erzeugen. Aber das ist auch nicht der Grund für die Teilnahme. Menschen interessieren sich für unsere Angebote nicht ausschließlich wegen des schönen Ortes, sondern wegen der Inhalte. Dass wir an einem so privilegierten Ort arbeiten können, rundet das Bildungserlebnis ab. Hier bleibt man gerne ein ganzes Wochenende.

Das heißt, zurück zu Präsenzveranstaltungen?

Hahn: Ich sehe das nicht als Alternative oder gar als Gegeneinander. Wir werden unsere Angebotspalette künftig um reine Online-Veranstaltungen erweitern. Sie bieten die Möglichkeiten - für Referierende wie für Gäste - ortsunabhängig zusammenzukommen. Hybridveranstaltungen sind für uns eine Option.

Ungeachtet aller digitalen Möglichkeiten, der Euphorie und der Ermüdung, die auch schon zu verzeichnen ist - die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wertvoll die persönliche Begegnung ist. Das gilt ganz besonders auch im Bildungsbereich. Menschen lernen und erweitern ihren Horizont auch im persönlichen Austausch: in Veranstaltungspausen, beim Essen, beim Spaziergang im Schlosspark, in den abendlichen Gesprächen in unseren Salons. Dieses informelle Lernen ist in der digitalen Begegnung so nicht möglich.

Alles in allem hat also die Corona-Pandemie auch ihr Gutes - neue Formate wurden entwickelt, Hybrid-Veranstaltungen werden künftig wohl Standard. Und trotzdem - die Einnahmenverluste dürften enorm sein. Haben Sie Angst, dass die Evangelische Akademie Tutzing die Corona-Pandemie nicht überlebt?

Hahn: Nein. Die kirchenleitenden Gremien gehen sehr sorgsam mit ihrer Verantwortung um. So hat die bayerische evangelische Landessynode Mittel bewilligt, um sicherzustellen, dass kirchliche Aktivitäten wie etwa im Bildungsbereich weitergehen können. Und überhaupt: Bildung wird für die Kirche immer wichtiger. In einem Beschluss der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wird so deutlich wie nie zuvor der kirchlichen Bildungsarbeit zentrale Bedeutung bescheinigt. Im Klartext heißt dies: Ohne Bildung geht in der Kirche nichts. Für uns ist das Auftrag und Ansporn.