Der Philosoph und Experte für Technikfolgenabschätzung Karsten Weber von der OTH Regensburg beschäftigt sich mit den Auswirkungen moderner Technik auf Individuen und Gesellschaften. In einer neuen Studie hat sein Team analysiert, wie Nonprofit-Organisationen bislang Künstliche Intelligenz nutzen. Im Podcast Ethik Digital spricht er über die Studienergebnisse und erläutert, welche Schritte jetzt nötig sind, um die Einrichtungen mitzunehmen.

Was haben Sie in der Studie untersucht?

Karsten Weber: In der Studie "Künstliche Intelligenz für Nichtregierungsorganisationen" (KINiro) haben wir untersucht, wie Nichtregierungsorganisationen und Nonprofit-Organisationen Künstliche Intelligenz seit 2023 einsetzen. Dazu gab es eine Förderlinie zu KI und gemeinwohlorientierte Organisationen. 

In der Studie haben wir geschaut, wie die Realität in den Nichtregierungsorganisationen aussieht. Wir mussten dabei feststellen, dass Nichtregierungsorganisationen zumindest in der wissenschaftlichen Literatur noch nicht ausführlich diskutiert werden. Und wir haben dann eben mit verschiedenen Methoden, mit Interviews, mit einer Umfrage und dann noch mal mit Interviews geschaut, wie es in den NGOs in Deutschland mit der KI Nutzung tatsächlich schon ausschaut.

Wie intensiv wird Künstliche Intelligenz von NGOs und NPOs genutzt?

Viele und viele NGOs nutzen KI testweise, meistens häufig auf Initiative einzelner Leute. Oft prescht jemand vor und dann gehen alle mit. Selten geht der Impuls aber in der NGO von einer Stabsstelle aus. Die kleineren Organisationen sind oft aufgrund ihrer Ressourcenbeschränkungen nicht so weit. 

Bei den Anwendungen wird meistens nur das genutzt, was kostenfrei erhältlich ist. Also ChatGPT, jetzt ist es auch der Copilot bei Microsoft oder Gemini bei Google.  Die meisten NGOs haben nur begrenzte finanzielle Ressourcen und nutzen also das, was für sie vermeintlich günstig verfügbar ist, aber nicht unbedingt so, dass sie selbst einen Server aufstellen, das Modell lokal laufen lassen, um damit auch eine gewisse Datensouveränität zu haben. Das können viele NGOs einfach nicht selber leisten.

Wie könnten wir Künstliche Intelligenz in NGOs fördern?

Es gibt das "Civic Data Lab", das auch vom Bundesministerium für Familie gefördert wird. Dieses Lab will kleine Unternehmen und gemeinwohlorientierte Einrichtungen unterstützen und coachen. Außerdem sollen über diese Einrichtung Konzepte entwickelt werden, wie datenintensive Anwendungen in die Gemeinwohlarbeit hineingebracht werden können. 

Wir müssen das Problem der Ressourcen in NGOs angehen. Vielleicht könnten fertige Pakete angelegt werden, die leicht auf einem Server installiert werden können, denn die NGOs haben in der Regel nicht so viel Sachverstand, um komplexe Anwendungen zu installieren oder selbst zu betreiben. 

Dann müssen wir das Thema Transparenz im Hinblick auf die Nutzung der Daten angehen. Woher bekomme ich Datenbestände, wer hat diese erzeugt, wozu sind sie nutzbar? Welche Lizenzen benötige ich dafür? Wir müssen klären, wie wir mit der kommerziellen und nichtkommerziellen Nutzung von Daten umgehen. 

Was erhoffen Sie sich von der neuen Bundesregierung?

Durch den Regierungswechsel ist gerade bei den NGOs eine gewisse Unsicherheit da. Sie fragen sich, wie es mit der Förderung weitergeht, welche Schwerpunkte die Ministerien in Zukunft setzen. Es wäre wichtig, dass relativ schnell klar wird, wohin die Reise geht und wohin sich die Nichtregierungsorganisationen orientieren müssen, was in Zukunft gewünscht wird von Seiten der Politik. 

Es gibt viele Unterstützungsleistungen - auf kommunaler Ebene, auf Landesebene, auf Bundesebene, auf EU-Ebene. Allein darüber die Übersicht zu behalten ist für kleine NGOs nicht einfach. Hier wäre ein zentralisierter Informationspool eine gute Idee. Wir haben selbst im Vorfeld unseres Projekts relativ große Hürden überwinden müssen, um herauszufinden, wen wir überhaupt zum Thema KI und Nonprofit ansprechen können. 

Es wäre gut, wenn wir eine Organisation oder Person benennen, die längerfristig für das Thema KI und Nonprofit verantwortlich ist. Denn das Potenzial für das Gemeinwohl ist enorm.

Allerdings gibt es auch viele Befürchtungen, denn bei KI kann man auch eine ganze Menge falsch machen, gerade wenn es um den Umgang mit personenbezogenen Daten geht. Meist haben wir bei NGOs ein Tätigkeitsfeld, dass viel stärker menschenzentriert ist. Das heißt, es muss jemanden geben, der den Hut aufhat und die vielen Facetten des sinnvollen und verantwortungsvollen Einsatzes dieser Technologie auch im Auge hat, um erstens Mehrwert zu schaffen, aber gleichzeitig nicht die Reputation dieser NGO zu gefährden.

 

Das Gespräch wurde auf der re:publica 2025 in Berlin aufgezeichnet und wurde für diesen Artikel redigiert. 

Studie: Künstliche Intelligenz für Nichtregierungsorganisationen (KINiro) - Bedarf, Akzeptanz und Umsetzungsmöglichkeiten

Die Studie wurde gefördert vom Bundesministerium für Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Förderprogramm: Förderung von Künstlicher Intelligenz für das Gemeinwohl. 

Ziele der Studie war es:

  1. die Bedarfe, Erwartungen, aber auch Bedenken aufseiten von NROs in Bezug auf die Nutzung von KI-Systemen in ihrem jeweiligen Tätigkeitsfeld zu erheben.
  2. Zu untersuchen, ob im Grundsatz Akzeptanz vorliegt oder ob NROs dem Einsatz von KI eher abgeneigt gegenüberstehen. Die Gründe für (Nicht‑)Akzeptanz sollen erhoben werden.
  3. Zuletzt sollen die Möglichkeiten und Voraussetzungen der Umsetzung eines KI-Einsatzes für NROs eruiert werden (vorhandenes Wissen, Personal, finanzielle und andere (materielle) Ressourcen etc.).

Link zur Studie

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