"Kurven fahren macht am meisten Spaß." Simones Augen strahlen, wenn man sie auf das Motorradfahren anspricht. Doch es ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit, dass die junge Frau auf einem Zweirad mitfahren kann.

Seit Januar 2012 lebt sie im Sozialpsychiatrischen Zentrum (SPZ) in Ebern, das zur Diakonie Bamberg-Forchheim gehört. "Die Mutter hat uns damals kontaktiert und war verzweifelt", berichtet Gabriele Genslein, zuständige Pflegedienstleitung im Haus Pflege des Sozialpsychiatrischen Zentrums.

Die junge Frau hatte zuvor eine niederschmetternde Diagnose erhalten: eine Erkrankung des Kupferstoffwechsels, die vererbt wird und neurologische Schäden verursacht. Die körperlichen Beeinträchtigungen wurden immer schwerwiegender und rissen Simone aus ihrem bisherigen Leben: Gerade hatte sie sich entschieden, ihr Abitur nachzuholen, nachdem sie bereits ihre Ausbildung im kaufmännischen Bereich erfolgreich abgeschlossen hatte. Nachdem sich die Erkrankung verschlimmert hatte, war das nicht mehr möglich.

Sozialpsychiatrische Zentrum bietet Pflege und Familienersatz

Das Team aus Ebern holte die junge Frau nach Unterfranken. Dort plante die Diakonie Bamberg-Forchheim eine Erweiterung zum bestehenden Sozialpsychiatrischen Zentrum: "Viele unserer Klienten und Bewohner kamen in ein Alter, das auch körperliche Pflege notwendig werden ließ. Deshalb ist 2012/13 der Pflegebereich vergrößert worden."

Den Mitarbeitenden im SPZ sei es sehr wichtig, auch in dieser Lebenssituation den Bewohnern einen Ort anbieten zu können, an dem sie sich weiter gut begleitet wissen. "Wir sind hier für viele Bewohner auch Familienersatz", erklärt die Pflegedienstleiterin. Die pflegebedürftigen, psychisch erkrankten Menschen weiterhin versorgen zu können, sei ein großes Anliegen.

Simone ist die Jüngste im Haus Pflege. "Aber mir gefällt es hier", schmunzelt sie. Schließlich ist durch die räumliche Nähe zum Sozialpsychiatrischen Zentrum mit dem Wohnbereich und der Clearing-Stelle auch die Möglichkeit gegeben, jüngere Menschen zu treffen.
Ein wichtiger Baustein der Arbeit im SPZ ist das Eingehen auf die Biografie der Bewohner und Klienten: "Wichtig für die gezielte Förderung und eine fachlich gute Begleitung, aber auch einfach wichtig für die Seele und das Wohlfühlen unserer Bewohner bei uns im Haus", so Gabriele Genslein.

Aktuell hat sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen ein Konzept, das Fragen zur Lebensgeschichte enthält, überarbeitet, um noch besser auf die Bedürfnisse der Bewohner eingehen zu können: "Kennen wir die Interessen und beispielsweise auch frühere Hobbys, können wir gezielter fördern", so die erfahrene Pflegefachkraft. "Einfach nur basteln oder singen – das genügt nicht als Beschäftigungsangebot, um psychisch erkrankten Menschen wieder eine Struktur und Orientierung im Alltag zu geben und sie zu stabilisieren."

Highlights im Alltag

Dass Simone früher selbst Motorrad gefahren ist, hat sie den Mitarbeitenden im SPZ irgendwann einmal erzählt. Dass Berthold Schneider, Haustechniker im SPZ, auch Motorrad fährt, war bekannt. Und so ergab eines das andere. "Als wir Simone das erste Mal geholfen haben, als Sozius hinter Berthold auf dessen Maschine Platz zu nehmen, war ich aufgeregter als sie", lacht Gabriele Genslein.

Die Erkrankung macht den Körper der jungen Frau nicht sehr berechenbar. Aber alles ging gut und das Gespann kam nach einer kleinen Testrunde wieder glücklich im SPZ an. "Es war so schön und Berthold meinte anschließend, er hätte mich ja gar nicht bemerkt", denkt Simone lächelnd an den ersten Ausflug zurück.

Mittlerweile haben die beiden schon einige motorisierte Spritztouren rund um Ebern unternommen. Für Simone sind das Highlights in ihrem Alltag. Auch wenn ihr durch die gesundheitlichen Einschränkungen das Sprechen und Bewegen nicht leichtfällt und sie zig Tabletten pro Tag einnehmen muss: Dieses Stück Freiheit genießt die junge Frau und lässt sie sich auch nicht durch ihre Krankheit nehmen.