Rund 20 Vertreter aus Helferkreisen in Bayern haben sich zwei Tage lang über die brennendsten Probleme ihrer anspruchsvollen Arbeit ausgetauscht. »Das Selbstverständnis des Ehrenamts zwischen Integrationsarbeit und Abschiebepraxis« hieß das Seminar im Evangelischen Bildungs- und Tagungszentrum Alexandersbad. Dabei berichteten auch je ein Vertreter einer kommunalen Ausländerbehörde und ein Entscheider des BAMF aus ihrer Sicht durchaus kritisch über den Umgang mit Ministerialvorgaben und Menschenschicksalen in ihrer täglichen Arbeit.
Die Arbeit von ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern hat sich seit dem Herbst 2015 stark gewandelt. Standen zu Beginn schnelle Basishilfe wie Kleiderkammer oder selbstorganisierte Deutschkurse im Vordergrund, ist inzwischen eine Art Routine im Alltag entstanden. Große Probleme bereiten dabei jedoch zum einen die häufig immer noch erlebte ablehnende oder herablassende Haltung vieler Hauptamtlicher aus Verwaltung und Sozialarbeit, zum anderen die in Bayern derzeit praktizierte Abschiebepraxis aus den neu geschaffenen Zentralen Ausländerbehörden (ZAB).
Integrationsarbeit, so die einhellige Meinung, wird an der Basis geleistet. Wenn durch intensive Betreuung Bindungen zu Menschen entstehen, die sich um die deutsche Sprache, um Ausbildung und Arbeit bemühen und engagiert daran arbeiten, in Deutschland anzukommen, dann ist das zu einem großen Teil den Ehrenamtlichen zu verdanken, die von Anfang an dabei sind.
Politisch gewollte Abschiebungen
Aus der Sicht der erfahrenen Helfer wird diese Integrationsarbeit derzeit in vielen Fällen nicht nachvollziehbar zunichte gemacht, wenn beispielsweise junge Afghanen nach formalen Kriterien aus Ausbildungsverträgen herausgerissen und in ein Land abgeschoben werden, für das das Auswärtige Amt seit September 2016 eine offizielle Reisewarnung – gleichwertig zu Staaten wie Syrien, Somalia oder Jemen – erlassen hat. Abschiebungen dürften nicht rein politisch gewollt sein, wie es im Fall Afghanistan derzeit aussehe.
Dasselbe gelte für plötzlich nicht mehr erteilte Arbeitserlaubnisse, die junge Menschen von heute auf morgen zum Nichtstun zwinge. Die Zentralisierung der Verwaltung in den neuen ZAB verstärkt diesen Eindruck nach der Erfahrung vieler Asylhelfer noch. Auch das Verhalten mancher Verwaltungsleute schreckt inzwischen zunehmend Helfer ab, die nicht als kostenlose Behördendeutsch-Übersetzer oder gar »Laufburschen« missbraucht werden möchten. Ziel könnte eine Kooperationskultur sein, in der beide Seiten sich auf Augenhöhe begegnen und ihre jeweiligen Stärken, Verpflichtungen und Ressourcen ohne Missverständnisse zusammenbringen können.
Das Seminar bildete den Abschluss der aktuellen fünfteiligen Reihe »Interkulturelle Kompetenz in Theorie und Praxis« unter der Leitung von Susanne Hassen. Alle Seminare wurden gefördert durch das Projekt »Wir schaffen Herberge« der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Die Reihe soll im EBZ-Programm 2017/18 fortgesetzt werden.