Michael Schulz ist ein echtes Verkaufstalent. "Ich weiß genau, was Ihnen passt", sagt der junge Nürnberger, verschwindet kurz im Ständer-Labyrinth im "allerhand"-Lager auf dem Gelände der Geyer-Werke am Gibitzenhof und kommt mit drei Herrenhemden wieder zurück. Erstklassige Ware. Der Mann ist gut. Warum der schon lange Arbeitssuchende allerdings auf dem "ersten Arbeitsmarkt" keine Jobchancen hat und daher in der Einrichtung der Nürnberger Stadtmission als Ein-Euro-Jobber in einem Hilfsprogramm arbeitet – das kann niemand so recht sagen.
In den "allerhand"-Läden mit ihren Filialen in der Diana-, der Wiesen-, der Rothenburger sowie der in Kürze nach Umzug neu eröffnenden Filiale in der Watzmannstraße können Menschen mit geringem Einkommen zu günstigen Preisen einkaufen. Für den Erwerb der Waren, die in erster Linie durch Kleiderspenden zusammenkommen, ist der Nürnberg-Pass, ein Tafelausweis oder die "allerhand-Kundenkarte" erforderlich.
50 Menschen arbeiten für "allerhand"-Läden
"Was wohl die wenigsten wissen, ist, dass die Spender und die Käufer in erster Linie vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegrenzten Menschen helfen, die in den allerhand-Lägern und -Läden beschäftigt und gefördert werden", sagt Petra Homburg. Sie ist eine aus dem guten Dutzend Hauptamtlichen des Projekts und kümmert sich mit um die Verwaltung. Neben ihr arbeiten in der rund 50-köpfigen Belegschaft weitere Organisationskräfte, darunter zahlreiche Sozialpädagogen.
Das Gros sind allerdings Menschen, die vom Jobcenter vermittelt werden. Oftmals Langzeitarbeitslose, die aus unterschiedlichen Gründen keinen Job mehr finden: Mal haben sie eine lange Krankheit hinter sich, mal sind es Altersgründe, auch fehlende Ausbildung kann eine Ursache sein. Oder sie schlugen sich bisher mit Hilfsjobs in der Industrie durch. "Diese Jobs gibt es aber immer weniger. Und wenn ungelernte Kräfte für einfache Arbeiten gesucht werden, dann werden die Jüngeren bevorzugt", erklärt Homburg.
Pädagogen unterstützen Mitarbeiter
Daneben gibt es Mitarbeiter, die unter einer seelischen Erkrankung leiden, ihren Ängsten oder ihrer Unsicherheit einfach nicht Herr werden. Auch für sie sind die Pädagogen da. Während die andere Gruppe Unterstützung bei Bewerbung oder Arzt- und Behördenbesuchen erfährt, waren die "Sozpäds" beispielsweise schon mal zur Stelle, wenn sich eine Mitarbeiterin nicht nach Hause getraut hat, weil sie dort einen Einbrecher vermutete. Dann geht’s gemeinsam zum Arzt.
In den Verkaufsläden und dem Lager lernen die "Klienten", wie man wieder soziales Verhalten zeigt und vielleicht doch wieder fit für die Welt da draußen gemacht wird. "Wer einen Funken Motivation mitbringt, der wird bei uns aufgenommen", bekräftigt sie. Und die Aufgaben in den "allerhand"-Einrichtungen sind keine Beschäftigungstherapie: Immer mehr Menschen in Nürnberg können sich ihre notwendigsten Güter wie Kleidung, Schuhe, Hausrat oder auch Spielwaren nicht mehr leisten. Die Gebrauchtwarenläden bieten Bekleidung, Schuhe, Spielsachen, Haushaltswaren aus zweiter Hand an. Die Erlöse kommen komplett den Läden zu. "Wir haben zu 95 Prozent Stammkunden", sagt Homburg. Und die haben auch ihre Ansprüche.
Angestellte erarbeiten Zukunftsperspektiven
"Gerade bereiten wir uns auf die Herbstsaison vor", strahlt Michael Schulz. In den fein säuberlich beschrifteten Regalen sind alle Arten von Kleidung nach Geschlecht, Art und Größe sortiert. Kleinere Reparaturen wie abgerissene Knöpfe oder aufgerissene Nähte werden von Mitarbeitern an einer Station erledigt, nebenan werden frisch angekommene Waren deklariert, anderswo die Sommerware verpackt. Manches wandert ins Lager, manches kommt in blaue Säcke, teils auch zum Entsorgen.
Für alle diese Arbeiten werden Menschen gebraucht. Wenngleich immer nur für die Dauer der "Maßnahme", wie sie vom Jobcenter genehmigt wurde. Das kann von einem halben Jahr bis zu zwei Jahren dauern. Und dann? "Manche schaffen es, wieder einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden. Andere realisieren in dieser Phase, dass sie vielleicht doch besser ihre Rente einreichen oder gezielt eine Ausbildung beginnen sollten", ergänzt Petra Homburg. Egal, wie es aber ausgeht – sinnvoll war die Zeit bei "allerhand" immer.