Sie träumt von einer Welt, in der jedes "Wir hier!" und "Ihr da!" tabu ist: Die Würzburger Bildungswissenschaftlerin Jennifer Danquah setzt sich bayernweit gegen Alltagsrassismus und Diskriminierung ein. Das tut sie seit vier Jahren mit Vorträgen, Seminaren, Podiumsdiskussionen und auf Twitter. Daneben promoviert sie an der Uni Würzburg. In ihrer Dissertation geht sie der Frage nach, wie der rassismuskritische Ansatz in der Erwachsenenbildung verankert werden kann.

Rassismus komme nicht nur mit körperlicher Gewalt, sondern viel häufiger versteckt und "gar nicht böse gemeint" daher, sagt Danquah.  Das typischste Beispiel sei der überraschende Ausruf: "Na, Sie sprechen aber super Deutsch!" Unzählige Male hat die 26-Jährige diesen Satz schon gehört. Immer wieder gibt er ihr einen Stich: "Er zeigt, dass 'Deutsch' und 'Schwarz' für viele Menschen nicht zusammenpasst." Das heißt: Auch sie selbst passt offensichtlich nicht in dieses Land, in diese Gesellschaft. Dabei ist sie hier geboren: Jennifer Danquah kommt aus München, wuchs dort auf und lebt seit 2015 in Würzburg.

1896 fand die erste "Kolonialausstellung" in Deutschland statt

Auch wenn die Sklaverei längst überwunden ist, lebt das damit verbundene Gedankengut insgeheim fort, sagt die Tochter einer niederbayerischen Mutter und eines ghanaischen Vaters: "Durch das Ende der Sklaverei wurden nicht plötzlich alle gleich." So begannen 1870, fünf Jahre nach dem offiziellen Verbot der Sklaverei in den USA, die Menschenzoos in Europa zu boomen, sagt Danquah: "Man stellte dort die vermeintlich traditionelle Lebensart zur Schau." 1896 fand die erste "Kolonialausstellung" in Deutschland statt. Besucher durften über 100 Bewohner Afrikas sieben Monate lang wie im Zoo bestaunen. Bis 1940 wurden solchen Schauen hierzulande organisiert.

Nur im Rückblick auf die Geschichte kann man verstehen, warum Rassismus nach wie vor gegenwärtig ist, sagt erklärt Danquah. Die Menschen hierüber zum kritischen Nachdenken zu bringen, ist Ziel ihrer Bildungsarbeit: "Wir müssen uns fragen, was wir im Moment eigentlich tun, und wo wir hinwollen." Rassismuskritik hebt der Wissenschaftlerin zufolge nicht darauf ab, Einzelne an den Pranger zu stellen. Im Fokus stehen Haltungen, unreflektiert übernommene Überzeugungen sowie Strukturen und Systeme. Die herrschenden Strukturen befördern laut Danquah Rassismus. Und vieles Negative mehr: "Statt zu einem 'Wir' zu kommen, spaltet sich die Gesellschaft immer weiter auf."

Es braucht viel Wissen und viel Vertrauen zu sich selbst, um als "Schwarze deutsche Frau", wie sich Danquah selbst bezeichnet, rassistische Benachteiligung zu thematisieren. Die 26-Jährige hat diesen Mut wohl auch deshalb, weil sie als Kind erlebte, wie sich ihre Mutter aktiv gegen Rassismus engagierte. Danquah erinnert sich zum Beispiel daran, wie frappiert sie über ein Kapital ihres Erdkundebuchs war: "Da kam das N-Wort für Schwarze vor." Und es wurde beschrieben, was herauskommt, "wenn sich Schwarze und Weiße mischen".

Schwarze deutsche Frau

Ohne Umschweife qualifizierte ihre Mutter diese Beschreibung als rassistisch: "Ich selbst hatte damals noch gar nicht die die richtigen Worte, ich fühlte nur, dass da etwas nicht stimmte." Es sei ihr vorgekommen, als würde die Kreuzung von Tieren beschrieben: "So dass ich mich direkt gefragt habe, ob ich denn eine Art Tier bin." Die Gespräche mit dem Lehrer hätten zu nichts geführt. Zu jener Zeit hatte ihr einzig die Mutter immer wieder die Augen geöffnet. Ein Schlüsselerlebnis mehrere Jahre später war dann die Lektüre von "Deutschland Schwarz Weiß" von Noah Sow. Seither treibt Danquah das Thema "Alltagsrassismus" um.

Jennifer Danquah hat den festen Willen, einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Welt frei von Rassismus wird. Einfach sei das jedoch nicht: "Es kostet sehr viel Zeit und vor allem sehr viel Kraft." So sei eine Menge Energie nötig, um bei Vorträgen und in Workshops immer wieder dieselben Dinge erklären und immer wieder dieselben Fragen beantworten zu müssen: "Warum soll man denn 'Schwarz' sagen?" Und doch: "Es ist gut, dass die Menschen beginnen, Fragen zu stellen", meint Danquah. In ihren eigenen Seminaren seien Fragen inzwischen sehr viel häufiger als Gegenthesen. Das sei ein großer Fortschritt.

Afroamerikaner George Floyd

Gerade dieser Tage versuchen viele, plausibel zu machen, dass etliches, was hierzulande im Alltag selbstverständlich geschieht, ausgrenzend und benachteiligend ist. Der Tod des Afroamerikaners George Floyd in den USA habe da eine Menge ins Rollen gebracht. Das sei grundsätzlich gut, sagt Danquah. Bitter allerdings wäre, wenn die Diskussionen und Kampagnen in wenigen Monaten wieder versanden würden. Das sei wie im Falle von Kindesmisshandlungen: Ploppt ein neuer Fall auf, werden Debatten losgetreten. Dann flaut die Erregung wieder ab: "Und beim nächsten Fall oder dem nächsten Mord fängt man wieder von vorn an."

Es wäre so wichtig, den aktuellen gesellschaftlichen Zerfallsprozess aufzuhalten, findet die Forscherin. Noch viel massiver müsste für die Idee der Gemeinschaft gekämpft werden. Jennifer Danquah hegt die Hoffnung, dass eine rassismuskritische Erwachsenenbildung dazu einen großen Beitrag leisten könnte.