Der wachsenden Wohnungsnot in München wollen die Parteien und Sozialverbände mit unterschiedlichen Konzepten begegnen. "Wir brauchen eine gerechtere Bodenpolitik", forderte Julia Sterzer von der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Ein nicht vermehrbares Gut, das zur Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse gebraucht werde, dürfe nicht Marktgesetzen unterliegen, sagte sie in München bei einem Fachgespräch zum Thema Wohnen, zu dem die sechs großen Wohlfahrtsverbände unter Federführung der Inneren Mission anlässlich der bevorstehenden Kommunalwahl eingeladen hatten.

Seit 2010 ist die Landeshauptstadt um 190.000 Menschen gewachsen, laut aktuellen Prognosen steigt die Zahl bis zum Jahr 2040 um weitere 350.000 auf dann 1,85 Millionen Einwohner. Aktuell haben etwa 10.000 Menschen keine Wohnung, darunter 1.700 Kinder und Jugendliche. Sie leben in Unterkünften und Pensionen für Wohnungslose. Von den rund 85.000 Wohnungen - darunter 43.000 Sozialwohnungen -, über die die Stadt verfügt, werden jährlich etwa 3.000 neu vergeben. Dem standen im Jahr 2018 beim Wohnungsamt rund 30.000 Anträge auf eine geförderte Wohnung gegenüber. Auf der Straße leben derzeit geschätzt 1.000 Obdachlose. Sterzer verwies darauf, dass sich insbesondere die Zahl der wohnungslosen Haushalte ab sechs Personen seit 2014 fast verdoppelt habe.

OB-Kandidatin der CSU setzt auf geringere Baukosten beim Wohnungsneubau

Die OB-Kandidatin der CSU und derzeitige städtische Kommunalreferentin, Kristina Frank, setzt vor allem auf geringere Baukosten beim Wohnungsneubau und auf den Bau von Werkswohnungen durch Unternehmen. Baukosten sollten gesenkt werden, indem die Bürokratie bei Baugenehmigungen verschlankt werde und es mehr steuerliche Anreize gebe, sagte sie. Um weitere Flächen zu erschließen, müssten etwa Parkplätze, Wertstoffhöfe oder Verkehrsschneisen überbaut werden. Dabei müssten die Bürger intensiv an der Planung beteiligt werden.

Von der Wirtschaft will Frank den Bau von Werkswohnungen einfordern. Unternehmen fehlten Fachkräfte, also müssten sie helfen, diese unterzubringen, sagte sie. Jährlich müssten in München weiterhin mindestens 8.000 Wohnungen gebaut werden: "Wir dürfen keinesfalls unter diese Marke rutschen."

Dem wohnungspolitischen Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion, Christian Müller, zufolge sollen deutlich mehr "Flexi-Heime" entstehen. Diese Gebäude, die früher oft anderen Zwecken dienten - etwa als Bürohochhäuser -, bieten nach dem Umbau Kleinwohnungen für den Übergang. In jedem Stadtbezirk müsse mindestens ein weiteres Flexi-Heim entstehen, um in den kommenden zehn Jahren bis zu 6.000 Wohnungslose unterzubringen.

Grünen-Stadträtin Koller will Zusammenarbeit mit den Kirchen erhöhen

Grünen-Stadträtin Jutta Koller schlug vor, die Wohnungstauschbörse zu intensivieren. Älteren Menschen, denen die eigene Wohnung zu groß geworden ist und die umziehen wollten, müsse dabei geholfen werden. Zudem forderte sie, die Zusammenarbeit mit dem Umland sowie mit den Kirchen zu erhöhen: "Die Kirche hat viel Grund, warum kann man da nicht was abknapsen, um bezahlbare Wohnungen zu bauen?", fragte sie.

Sterzer kritisierte, dass aufgrund der hohen Mieten zurzeit Familien regelrecht "aus der Stadt getrieben" würden, ebenso wie Pfleger, Polizisten oder Gastronomie-Beschäftigte. Sie plädierte für die umstrittenen städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen, mithilfe derer die Stadt etwa auf Ackerflächen im Norden neues Bauland für geförderte Wohnungen erschließen will. Thomas Ballweg von der Caritas forderte, die Stadt müsse ein neues Programm zur Anmietung von Wohnungen auf dem freien Markt auflegen und die Sofortunterbringung für Wohnungslose ausbauen: "Das System ist an der Grenze."