Mit beiden Projekten beschreitet die evangelische Fachoberschule "Friedrich Oberlin" Neuland. Die Gesundheitsschiene ist erst seit einem Jahr als Schulzweig an Fachoberschulen zugelassen. Schulleiterin Friederike Lenssen ist damit gern vorn dabei: "Ob Reha, Prävention, Verwaltung, Ernährung, Pflege oder medizinische Behandlung: Zehn Prozent aller Ausbildungsplätze und Studienrichtungen finden sich im Gesundheitsbereich." Und weil Gesundheitsthemen für jeden relevant seien, bringe die neue FOS-Schiene den Schülern auch persönlich etwas.

Das sahen offensichtlich auch die Jugendlichen so: Das Interesse war so groß, dass Lenssen und ihre Stellvertreterin Sylvia Berger zwei Infoabende anbieten mussten und die 30 Plätze für die erste Gesundheitsklasse schnell weg waren. Schon in der letzten Ferienwoche geht es für die überwiegend weiblichen Schüler mit einem Pflege-Vorkurs inklusive Erster Hilfe los. Pflege ist auch ein Schwerpunkt in der 11. Klasse: "Ein Praktikumsplatz im Pflegebereich ist für alle fix", sagt Lenssen.

Eingang zur Friedrich Oberlin FOS
350 Schülerinnen und Schüler besuchen die Friedrich-Oberlin-FOS in München-Pasing.

Die Praktika für das zweite Halbjahr kommen aus Bereichen wie Arztpraxis, Sanitätshaus, Therapiezentrum oder Krankenhaus. Alle zwei Wochen wechseln sich Praxis und Schulunterricht ab. Auch im Klassenzimmer wird es nicht langweilig: Die fachpraktische Vertiefung führt in die Niederungen der Zellforschung.

Und auch die zwischenmenschliche Ebene kommt nicht zu kurz. Wie spreche ich mit jemandem, der eine lebensbedrohliche Diagnose oder eine Todesnachricht erhalten hat? Worum geht es bei der interkulturellen Verständigung? "Die Breite der Ausbildung macht viele Möglichkeiten auf", sagt Sylvia Berger zufrieden.

iPad im Klassenzimmer

Obendrein wird für die 30 Schülerinnen und Schüler der Gesundheitsklasse das iPad zentrales Lehrmittel sein. "An der Uni wird heute nur noch digital gearbeitet", sagt Sylvia Berger. Sie geht davon aus, dass sich Jugendliche ab 17 – so alt sind die FOS-Schüler – besser disziplinieren können und ihr Gerät im Unterricht tatsächlich zum Arbeiten benutzen.
 

Mathelehrer André Schnell leitet das iPad-Projekt
Mathelehrer André Schnell ist Herr der iPads: Alle zwei Wochen bringt er die Lehrkräfte der Digital-Klasse auf den neuesten Stand.

Zwei Grundsatz-Entscheidungen musste die Friedrich-Oberlin-Schule treffen: Welche Geräte werden verwendet? Und wer bezahlt sie? Trotz mancher Bedenken gegen den Apple-Konzern habe man sich für iPads entschieden, weil sie weniger störanfällig seien, sagt Schulleiterin Lenssen. Gekauft werden die Geräte von den Eltern der Schüler, auch per Ratenzahlung. Damit sich Unterrichtsmaterial nicht über mehrere Laptops verstreut, habe die Schule Parallelstrukturen von privaten und schulischen Geräten vermeiden wollen.

Herr der iPads ist an der Friedrich-Oberlin-Schule André Schnell. Der Mathelehrer freut sich auf die zahlreichen Möglichkeiten: "Man kann viel modularer arbeiten, bei Teamarbeiten einzelne Folien synchronisieren, die Hausaufgaben abfotografieren, an die Wand beamen und direkt korrigieren", schwärmt der 30-Jährige.

Film statt Tafel: Mit dem iPad in die Zukunft

Mit dem iPad könne man Sehgewohnheiten der Schüler entgegenkommen, erklärt Schnell und zeigt ein Mini-Filmchen: Ein Mann lässt einen Tennisball springen. Im Nu legt das Programm die farbig markierte Flugbahn dahinter und überträgt das Ganze als Kurvendiskussion ins Rechenprogramm.

Doch nicht nur Schnell, auch Lenssen und Berger – beide fast doppelt so alt – sind begeistert. "Wenn ich ein Experiment mache, rufen immer alle: Noch mal!", sagt Lenssen. Künftig kann die Chemielehrerin ihre Versuche filmen und die Reaktion dann in Zeitlupe zeigen. Kunstlehrerin Berger wiederum sieht das hohe Kreativitätspotenzial der neuen Technik: "Ich kann auf einem Bild Blickrichtungen markieren und vieles mehr", sagt sie. Fünf Lehrkräfte gehören zum Pionierteam der Digitalklasse, alle zwei Wochen bringt ihr Mentor André Schnell sie auf den neuesten Stand.

Wenn das iPad-Fieber noch mehr Kollegen packt, könnte auch der Wirtschaftszweig künftig als iPad-Klasse laufen. Friederike Lenssen selbst kann es jedenfalls kaum erwarten: "Bei mir zu Hause stehen ordnerweise Folien im Schrank – das ist gruselig." Mehr Platz in der Wohnung: Auch das kann ein Vorteil der Digitalisierung sein.