Wie gefährlich ist Corona? Welchen Nutzen hat eine Impfung? Wozu eigentlich all die Maßnahmen? Diese Fragen bestimmten die Beziehung der Münchnerin Karla B. (Name geändert) mit ihrem Mann seit Beginn der Pandemie. Sie selbst hatte Angst vor einer Corona-Infektion, er dagegen vor möglichen Langzeitwirkungen der Impfung. Die zwei trennten sich - haben sich aber nach vielen Gesprächen wieder zusammengerauft. B. hat nun in München eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von Corona-Skeptikern, Impfgegnern und Verschwörungsüberzeugten gegründet, die sich an diesem Donnerstag (3. Februar) zum ersten Mal trifft. Im Gespräch mit dem Sonntagsblatt erzählt die 59-Jährige, die anonym bleiben möchte, was sie anderen Betroffenen rät.

Sie haben eine der ersten Selbsthilfe-Gruppen für Angehörige von Corona-Skeptikern, Impfgegnern und Verschwörungstheoretikern gegründet. Wie ist die Resonanz?

Karla B.: Die Resonanz ist groß. Ich hatte viele Medienanfragen, die ich aber erst mal alle abgeblockt habe. Ich möchte bei diesem sensiblen Thema nicht mit meinem echten Namen und mit Foto in der Zeitung erscheinen. Mir war klar, dass ich da in ein Wespennest steche. Es war für mich unfassbar, dass bisher noch niemand im Raum München eine Selbsthilfe-Gruppe für Angehörige von Corona-Verharmlosern gegründet hat, denn die Nachfrage beim Selbsthilfezentrum München ist enorm. Es wollte nur keiner eine eigene Gruppe gründen. Also habe ich das gemacht.

Was war der Grund für Sie, die Gruppe zu gründen?

Karla B.: Mein Partner hatte Angst vor der Impfung, ich hatte Angst vor Corona. Mein Partner glaubt nicht an die Gefahren von Corona und er glaubt auch nicht, dass Maskentragen etwas bringt. Als Corona vor zwei Jahren aufkam, hat er auch nicht mir zuliebe eine Maske aufgesetzt. Ich hatte schon Sorgen, mich anzustecken. Wenn der eigene Partner nicht in Fürsorge geht für einen, dann ist das eine bittere Pille. Unsere Beziehung hat sich dann irgendwann nur noch um Corona gedreht. Wir haben uns seit Beginn der Corona-Pandemie mehrmals getrennt, aber nach 22 Ehejahren war das natürlich kein einfacher Schritt. Wir sind letztlich immer wieder zusammengekommen. Wir haben gemerkt: Wir sind nicht allein. Paare wie uns gibt es zuhauf.

epd: Und nun?

Karla B.: Ich habe meinem Mann vorgeworfen, dass er immer radikaler wird und habe dabei gar nicht gemerkt, dass auch ich mich radikalisiert habe in meinen Ansichten und meinen Mann unbedingt von seiner Meinung abbringen wollte. Ich war besessen davon, ihn zu überzeugen, dass er falsch liegt. Das bringt nichts. Diesen missionarischen Eifer hat mein Mann mir gegenüber zum Glück nicht. Wir haben uns dann zusammengesetzt und sind ins Gespräch gekommen. Heute können wir die Argumente des anderen hören, ohne sie gleich in die Tonne zu treten. Das heißt aber nicht, dass ich die Seiten gewechselt habe und etwa die Impfung infrage stelle.

Die Kernfrage ist doch: Willst du diesen Menschen - egal ob Corona-Leugner oder Maßnahmen-Befürworter - wirklich verlieren?

Und das klappt?

Karla B.: Bisher ja. Wir konzentrieren uns auf das, was gut ist in unserer Beziehung. Und das ist ganz schön viel. Wenn es um Corona geht, empfehlen wir uns zum Beispiel gegenseitig Podcasts und hören sie zusammen an. Mein Mann hört sich jetzt die Virologen Christian Drosten oder Sandra Ciesek an, ich im Gegenzug einen Philosophen mit der Haltung meines Mannes. Es funktioniert echt gut, weil man Einblick in die Welt des anderen bekommt und darüber redet. Wenn ich respektvoll behandelt werden will, dann muss ich mein Gegenüber auch respektvoll behandeln.

Was raten Sie denn nun anderen Betroffenen?

Karla B.: Die Kernfrage ist doch: Willst du diesen Menschen - egal ob Corona-Leugner oder Maßnahmen-Befürworter - wirklich verlieren? Diese Frage muss man für sich beantworten und zu Ende denken. Wie würde dein Leben ohne diesen Menschen aussehen? Soll er weiterhin in deinem Leben bleiben, kommst du nicht drumherum, ihm gegenüber Respekt zu zeigen und dich mit ihm auseinanderzusetzen.

