Viel geschlafen hat Patrick T. Schäfer in den vergangenen Tagen und Wochen nicht. Dafür war er einfach zu sehr mit seinem Werk beschäftigt. "Ich kann gar nicht mehr zählen, wie viele Stunden ich schon über das Stück nachgedacht habe", sagt der 24-Jährige. Auch jetzt, kurz vor der Aufführung, arbeite er oft noch bis spät in der Nacht daran.
Da wird der Name des Werks buchstäblich Programm: "Letzte Nacht" heißt die "Friedensoper", die der junge Komponist eigens zur Feier des Reformationsjubiläums in Augsburg geschrieben hat. In Auftrag gegeben hat das Werk die Kirchengemeinde St. Anna. "Wir wollten zum Lutherjahr nichts Althergebrachtes aufführen, sondern etwas Neues anbieten – und damit auch eine Diskussion anregen", sagt Anna-Kantor Michael Nonnenmacher. Bewusst habe man sich daher für ein ganz neues Stück eines jungen Komponisten mit einem jungen Team entschieden.
Mit Schäfer hat die Kirchengemeinde dabei schon einmal gute Erfahrungen gemacht. Im Jahr 2013 schrieb der damals 20-jährige Augsburger eine Kantate zum Friedensfest. Da hatte er gerade sein Kompositionsstudium in München begonnen. Jetzt steht er kurz vor dem Bachelorabschluss – und vor der Premiere seines ersten großen Bühnenwerks. Gut zwei Jahre hat er daran gearbeitet: "So lange und so intensiv wie noch nie zuvor an einem Musikstück", sagt er.
Komponist wollte er schon als Kind werden
Dass Schäfer einmal umfangreiche Musikwerke komponieren würde, ahnte er schon als Kind. Die Geschichte dazu nennt er freilich selbst "etwas kitschig". In die Freundschaftsalben seiner Schulkameraden habe er damals schon den Berufswunsch "Komponist" geschrieben, erzählt der ehemalige Augsburger Domsingknabe. Bald entwarf er eigene Stücke. Seine erste ausgeschriebene Komposition fertigte er mit 15 Jahren an. Zu dieser Zeit war er Orgelschüler bei Michael Nonnenmacher. Später folgte die Friedenskantate – und nun schließlich eine Friedensoper.
Der Text der Oper, das Libretto, stammt dabei vom Münchner Autor Maximilian Dorner. "Letzte Nacht" erzählt die Geschichte der beiden Schwestern Stella und Soledad. Sie müssen in einer durchwachten Nacht eine schwerwiegende Entscheidung treffen, um Frieden in der Welt herzustellen. Thema des Stücks sei es, "in einer komplexen, modernen Welt eine Haltung einzunehmen, sich zu positionieren", erläutert Dramaturg Kornelius Paede. Es gehe um den Willen, die Welt zum Guten zu verändern – und um das Ringen darum.
Eine Auseinandersetzung mit der Reformation
Die Geschichte überträgt so ein Kernthema der Reformation in die heutige Zeit: Die Schwestern müssen sich zu ihrer Überzeugung bekennen, Haltung zeigen, auch wenn es ihnen viel abverlangt – ganz so wie der Reformator Martin Luther vor 500 Jahren. Dabei fordert die Oper auch vom Publikum, sich zu positionieren. Schäfers Werk ist inhaltlich und musikalisch ein komplexes Gewebe aus innerer und äußerer Handlung, aus Text, Gesang, Musik und Geräuschen. "Es ist sicher kein Stück, das nur zum Zuschauen einlädt", meint der Komponist. Die Oper verlange vom Zuhörer eine Auseinandersetzung mit der Idee der Reformation – und der eigenen Bereitschaft, sich zu einer Sache zu bekennen.
In jedem Fall dürfte die Aufführung ein einmaliges Erlebnis für die Besucher werden. "Wann wird schon einmal eine Oper in einer Kirche gezeigt?", meint Dramaturg Paede – noch dazu mit dem historischen Bezug, den St. Anna zur Reformation habe. Im ehemaligen Karmeliter-Kloster St. Anna hat Martin Luther beim Augsburger Reichstag 1518 übernachtet. Es sei daher wirklich etwas Besonderes, das Stück in dieser Kirche aufführen zu dürfen, meint auch Schäfer. Die Vorfreude bei ihm ist groß – trotz seiner anhaltenden Müdigkeit: "Ich halte jetzt noch durch bis zu meiner ›letzten Nacht‹, in der ich wach bleiben muss, um an dem Stück zu arbeiten", meint er lachend: "Dann kann ich endlich wieder länger schlafen."