Der Titel klingt alles andere als revolutionär: »Töchterschule mit Koch- und Haushaltsschule«. So hatten die evangelischen Bürgerinnen und Bürger Nördlingens das Lehrinstitut mit angegliedertem Mädchenpensionat bezeichnet, das sie 1913 gründeten. Es sollte jungen Frauen eine Ausbildung in Haushaltung und Hauswirtschaft ermöglichen.
Was aus heutiger Sicht fast ein wenig altbacken klingt, war damals durchaus gewagt. »Frauen mussten zu dieser Zeit hart um einen Zugang zur Bildung kämpfen«, erläutert Bruno Schneider, der die heutige Liselotte Nold Schule leitet: »Sie waren nicht einmal rechtsfähig.« Um den Verein für die Schulgründung aus der Taufe zu heben, mussten sich die Gründerinnen daher zwangsläufig männliche Hilfe holen.
Längst mehr als Hauswirtschaft
Das Projekt war erfolgreich - und ist es bis heute. Aus der Töchteranstalt ist eine moderne Bildungseinrichtung geworden. »Ein kleines Berufsfachschulzentrum«, sagt Schulleiter Schneider stolz. Am ersten Adventswochenende feiert das Zentrum sein 100-jähriges Bestehen - mit Festgottesdienst, Tag der offenen Tür und einem Treffen ehemaliger Schüler und Lehrer.
Sie alle haben miterlebt, wie sich die Nold-Schule im Laufe der Jahre gewandelt hat. Längst wird dort mehr als Hauswirtschaft gelehrt: Fünf Ausbildungszweige gibt es in Nördlingen. Neben der Hauswirtschaft, die jetzt »Ernährung und Versorgung« heißt, können sich junge Menschen in Kinderpflege, Altenpflege, als Altenhelferin oder Ergotherapeutin ausbilden lassen.
In einem Fort- und Weiterbildungszentrum werden Pflegerinnen und Pfleger in Gerontopsychiatrie oder als Stations- und Pflegedienstleiter geschult. Insgesamt unterrichten in dem Jugendstilbau unweit des Nördlinger Bahnhofs fast 60 Lehrkräfte gut 250 Schülerinnen und Schüler.
Die Bildungseinrichtung weist dabei eine Besonderheit auf: Sie ist die einzige evangelische Schule Bayerns, die sich in Trägerschaft einer Kirchengemeinde befindet. Ursprünglich hatten Diakonissen aus Neuendettelsau für die Ausbildung der Mädchen gesorgt. Das blieb - mit Ausnahme der Zeit des Nazionalsozialismus - bis 1964 so. Dann übernahm die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde in Nördlingen die Verantwortung für die berufsbildenden Schulen.
Daran hat sich bis heute nichts geändert - außer der Name: 1983 wurde das Schulzentrum nach Liselotte Nold benannt (Kasten). Unter der Regie der Nördlinger Kirchengemeinde wuchs die Schule stetig: Altenpflege, Weiterbildungsinstitut und Ergotherapie kamen hinzu. Das historische Jugendstilgebäude wurde saniert. Zuletzt entstand dort, wo einst das Internat der Schule war, ein Neubau: das »Haus der Bildung«.
Einweihung beim Jubiläumsfest
Regionalbischof Michael Grabow wird es am Tag der Jubiläumsfestlichkeiten einweihen. Ins Untergeschoss zieht dann die Ergotherapie der Schule ein, ins Erdgeschoss ein Montessori-Kinderhaus. Darüber richtet die Rummelsberger Jugendhilfe ein Mutter-Kind-Projekt ein. Mädchen, die ungewollt schwanger werden und keine Anlaufstelle haben, werden dort aufgenommen. Ein Projekt, das zur Tradition der Liselotte Nold Schule passt, meint Schulleiter Schneider: »Denn darin zeigt sich unmittelbares diakonisches Handeln.«