Charlotte Knobloch: In aller Kürze

Charlotte Knobloch kommt 1932 als Charlotte Neuland in München zur Welt. Während des Zweiten Weltkriegs findet sie Unterschlupf in einer katholischen Familie. 1945 kehrt sie mit ihrem Vater nach München zurück. Charlotte Knobloch vertritt die Interessen von Jüdinnen und Juden auf allen Organisationsebenen – von der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern bis zum Jüdischen Weltkongress.

 

Geboren wurde Charlotte Knobloch in eine großbürgerliche Münchner Familie. Als die Eltern sich trennten, gab ihr Vater, ein angesehener Notar, Charlotte in die Obhut ihrer Großmutter Albertine. 1942 musste das kleine Mädchen mitansehen, wie die Großmutter in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurde, in dem sie zwei Jahre später ermordet wurde. Nun vertraute der Vater seine Tochter Charlotte der Hausangestellten eines Verwandten an. Diese mutige junge Frau ging mit Charlotte zurück in ihr Heimatdorf Arberg in Mittelfranken und gab das Kind als ihr eigenes aus.

Charlotte Knobloch überstand den Krieg und die NS-Zeit in einer katholischen fränkischen Bauernfamilie

1951 heiratete Charlotte den Krakauer Juden Samuel Knobloch, mit dem sie zwei Töchter und einen Sohn bekam. Ursprünglich wollte sie mit ihrem Mann in die USA auswandern – denn es sei zunächst eine enorme Belastung gewesen, "weiterhin mit den Menschen zu leben, die uns zuvor gedemütigt und beleidigt hatten". Heute sei sie froh, dass "uns das Schicksal gezwungen hat, unsere Koffer wieder auf den Speicher zu stellen" und "ich das jüdische Leben in Deutschland mitgestalten konnte", sagt sie im Interview.

1985 wurde Charlotte Knobloch Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Einer ihrer wohl größten Erfolge war der Bau des jüdischen Zentrums mit Synagoge, unweit des Münchner Viktualienmarkts. Auf ihr Erreichtes blickt Charlotte Knobloch bescheiden zurück:

Mit dem neuen jüdischen Zentrum haben wir die Hinterhofatmosphäre verlassen, sind an die Öffentlichkeit gegangen und im Bewusstsein der Menschen angekommen. Wir haben damit sicherlich die halbe Strecke des Weges hin zur Normalität zurückgelegt – nur durch diese Gebäude und unsere Präsenz im Zentrum der Stadt.

Charlotte Knobloch

Um das Projekt zu verwirklichen, musste Charlotte Knobloch Widerständen trotzen und Hürden überwinden. Letztendlich machte der Oberbürgermeister – auch dank Charlotte Knoblochs Engagement – das Thema zur Chefsache. Aber der Bau zog noch weitere Kreise als um den Münchner Jakobsplatz. Für alle anderen Bundesländer sei er ein Auslöser gewesen, darüber nachzudenken, was sie für ihre jüdischen Gemeinden tun können, so Knobloch.

Mit ganzer Kraft, voller Überzeugung und diplomatischem Geschick nimmt sich Charlotte Knobloch jeder Sache ihrer Glaubensgeschwister an. Als Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland wurde sie zu einer Frau des öffentlichen Lebens – an der Seite von Politikern und Prominenten. Unermüdlich ging sie gegen Antisemitismus an und forderte vehement ein Verbot der rechtsextremen NPD. 

2021 hielt Charlotte Knobloch eine bedeutende Rede im deutschen Bundestag zum Holocaust-Gedenktag

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schrieb an Knobloch in einem Brief: "Sie geben dem jüdischen Leben in unserem Land Gesicht und Stimme."

Ihre Ämter habe Knobloch immer mit ganzer Kraft ausgefüllt. Sie habe früh erkannt, "dass wir nur durch eine lebendige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zukünftige Generationen befähigen können, aktiv für eine demokratische Gesellschaft einzutreten und entschieden gegen Antisemitismus und jede Form von Intoleranz vorzugehen".

Charlotte Knobloch betont, dass sie immer wieder die Erfahrung macht, dass eben noch keine Normalität herrsche und die Juden noch nicht vollständig in der Gesellschaft angekommen seien. Normalität sei nicht erreicht, wenn sie selbst in ihrem Heimatland Deutschland immer noch als "Mitbürgerin" bezeichnet werde. Und ebenso sei immer noch von jüdischen Schriftstellerinnen oder jüdischen Sportlern die Rede, während niemand auf die Idee käme, etwa von katholischen, protestantischen oder konfessionslosen Sportlern zu sprechen. Freiheit, Ruhe und Frieden wünscht sich Knobloch für die nachfolgenden Generationen.

Keines meiner Enkelkinder, das jetzt zwischen 20 und 30 Jahren alt ist, soll sich jemals dafür verantworten müssen, dass es jüdisch ist.

Charlotte Knobloch

"Rebellinnen": Die Ausstellung über starke Frauen

Dieser Text ist Teil der Wanderausstellung "Rebellinnen". Sie stellt Frauen aus dem deutschsprachigen Raum vor, die für ihre Überzeugungen und Rechte kämpften, die Gesellschaft prägten, sie verändern wollten.

Als Medienpartner von "Rebellinnen" veröffentlicht sonntagsblatt.de Porträts und weiterführende Informationen zu allen Frauen, die in der Ausstellung gezeigt werden.

Sie haben Interesse daran, die Ausstellung zu besuchen oder auszuleihen? Auf ausstellung-leihen.de finden Sie künftige Termine sowie die Online-Buchung.