Funktionalität und Design im Einklang: Das zeichnet den Stil des Bauhauses aus, dessen Gründung sich 2019 zum 100. Mal jährt. 1919 begründete Walter Gropius (1883-1969) das Staatliche Bauhaus als Experimentierstätte für ganzheitliches Design in Weimar und schuf damit die Grundlagen der modernen Architektur und des Designs.

Kaum einer weiß, dass sich in Nordostbayern imposante Werke des legendären Bauhausbegründers befinden. In Amberg entwarf der Architekt für das Unternehmen Rosenthal die "Glaskathedrale", in Selb die "Rosenthal Porzellanfabrik" und das Teeservice "TAC" und für die Stadt einen Stadtentwicklungsplan. "So ist diese Region diejenige in Bayern, in der das Bauhaus durch das Erbe von Walter Gropius ein Designverständnis begründete, welches bis heute die Menschen prägt und begeistert", sagt Wilhelm Siemen, Direktor des Porzellanikons.

Sein Museum mit beiden Standorten Selb und Hohenberg an der Eger geht vom 9. März  bis 6. Oktober 2019 der Frage nach, wie sich die Bauhaus-Grundidee in der Tischkultur niederschlug. Einen Schwerpunkt der Ausstellung "Reine Formsache" bildet die Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Sie ist neben dem Bauhaus die einflussreichste deutsche Kunsthochschule auf dem Gebiet der Keramik- und Porzellanausbildung. Bis heute brachte sie eine Vielzahl renommierter Porzellan-Designerinnen und -Designer hervor.

Zeitgemäße Design-Lösungen

Während der Ausstellungsteil in Hohenberg an der Eger herausragende Porzellanentwürfe von 1915 bis heute zeigt, widmet sich der Ausstellungsstandort in Selb aktuellen, höchst experimentellen Porzellanvisionen junger angehender Designer an der Burg Giebichenstein.

Die inhaltliche wie räumliche Nähe der Burg Giebichenstein zum Bauhaus und der rege Austausch zwischen beiden Schulen prägt die Kunsthochschule in Halle noch heute. Diese brachte eine Vielzahl an Porzellandesignern hervor, die sich zwar von den Bauhaus-Ideen inspirieren ließen, aber dennoch völlig eigene zeitgemäße Design-Lösungen entwickelten. Die "reine Formsache" als Haltung und Botschaft strahlte aus über Generationen von Lehrenden, überdauerte die Zeit des Nationalsozialismus, legte den Grundstein für ein modernes DDR-Design und spiegelt sich bis heute in den Entwürfen der Absolventen.

Dem Blick in die Geschichte steht in der Ausstellung in Selb das "DesignLab" gegenüber. Hier beschäftigt sich die Ausstellung mit dem Spannungsfeld zwischen Handwerk und Industrie. Ebenso machen die Besucher mit digitalen Verfahren und neuen Materialkombinationen Bekanntschaft. 450 Ausstellungsobjekte, darunter neueste Formen, Ideen, Anwendungsgebiete und experimentelle Neukombinationen, geben Einblicke in das kreative Schaffen der Porzellanvisionäre. Die Ausstellungsobjekte zeigen den radikalen Wandel der Porzellanindustrie in Europa, aber auch die enormen Veränderungen unserer Ernährungs- und Gebrauchsgewohnheiten.

Das Rosenthal-Gebäude am Rothbühl
Schnörkellose Architektur: das Rosenthal-Gebäude am Rothbühl.

An eine ungewöhnliche Freundschaft erinnert eine weitere opulente Präsentation in Selb. 1963, viele Jahre nach Schließung des Bauhauses, erreichte den Bauhaus-Gründer eine Anfrage von Philip Rosenthal, Sohn des Firmengründers und visionärer Vorstandsvorsitzender des weltbekannten Porzellanherstellers: der Auftrag zum Bau des neuen Produktionswerks Rosenthal am Rothbühl in Selb. Im Jubiläumsjahr nähert sich Rosenthal dem Schaffen Walter Gropius’ von zwei Seiten.

Die Ausstellung "Radikal zeitgemäß" im ehemaligen Bürogebäudekomplex des Rosenthal Werks in Selb zeigt die visionären Denkansätze des Gestalters, Architekten und Menschen Walter Gropius, sein Wirken für Rosenthal und seine Strahlkraft bis heute. Im zweiten Teil der Ausstellung verdeutlichen einzigartige Produktentwicklungen international bekannter Designer sowie bis nach China reichende Hochschulprojekte den großen Einfluss der Bauhaus-Bewegung auf das Design der Moderne. Für ein außergewöhnlich emotionales Erlebnis sorgt ein Virtual Reality Projekt, das einen interaktiven Rundgang durch das Innere des 1967 eröffneten und heute unter Denkmalschutz stehenden Werks Rosenthal am Rothbühl ermöglicht. Die Ausstellung öffnet erstmals zur Kunstnacht in Selb am 6. April.