Nicht alle Impfbefürworter und nicht alle Impfgegner sind aber so tolerant wie Sie beide. Viele wollen die jeweils andere Seite nur von den eigenen Ansichten überzeugen, einige rutschen dabei sogar in die Kriminalität ab, wenn sie zum Beispiel Impfnachweise fälschen oder zu den Reichsbürgern überlaufen...

Karla B.: Da haben wir als Paar einfach Glück. Irgendwann hat ein empathischer Dialog, wie ich es nenne, auch keinen Sinn mehr. Ich habe von einer Frau gehört, deren Partner angeblich gedroht hat, sie umzubringen, wenn sie sich impfen lässt. Wenn das so stimmt - da kann man eigentlich nur empfehlen, dass sie sich trennt. Dieser Hass und diese Abwertung den anderen gegenüber macht mir jedenfalls Angst. Wenn man die Kommentarspalten in den Zeitungen liest, da wird es mir ganz anders. Beide Seiten schenken sich nichts. Allein deshalb braucht es mehr Dialog.

Sie klingen sehr verständnisvoll, wie geht eigentlich Ihr Partner auf Sie zu?

Karla B.: Er versucht nicht, mich von meinen Ansichten abzubringen. Er trägt mir zuliebe inzwischen auch eine Maske. Er hat sich auch gefreut, als die Impfungen gekommen sind, weil dadurch natürlich meine Angst vor Corona weniger geworden ist und ich mich besser geschützt gefühlt habe. Er hat sich auch rührend um mich gekümmert nach meinen Impfungen. Denn wie gesagt: Er hat ja Angst vor den seiner Meinung nach nicht ausreichend erforschten Corona-Impfungen und möglichen Langzeitfolgen - und war daher natürlich besorgt um mich.

Hat er denn gar keine Angst vor einer Corona-Infektion?

Karla B.: Nein. Er glaubt, er sei fit und gesund und würde im Fall der Fälle keinen schweren Verlauf haben. Ich sehe das etwas anders: Er ist 62, ich bin 59. Wir gehören zwar nicht zur Hochrisiko-Gruppe, aber wir könnten wegen unseres Alters schon mit einem schwereren Verlauf rechnen. Natürlich hatte ich anfangs Angst um meinen Mann. Aber das habe ich abgelegt, sonst würde ich mich nur kaputt machen. Jetzt mit der Omikron-Variante verlaufen Corona-Infektionen zum Glück milder. Aber wer weiß, was noch kommt.

Was sagt Ihr Mann eigentlich zu Ihrer Selbsthilfe-Gruppe, fühlt er sich bloßgestellt?

Karla B.: Nein, gar nicht.

Warum nicht?

Karla B.: Ganz einfach: weil er sieht, dass es mir guttut, mit anderen darüber zu sprechen und ich zum Dialog mit den betroffenen Angehörigen rate.

Wenn Corona Sie nicht auseinanderbringt, dann bringt Sie wohl nichts auseinander, oder?

Karla B. (lacht): Das haben wir uns auch schon gedacht. Ich sehe sowas grundsätzlich positiv. Solche Stolpersteine im Leben lassen uns innehalten und nachdenken, was wirklich wichtig ist. Die US-Autorin Susan Sontag hat es mal schön auf den Punkt gebracht: "Ich halte nichts davon, andere zu verurteilen. Schließlich ist es so viel einfacher, sich selbst zu ändern, als jemand anderen zu ändern."

Münchner Selbsthilfegruppe für Angehörige von Corona-Leugnern startet am 03. Februar

 Diesen Donnerstag (3. Februar) trifft sich erstmals die neu gegründete Münchner Selbsthilfegruppe für Angehörige von Coronaleugnern, Impfgegnern und Verschwörungstheoretikern. Ins Leben gerufen wurde die Gruppe von einer 59-jährigen Münchnerin, deren Beziehung wegen der Corona-Pandemie zwischenzeitlich zerbrach. Ihre Beziehung habe sich dann irgendwann nur noch um Corona und ihre unterschiedlichen Ansichten gedreht.

Sie hätten sich deshalb getrennt, inzwischen seien sie aber wieder ein Paar, weil sie sich zusammengesetzt und sich die Corona-Meinungen des anderen angehört hätten, berichtet die Gründerin. Sie rate daher anderen Betroffenen zum Dialog.

Die "Selbsthilfegruppe für Angehörige von Coronaleugnern, Coronaverharmlosern, Verschwörungsüberzeugten" im Selbsthilfezentrum München ist eine der ersten ihrer Art in ganz Deutschland. Ähnliche Gruppen gibt es bereits in Erlangen oder in Bochum. Die Resonanz sei groß, sagte die 59-Jährige. "Ich glaube fest an die kraftspendende Wirkung des Austausches von Gleichbetroffenen und wir werden feststellen, dass wir nicht alleine sind, und uns gegenseitig neue Perspektiven eröffnen", sagte sie in der Selbstbeschreibung für ihre Gruppe.