Am kommenden Sonntag ist in Segringen (Dekanat Dinkelsbühl) Kirchweih. Wir sind die ersten in der Region. Wohl, weil wir eine der ältesten Kirchen haben.

Auf 1164-1220 ist eine Urkunde datiert, die unsere St. Vinzenz Kirche beim Namen nennt. Sicher ist sie einiges älter, denn da wo heute das Pfarrhaus steht, gab es wohl noch einen Vorgänger-Bau. Dicke Wände im Pfarrbüro zeugen davon.

Wir feiern immer am 2. Sonntag nach Ostern Kirchweih, also den Geburtstag unserer Kirche. Doch so etwas wie heuer hat unsere Kirche und unsere Gemeinde wohl noch nie erlebt: Laut staatlicher Anordnung dürfen wir nicht zu einem Gottesdienst einladen. Wir feiern ein Fest, doch die Festgemeinde darf nicht kommen. Wer hätte das Anfang März für möglich gehalten?

Kirchweih ohne Festgemeinde

Für mich als Pfarrer hat sich das berufliche Leben in den letzten Wochen enorm konzentriert: Auf das hin, was ich sowieso am liebsten tue: Gottesdienst halten und Seelsorge üben. 

Jeden Samstag nehmen wir in der Kirche einen Audio-Gottesdienst auf. Wir sprechen einfach auf das Diktiergerät des Mobiltelefons. Wir korrigieren nicht, bearbeiten nicht. Das tun wir ja auch sonst nicht. Die Organistin spielt und begleitet die Lieder. Einige Ehrenamtliche singen mit und lesen. Und ich darf die biblischen Worte auslegen. Der Gottesdienst kann dann im Internet auf unserer Seite gehört und heruntergeladen werden oder wird per Nachrichtendienst verschickt. Die Gemeinde wird immer größer. Viele dankbare Nachrichten erreichen mich. Viele feiern mit: Beim Spaziergang im Wald, im Garten, am Küchentisch, mit Gesangbuch und einer brennenden Kerze.

Und ich telefoniere viel. Rufe Gemeindeglieder an und frage, wie es ihnen geht. Für viele Ältere hat sich das Leben kaum verändert. Sie können in ihren Garten, machen ihre Hausarbeit, nur die Kinder kaufen jetzt eben für sie ein. 

Für andere ist alles anders. Sie waren krank, sind auf dem Weg der Besserung. Manche fühlen sich eingesperrt, haben Angst. Manche haben Sorge um den Arbeitsplatz und um die Zukunft ihres Betriebes. Viele vermissen ihre Liebsten, und viele vermissen ihre Kirche!

Die Meinungen zu der Krise, die wir momentan haben, sind sehr unterschiedlich.

Viele Gemeindeglieder empfinden die Situation bedrohlich. Sie halten die Maßnahmen unserer Regierungen für angemessen. Andere wiederum halten die Absetzung der Menschenrechte für eine gewisse Zeit für völlig überzogen. Auch sie sagen, dass der Virus enorm ansteckend ist. Aber sie fragen: Musste der harte Eingriff sein? Stimmen die Zahlen? Handelt die Kirche richtig?

Ich denke in diesen Tagen an alle Schwachen: Die Kranken, die Sterbenden. "Schwach" sind in diesen Tagen und Wochen sehr viele: Die Kinder, die nicht genau wissen, was geschieht. Sie haben Angst, sie könnten etwas Böses zu Oma und Opa bringen, darum keine Nähe, keine Umarmung. Schwach sind die Depressiven und Suchtkranken, es werden immer mehr.

Schwach sind die Ängstlichen, sie werden immer ängstlicher. Schwach sind die Sterbenden, denen kaum jemand beistehen kann. Schwach sind die Trauernden, die nicht wirklich Abschied nehmen können. Schwach sind die Armen und Hungernden, die Flüchtenden, die Menschen, die in Kriegsgebieten leben. Schwach sind die Arbeiter in Indien und in Bangladesch, die keinen Lohn mehr bekommen und kein Brot zum Essen haben. Schwach fühlen sich sehr viele.

Danke!

Dank an die helfenden Berufe in allen Bereichen. An die Ärzte und Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger. An die Menschen, die in Alten- und Pflegeheimen arbeiten, in Arztpraxen. An alle, die für sich für andere einsetzen. Ich danke als Schulreferent den Lehrkräften, den Schülerinnen und Schülern, den Eltern und den Erzieherinnen und Erziehern.

Am Sonntag ist also Kirchweih. Ich kann mich nicht erinnern, dass es in der Kirchengeschichte einmal nicht möglich war Gottesdienst zu feiern. Ich hatte von Anfang an im März mitgeteilt, dass der Pfarrer jeden Sonntag zur Gottesdienstzeit in der Kirche sein wird, zu Gespräch, Gebet und Segen. Und ich war nie ganz allein: "Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen", sagt Jesus Christus. 

So feiern wir also an diesem Sonntag Kirchweih. Im Gasthaus kann man Essen abholen. Zuhause kann man in der Hausgemeinde Gottesdienst mit der Audiobotschaft feiern. Einige werden in unserer Kirche eine Kerze entzünden, ein Gebet sprechen. Mit Mindestanstand. Achtsamkeit und Liebe waren schon immer hilfreicher als Verbote.

Ich hoffe und bete, dass wir bald wieder zu öffentlichen Gottesdiensten einladen können. Festgottesdienste werden wohl noch länger nicht möglich sein. Eine leere Kirche mit automatisch 1,5 Meter Abstand haben wir in Segringen selten.

Werden wir bald wieder feiern, uns umarmen?

Am Kirchweih Sonntag ist der Hirtensonntag. Wir beten den Psalm 23 vom "Guten Hirten". Und nur Er, Gott, der Urgrund unseres Lebens, kann bewahren und uns heil machen an Leib und Seele.

Wir brauchen den Sonntag, wir brauchen Festzeiten. Der Mensch braucht Fest und Feier, Konzert, Theater und Musik.

Werden wir bald wieder feiern, uns umarmen, uns nahe sein, aus einem Kelch des Heils trinken?

Unser Blick ist momentan auch durch die Medien fixiert auf ein Thema. Wir brauchen aber wieder einen weiten Blick: Auf die Armen, auf die Kriege, auf die Flüchtlinge, auf die an vielen Ursachen Sterbenden, auf die, die gar nichts haben. 

Manche sagen, diese Zeit hat etwas Positives: Wir besinnen uns wieder auf das, was wichtig ist im Leben, wir kommen einander wieder näher. Wir sind wieder näher bei den Grundfragen des Lebens. 

In unseren Gottesdiensten stellen wir uns Sonntag für Sonntag diesen Grundfragen: Wer bin ich? Wo komme ich her? Wo gehe ich hin?
Der Hirtensonntag will sagen: Du bist geliebt. Du bist begleitet von Gott, der wie ein guter Hirte ist. Hab keine Angst.