Ob gemeinsames Singen, Musizieren, Tanzen oder einfach nur ein wenig Plaudern: Auch in der heutigen Zeit ist der Wunsch nach ein wenig Geselligkeit groß – vor allem in den oft tristen Wintertagen. Kein Wunder also, dass sich der Landkreis Bayreuth dazu entschlossen hat, die alte Tradition der "Rocknstubn" wieder aufleben zu lassen. So trifft man sich heute in einer Gastwirtschaft, lauscht den Klängen von verschiedenen Instrumental- und Vokalgruppen aus der Region und lässt sich in Geschichten und Gedichten mit hineinnehmen in die "Rocknstubn" des früheren dörflichen Lebens.

"Wenn man sich für Kultur verantwortlich fühlt, dann sind es alte Bräuche in jedem Fall wert, dass sie nicht vergessen werden", ist Rüdiger Bauriedel, Kreisheimatpfleger im Landkreis Bayreuth, überzeugt. "Hier kommen Menschen zusammen, die das gemeinschaftliche Zusammensein schätzen und die sich oft genug erinnert fühlen an Erzählungen ihrer Großeltern."

Hinweise dazu schon in der Bibel zu finden

Die Bezeichnung "Rocken" oder "Rockn" geht zurück auf den versponnenen und gewebten Flachs, aus dem schließlich der "Rock" geschneidert wurde. Später übertrug sich der Begriff "Rocken" vom geschneiderten Rock auf den oben auf das Spinnrad aufgesteckten Flachsbüschel, der in einen dünnen gleichmäßigen Faden zu verspinnen war. Dieser Flachsbüschel wurde "Spinnrocken" oder kurz "Rockn" genannt. Und so trug der Ort der gesellschaftlichen Zusammenkünfte, an denen die Mädchen "beim Rocken" saßen, folgerichtig den Namen "Rocken- oder Rocknstubn".

 In anderen Gegenden außerhalb Frankens finden sich auch die Bezeichnungen "Spinnstube", "Lichtstube", "Hutzenstube", "Kunkelstube", "Rähstube" oder "Heimgarten". Das Brauchtum der "Rocknstubn" ist frühestens vom Nürnberger Meistersinger, Sprachdichter und Dramatiker Hans Sachs bezeugt, auch wenn sich interessante Hinweise dazu schon in der Bibel finden. So heißt es im 31. Kapitel der Sprüche Salomos: "Sie streckt ihre Hand nach dem Rocken und ihre Finger fassen die Spindel."

Hefeklöße und Liebeleien

Die Zeit der "Rocknstubn" begann im Allgemeinen nach Martini, manchmal auch schon an Allerheiligen oder am Michaelistag. Ausgenommen waren die zwölf Raunächte zwischen Weihnachten und dem Dreikönigsfest sowie die Adventszeit, denn "im Advent hängt mer die Geign on die Wänd". Ähnlich wie heute spielte auch früher die Geselligkeit eine wesentliche Rolle, denn die "Rocknstubn" war eine willkommene Zusammenkunft der Dorfjugend.

Doch das Eigentliche war zunächst einmal die Arbeit. Die Mädchen nähten, strickten und spannen, denn sie mussten ja fertig werden bis zum Advent. Es soll sogar den Spruch gegeben haben: "Wer net tanzen und spinna ko, kriegt gewiss zeitlems kan Mo." Natürlich wurde dabei auch viel gesungen, erzählt und die neuesten Dorfneuigkeiten ausgeplaudert. Nach getaner Arbeit, meist so gegen 21 Uhr, kamen die Burschen zu Besuch und im Nu verstummten die Spinnräder. Man schob die Stühle und Tische zusammen, sang zum Spiel der Mundharmonika und tanzte. Die Bäuerin bewirtete die Gäste mit Kaffee und Hefeklößen. Dabei blieben jedoch Eifersüchteleien, Liebesaffären, Streit und Raufereien nicht aus, was der Obrigkeit und der Geistlichkeit stets ein Dorn im Auge war. Mancherlei Verbote blieben aber ohne spürbare Wirkung, und in einigen Rocknstubn soll auch ein Pfarrer gesehen worden sein.

Radio und Fernsehen setzen der Tradition ein Ende

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, spätestens aber zu Beginn des Zweiten Weltkriegs war es mit der Tradition der "Rocknstubn" erst einmal vorbei. Die Gründe hierfür liegen laut Kreisheimatpfleger Rüdiger Bauriedel nicht in erster Linie in bischöflichen und markgräflichen Verboten – wie oft vermutet –, sondern vielmehr im allmählichen Vormarsch der neuen Unterhaltungsmedien Radio und Fernsehen sowie im Siegeszug der Baumwolle. Erst im Zuge der Brauchtumspflege in den 1950er-Jahren wurde die Tradition der "Rocknstubn" durch Trachten- sowie Obst- und Gartenbauvereine, kirchliche und private Kreise, Kreisheimatpfleger oder durch andere Institutionen wiederbelebt.

Noch weit vor der ersten "Rocknstubn" im Landkreis Bayreuth im Jahr 2000 gab es unter der Federführung von Hans Bauriedel, Vater des jetzigen Kreisheimatpflegers, sogenannte Kreismusikfeste, die mit Gesangvereinen und Musikkapellen in Turnhallen gefeiert wurden. Doch so schön diese Musikfeste auch waren, wurde bald der Wunsch nach einem kleineren, besinnlicheren Rahmen laut; im Pottensteiner Rathaus wurde 2000 die erste "Rocknstubn" im Landkreis Bayreuth abgehalten. Der Erfolg und die Resonanz waren so groß, dass inzwischen 19 Veranstaltungen – meist in Gasthäusern – gefeiert wurden: mit Musik, Gesang und Tanz, besinnlichen, aber auch lustigen Erzählungen und Anekdoten und natürlich mit jeder Menge Erinnerung an die Rocknstubn der Dorfjugend von damals.